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Daniel Barenboim / Paul Smaczny
Knowledge is the Beginning
The Ramallah Concert




Friedensbotschaft

Von Stefan Schmöe

Selten war der friedensstiftende und völkerverbindende Aspekt von Musik so greifbar wie hier: Ein Orchester aus israelischen und arabischen Musikern, eigens für den Auftritt mit spanischen Diplomatenpässen ausgestattet, gastiert im palästinensischen Ramallah und spielt Mozart und Beethoven. Der Weg zu diesem symbolträchtigen Konzert am 21. August 2005 begann in Weimar, wo Daniel Barenboim gemeinsam mit dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said anlässlich der Feierlichkeiten in der „Kulturhauptstadt Europas 1999“ das Orchester „West-Östlicher Divan“ gründete. Inzwischen residiert das Workshop-Ensemble in Sevilla, reist erfolgreich durch Europa, und pünktlich zum Weihnachtsgeschäft ist der komplette (seinerzeit vom Sender Arte live übertragene) Konzertmitschnitt, ergänzt um die Filmdokumentation Knowledge ist the beginning von Paul Smaczny, als schmucke DVD-Box auf dem Markt.

Im Sinne eines „Tue Gutes und sprich darüber“ verkündet der Film emphatisch die frohe politische Botschaft vom Kennenlernen des anderen als erstem Schritt zum Frieden, aber es bedarf schon eines gehörigen Maßes an weihnachtlicher Grundstimmung, um die geballte Ansammlung hehrer Worte in Smacznys Dokumentation über 93 Minuten zu ertragen. Denn obwohl permanent von Musik die Rede ist und kaum jemand einen Satz zum Ende bringt, ohne dass ihm Musik ins Wort fällt, geht es nur am Rande um Kunst. Statt dessen huldigt der Film seinem Star Daniel Barenboim, den er als Weltverbesserer per excellence inszeniert: Am dramatischsten in einer Aufnahme aus der Knesseth, wo Barenboim einen Preis entgegen nimmt und in seiner Dankesrede rhetorisch kaum verhüllt Kritik an der israelischen Regierung übt. Die Brisanz dieser Szene am Rande des Eklats wird aber filmisch gebrochen, indem zu Barenboims Worten der Künstler am Klavier, Beethovens Mondscheinsonate spielend, eingeblendet wird: So wird Barenboim in edlem Kitsch zum einsamen Kämpfer für eine bessere Welt ikonisiert.

Allzu einstudiert wirken die durchweg druckreifen Kommentare, die von der Kamera in bemühter Spontanität eingefangen werden. Von den Musikern selbst, von ihren Biographien und Gefühlen erfährt man dabei kaum etwas. Gerade weil der Film permanent die Unterschiede zwischen der westlichen Kultur und der arabischen Welt betont, müsste er zeigen, aus welchem Umfeld ein jordanischer, syrischer oder libanesischer Musiker kommt, für dessen Kultur das Erlernen eines „westlichen“ Instruments eben nicht selbstverständlich ist. Er müsste auch von den Schwierigkeiten berichten, die es sicher auch gibt und gegeben hat. Er müsste wenigstens ein Minimum an Fakten vermitteln (etwa dass auch spanische Musiker im Orchester spielen). Das alles tut er nicht. Stattdessen hat der Film etwas von der Ästhetik einer Hochglanz-Dauerwerbesendung für vielbeschäftigte Sponsoren, die sich mangels Zeit höchstens zwischendurch mal 10 Minuten ansehen können – darin aber garantiert alle wichtigen Botschaften erfahren.

Der Konzertmitschnitt selbst zeigt, dass Barenboim hervorragend mit dem Orchester gearbeitet hat, aber er macht auch die musikalischen Grenzen deutlich, die ein solches Projekt naturgemäß hat. In Mozarts Symphonia Concertante Es-Dur für Oboe, Klarinette, Fagott, Horn und Orchester hört man manches schöne Detail, aber die Interpretation ist an vielen Stellen auch klanglich unausgewogen. Beethovens Fünfte lebt mehr vom mitreißenden Schwung der Komposition als von der Feinarbeit im Kleinen. Barenboim hat mit der Berliner Staatskapelle gezeigt, wie er in kontinuierlicher Arbeit einen Klangkörper formen kann (die Einspielung etwa der Schumann-Symphonien zeigt das ausgezeichnet); in der auf kurze Arbeitsphasen beschränkten Workshop-Zeit mit dem „Orchester West-Östlicher Diwan“ geht es auch um die Kunst des musikalisch Machbaren. Das Ergebnis ist eindrucksvoll, aber natürlich keine Referenzeinspielung. „The Ramallah Concert“ ist auch unter dieser Perspektive ein in erster Linie musikpolitischer Meilenstein. Schade, dass er nicht sensibler dokumentiert worden ist.


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Knowledge is the Beginning
Dokumentarfilm von Paul Smaczny (1999 - 2004)
Dauer: 93 Minuten

The Ramallah Concert
Live-Mitschnitt des Konzerts vom 21.8.2005
aus dem Cultural Palace, Ramallah

Programm:
Wolfgang A. Mozart:
Sinfonia Concertante Es-Dur KV Anh. 9 (279b)
für Oboe, Klarinette, Horn,
Fagott und Orchester

Ludwig van Beethoven:
Symphonie Nr. 5 c-Moll op. 67

(als Zugabe) Edward Elgar:
Nimrod aus Enigma-Variationen

Mohamed Saleh, Oboe
Kinan Azmeh, Klarinette
Mor Biron, Fagott
Sharon Polyak, Horn

Orchester "West-Östlicher Diwan"

Dirigent: Daniel Barenboim



© 2005 EuroArts Music International GmbH
in Co-Produktion mit Barenboim-Said Fundacion,
ZDF und Arte

2 DVD Warnermusic 2564 62792-2
Ton: LPCM Stereo
Lauflänge: 112 min. (Konzert) / 93 min. (Film)
Sprache: Englisch, Hebräisch, Arabisch, Deutsch Untertitel in Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Arabisch

Weitere Informationen unter:
www.warnerclassics.com
www.barenboim-said.org




Da capo al Fine

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