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Romelia Lichtenstein

Sopran

Phantastische Operndiva

Sie beherrscht ein weit gefächertes Repertoire und ist Opernsängerin mit Leib und Seele: Romelia Lichtenstein.

In Sofia geboren und in Rostock aufgewachsen, sang sie bereits mit neun Jahren den ersten Knaben in Mozarts "Zauberflöte". Von Beruf Kinderkrankenschwester, studierte sie von 1983 bis 1989 an der Leipziger Musikhochschule Gesang. 1993 bis 1995 war sie an der Oper Leipzig engagiert und anschliessend wechselte sie nach Halle. Ab der nächsten Saison wird Romelia Lichtenstein freiberuflich tätig sein. Am Hallenser Opernhaus sang sie die Titelpartie in "Madame Butterfly", "Orfeo ed Euridice", Donna Anna in "Don Giovanni" und die Elisa in "Tolomeo", um nur einige zu nennen. In dieser Saison (1998/99) übernahm sie u.a. in der Operette "Land des Lächelns" die Partie der Lisa und die Mimi in "La Boheme".

Die Redaktion Halle/Leipzig des Online Musik Magazins hatte im April 1999 Gelegenheit, mit der äusserst symphatischen Sängerin ein Interview zu führen.

Frage: Sie sind derzeit noch am Opernhaus Halle engagiert. Ab wann werden Sie freiberuflich tätig sein?
Lichtenstein: Ich werde ab August 1999 freiberuflich arbeiten.
Frage: Sie verfügen über ein sehr breites Repertoire. Haben Sie eine Lieblingsrolle?
Lichtenstein: Da gibt es mehrere: Auf jeden Fall "Traviata", auf jeden Fall "Butterfly" und "Boheme". Bei Mozart jede Partie, denn ich liebe Mozart sehr. Händel singe ich sehr gerne, weil ich finde, dass es die Stimme gesund erhält...
Frage: Wie erarbeiten Sie sich eine Rolle?
Lichtenstein: Zuerst für mich, im stillen Kämmerlein, musikalisch mit einem Pianisten.
Frage: Wie geht es dann weiter?
Lichtenstein: Wenn man soweit ist, dass man es mit Noten singt, dann heisst das noch lange nicht, dass man es auswendig kann. Dann muss das auswendig singen dieser Partie trainiert werden. Bei den szenischen Proben hat man Gelegenheit zu sehen, was mit dem Körper zusammengeht und was nicht. Es ist wie Sport, für den man die Muskeln trainieren muss.
Frage: Ist es für Sie schwer, die Rollen auswendig zu lernen oder ist es eine Trainingssache?
Lichtenstein: Das ist auch eine Frage des Trainings. Ich glaube, mir fällt es relativ leicht.
Frage: Wie lange dauern die szenischen Proben?
Lichtenstein: Normalerweise vier bis sechs Wochen. Es ist unterschiedlich, denn es kommt auf das Stück an. Meistens wird jeden Tag geprobt, je nach Rolle. Da man nicht nur eine Partie singt, wenn man fest engagiert ist, hat man rund um die Uhr zu tun.
Frage: Gibt es ein Opernhaus, an dem Sie sehr gern zu Gast sind?
Lichtenstein: Die "Opera Göteborg". Das Haus ist vor drei Jahren neu gebaut worden und liegt direkt am Meer. Man schaut von den Proberäumen direkt auf die vorbeifahrenden Schiffe. Die Leute, die dort arbeiten, sind von einer Lockerheit und unglaublichen Freundlichkeiten, so etwas habe ich noch nie erlebt. Die Akustik und überhaupt die technischen Voraussetzungen für die Arbeit sind dort einfach ideal.
Frage: Was wäre für Sie eine Traumrolle?
Lichtenstein: Es gibt viele Rollen, die ich noch gerne singen würde. Die "Schwester Angelica" von Puccini, die "Manon Lescot", dann würde ich gerne "Gilda" singen, im "Rigoletto". Ach es gibt da viele Sachen. Mozarts "Titus", z.B. Was ich im Moment nicht singen möchte, ist Wagner. Das ist auch nicht die Musik, zu der ich mich hingezogen fühle. Ich bin eher auf das italienische Fach orientiert.
Frage: An welchem Opernhaus in der Welt würden Sie gern singen?
Lichtenstein: In der Welt? Ja, der grosse Traum sind immer die bedeutenden Häuser in London, Paris und New York. Ich hatte 1991 in Barcelona das Glück, in dem Opernhaus, das es heute nicht mehr gibt, im Rahmen des Gesangswettbewerbes dort als Mozart-Preisträgerin singen zu dürfen und das war natürlich ein Erlebnis.
Frage: Wie entspannen Sie sich bei dem Ihrigen Mammutprogramm?
Lichtenstein: Ich versuche ruhig zu bleiben, mich nicht verrückt machen zu lassen durch die vielen Aufgaben, die vor mir stehen. Eines nach dem anderen zu tun. Ich versuche, so viel es geht, gut zu schlafen, diszipliniert zu leben. Ich kann es mir nicht leisten, mich nach der Vorstellung hinzusetzen und zu trinken und am nächsten Tag wieder zu kommen und zu singen, das geht eben nicht. Ich gehe in die Sauna und versuche mich gesund zu halten und ansonsten entspanne ich mich beim Kochen, am liebsten für Freunde oder ich male manchmal.
Frage: Wie sieht es mit Lampenfieber aus. Hat man das automatisch?
Lichtenstein: Ja. Ich glaube, wer das nicht hat, bei dem stimmt irgendwas nicht. Bei mir hält es sich in Grenzen. Ich habe festgestellt, je mehr die Leute um mich herum verrückt werden, um so ruhiger werde ich. Das ist bestimmt eine Gabe, vielleicht auch eine Art von Training. Wenn man viel macht, kann man es sich auch nicht leisten, gross nervös zu spielen.
Frage: Ist es nur bei der ersten Vorstellung?
Lichtenstein: Natürlich sind Premieren immer etwas besonderes, klar. Es dauert eine Zeit, bevor man eine Partie im Körper hat. Das ist bis zur Premiere manchmal gar nicht möglich. Und wenn man die Partie zum ersten Mal singt, ohnehin. Es ist immer heikel. Immer. Dann sitzen irgendwelche Leute unten im Publikum, die eben Premierenpublikum und vielleicht Kritiker sind, das ist immer eine besondere Situation. Es ist ein zusätzlicher Druck, den man normalerweise nicht hat. Ich bin gar nicht so begeistert von Premieren. Ich empfehle Leuten, die etwas von mir erfahren wollen, lieber in eine normale Vorstellung als in eine Premiere zu gehen. Ausserdem ist man meistens bei Premieren durch diese Endprobengeschichte sehr ausgepowert und mitunter nicht unbedingt auf der Höhe seiner Kräfte.
Frage: Welcher Moment war für Sie der schönste auf der Bühne?
Lichtenstein: Die Erfahrung, dass man Leute über und mit einer Partie begeistern und bewegen kann, bis hin zum Weinen. Dass man es gern tut, das ist das Wichtigste dabei. Dass es Spass macht. Genau das ist es, was mich an diesem Beruf fasziniert. Wenn man Leichtigkeit im Ausüben des Berufes empfinden kann, ist das ein Geschenk. Für mich ist dieser Beruf, entschuldigen Sie, wenn ich das sage, wie Gottesdienst: Ich gehe nicht auf die Bühne und sage, ich singe für das Publikum, damit sie mich beklatschen. Natürlich versuche ich es gut zu machen, aber dass es geht, dass es funktionieren kann, das kommt von oben. Diese wunderbare Musik singen zu dürfen, ist für mich einfach nicht selbstverständlich. Es ist ein unbeschreibliches Erlebnis Verdi, Puccini und Mozart singen zu dürfen.
Frage: Wie verkraftet man Enttäuschungen?
Lichtenstein: Die bleiben nicht aus und gehören zum Beruf. Wenn man als Anfänger seine erste schlechte Kritik bekommt, ist man total zerstört. Später ist das eben nicht mehr so bedeutungsvoll: Stimmen sind Geschmackssache und jeder Kritiker entscheidet subjektiv darüber, wie er jemanden findet. Gott sein Dank sind die Geschmäcker verschieden. Man muss immer damit rechnen, dass es da unten im Publikum Leute gibt, denen es nicht gefällt.
Frage: Gab es schlimme Momente in Ihrem Bühnenleben?
Lichtenstein: Ja, es gab Enttäuschungen, aber die gehörten eben dazu. Man sollte versuchen, sich davon inspirieren zu lassen, es anders oder besser zu machen.
Frage: Sind Sie vor Premieren abergläubisch?
Lichtenstein: Es gibt so rituelle Geschichten, von denen kann ich mich nicht ausnehmen. Zum Beispiel gibt es da ein paar Sachen, die man eben nicht macht: im Theater pfeifen oder essend über die Bühne zu gehen oder mit Mantel über die Bühne... Aber man kann es auch übertreiben. Ich mache mich damit ganz sicher nicht verrückt, aber ich verstehe Leute, für die das wichtig ist. Es gehört zum Theaterleben.
Frage: Viele Künstler sind Sammlernaturen. Was sammeln Sie?
Lichtenstein: Ich komme schwer an Schuhläden vorbei. Ich liebe schöne Kleider, schöne Schuhe, alten Schmuck, alte Möbel...
Frage: Haben Sie eine Lieblingsfarbe, die Sie gerne tragen?
Lichtenstein: Ich trage sehr gern schwarz, weil man alles damit kombinieren kann. Es gibt Rottöne, die ich sehr bevorzuge und Erdtöne. Brauntöne stehen mir.
Frage: Was machen Sie in der Sommerpause?
Lichtenstein: Verschieden, aber immer mit meiner Familie.
Frage: Achten Sie besonders auf Ihre Stimme?
Lichtenstein: Ich glaube im Vergleich zu anderen wenig. Wo man wirklich aufpassen muss, ist Alkohol. Ein Bier nach der Vorstellung ist wunderbar und entspannt total, aber ich könnte nicht eine halbe Flasche Wein trinken, da wäre ich noch am nächsten Tag erledigt.
Frage: Sie sind in den letzten Jahren eine phantastische Sängerin geworden. Wie haben Sie das erreicht?
Lichtenstein: Danke. Das lässt sich nicht mit zwei Sätzen sagen. Das hat auch mit Selbstkontrolle zu tun. Ich habe zum Beispiel eine Zeitlang jeden Abend bei der Vorstellung einen Mitschnitt machen lassen, dann zu hause durchgehört und mit mir selbst knallhart geurteilt. Man hört es dann halt. In dem Moment, wo man singt, hört man das oft nicht. Wenn man keine Gelegenheit hat, zum Lehrer zu gehen und sich kontrollieren zu lassen, sollte man wenigstens das tun. Ausserdem hatte ich Umgang mit sehr guten Sängern. Ich glaube, ich bin ein guter Hörer und konnte so viel lernen. Auch in Leipzig stand ich oft neben erstklassigen Sängern auf der Bühne. Man lernt in diesem Beruf sowieso nie aus. Und zum Glück haben mich auch Dirigenten und Regisseure vielseitig gefördert.
Frage: Operette und Oper sind zwei verschiedene Welten. Wie schaffen Sie das?
Lichtenstein: Die meisten Fachleute stecken einen in eine Schublade und sagen: "So, die ist lyrischer Sopran, Deckel zu. Die ist Kolaratursopran, Deckel zu, und alles andere ist verrückt, was sie macht". Das ärgert mich. Ich glaube, jede Stimme hat ihre eigene Beschaffenheit, ihre Individualität und wenn man spürt, dass man verschiedenes kann, sollte man das auch tun. Auch Dialog sprechen zwischendurch ist schwierig, anschliessend dramatisch weitersingen und wieder fröhliche Konversation treiben. Dem muss man sich eben stellen. Ich bin stolz darauf, vielseitig und für Oper wie Operette gefragt zu sein.
Frage: Bleiben Sie in der Zukunft dem Opernhaus Halle in Gastrollen erhalten?
Lichtenstein: Ja.

Danke für das Interview.

[Das Interview mit Romelia Lichtenstein führte Nadja Naumann]



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April 1999

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