Christian Ehring
Anchorman - Ein Nachrichtensprecher
sieht rot
Das Glück hat ein getöpfertes Klingelschild
Von
Frank Becker
Spätestens
seit „Zypressen bei
Sonnenaufgang“ ist
der Duisburger Christian Ehring eine markante Hausnummer im deutschen
musikalisch-literarischen Kabarett. Sein ebenso wie das erste Solo
brillantes aktuelles Stück ist „Anchorman–
Ein Nachrichtensprecher sieht rot“.
Elmar Stelzwedel, der
(entlassene) Held des nächtlichen Infotainment, der Seitenscheitel der (sehr)
Spätnachrichten, der Mann, der den Katastrophen von Katrina (Hurrikan) bis
Angela (Merkel) ein Gesicht gab (seins nämlich), rechnet ab. Im Ringen mit
seinem Analytiker Dr. Schumann und im Rangeln mit seinem Über-Ich Bodo räumt er auf: mit
Chefin Frau Dr. Friederike-Gesine Herkenrath-Bovenschen, mit der
Nachrichtenlandschaft im Allgemeinen, dem visionären Koalitionsvertrag: „Du kannst gar nicht
so viel kiffen, um den visionär zu finden“, und mit dem großen Gründer des
Islam: Peter Scholl-Latour im Besonderen.
Ehring
bewältigt sein pointenreiches Solo, für die CD im Düsseldorfer
"Kom(m)ödchen" unter der Regie von Martin Maier-Bode live
mitgeschnitten, als multiple Persönlichkeit im Mono-, Dia-
und Trialog mit schauspielerischer Eloquenz, kabarettistischem Biss,
einer
gehörigen Portion köstlicher Kalauer („Kabarett muss auch mal weh
tun!“) und swingend am
Klavier mit Chansons von heiterem Tiefgang. Er nennt den
Effenberg-Effekt beim
Namen: je kleiner das Gehirn, umso größer das Ich, entmystifiziert den
„Spiegel“ als „Tittenmagazin für Sozialkundelehrer“, trägt als
Revoluzzer zu
Sandalen weiße Socken, bläst vor der Sparkasse auf dem Kamm die
"Internationale" oder bestellt Sushi beim Italiener. Das „Dogging“ hat
er erfunden, Gassi gehen sagte man früher.
Ein Glücksfall für die überlaufene Kabarett-Landschaft.
Viele Ehen scheitern
am Alkohol, wenn nämlich einer der Partner mit dem Trinken aufhört, seine
Live-Schaltung zu Partnerin Moni ist abgebrochen, weil er ihren subtilen Andeutungen „Ich
will endlich Kinder!“ nicht folgen konnte. „Was soll das heißen?“ Nach
Berufswünschen wie Schafrichter (welches Schaf geht schon vor Gericht?) oder
Teilchen-Beschleuniger (keine Zukunft in der Bäcker-Branche) hatte Elmar S. es
geschafft, ganz oben – na ja, fast ganz oben – anzukommen: als Sprecher der letzten
Nacht-Nachrichten. Von kaum noch wem gesehen, zugegeben, aber mit neuem Jingle
von Karl-Heinz Stockhausen. „Da schreckt man kurz auf, sieht vielleicht Struck
und denkt: och, `n Tierfilm“.
Dass er
statt des verlangten Kommentars zur Vogelgrippe endlich mal sein virulentes Problem live
rausgelassen hat: „Bodo ist ein Arsch!“, hat ihn befreit, auch vom Job. Die
Arbeitsagentur bietet Ersatz:
als sprechende Fritte bei „Erika´s Grillstation“ inklusive Wut über das
falsche
Genitiv-Apostroph. Nun steht er auf der Straße, hadert mit sich ob er
lieber die Majo zur Fritte wäre und bittet: „Sollten sie in der
Fußgängerzone einer
sprechenden Fritte begegnen, seien sie nett – es könnte auch Ulrich
Wickert
sein.“ Reinhören lohnt.
Ihre
Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)
|
Christian Ehring
Anchorman - Ein Nachrichtensprecher
sieht rot
(Kabarett)
Eine Produktion von Christian Franzkowiak
Text und Musik: Christian Ehring
Sprecher - Christian Ehring
Klavier - Christian Ehring
© 2004 con anima verlag
Gesamtzeit: 1:17:25
Weitere Informationen unter:
www.christianehring.de
www.conanima.de
|