Volker Kriegel
Erwin mit der Tröte
Ein zeitgemäßes Märchen mit vielen Musikbeispielen
Von
Peter Bilsing„Wer Tröte spielt, muß jeden Tag üben.“ (Alte Dschungelweisheit)
<>Ein
wunderbares Weihnachtsgeschenk für junge und alte Musikfreunde ist die
Geschichte von „Erwin mit der Tröte“. Ein herrliches Märchen – oder ist
es gar keins ? – welches sich nicht nur köstlich der Szenesprache
bedient, sondern auch alle Plattitüden und sprachlichen Euphemismen des
Kritikerjargons und der Musikwerbebranche in seinen gut 76 Minuten
herrlich auf den Arm nimmt. Außerdem geht es um Freundschaft,
Karrierismus, Liebe und Größenwahn. Die Musikbeispiele (Thomas
Bettermann) sind vom Feinsten. Auch der tiefsinnige Humor, welcher so
scheinbar oberflächlich daherkommt, unterhält auf höchstem Niveau –
nicht nur Kinder! Geradezu brillant erzählt WIGLAF DROSTE die
Geschichte in beruhigendem Sprachductus einer Gute-Nacht-Geschichte –
die Phrasierung wechselt aber blitzschnell mal in die satirische
Boshaftigkeit eines Dieter Hallervorden oder der Patience eines Victor
von Bülow; das machte die CD so mitreißend spannungsvoll, daß der
Rezensent nach halbstündiger Autofahrt noch 45 Minuten in seinem
Gefährt sitzen blieb, um alles zu Ende zu hören. So einfach und
unkompliziert fängt es an:
„Auf einer kleinen Insel in der Nähe von Sansibar wohnte einmal ein
Nasenbär. Er hieß ERWIN und konnte so schön Tröte spielen, wie sonst
niemand auf der Welt. Und was das Allerschönste war, dazu brauchte
ERWIN noch nicht einmal ein Instrument, denn er trötete mit seiner
eigenen Nase. Man hatte ja schon des öfteren von musikalischen
Nasenbären gehört. Immer wieder mal wurde von begabten Trompetern,
Saxophonisten oder auch Posaunisten berichtet. Eines jedoch steht fest:
so virtuos, so herzwärmend und so kunstvoll, wie ERWIN hatte bisher
noch keiner gespielt. ERWINs Nasentröte klang strahlender als eine
Trompete, lebendiger als eine Klarinette und sinnlicher als ein
Saxophon. Wenn Erwin in der richtigen Stimmung war, spielte er laut,
wild und leidenschaftlich. Manchmal spielte er aber auch sehr zart und
gefühlvoll. Am liebsten aber musizierte Erwin mit seinen Freunden, den
DSCHUNGELKINGS.
Am Schlagzeug sitzt GISMO, der Orang-Utan – ein Rhythmus-Spezialist der
alten Schule. GISMO ist berühmt für sein unerschütterliches Timing; er
kann unheimlich Druck machen, kann aber auch sehr geschickt und
feinfühlig mit seinen zahlreichen Percussioninstrumenten umgehen. GISMO
ist gefräßig und denkt – abgesehen von der Musik - nur ans Essen.
Marimba spielt HORSTI, die Hyäne, ebenso - wie sein Freund HEINZI -
stammt HORSTI vom afrikanischen Kontinent, lebt aber schon seit vielen
Jahren als bekennender Vegetarier im Exil. ALEX, der Alligator, spielt
Akkordeon. Zu den Proben kommt er regelmäßig zu spät. Mal bleibt er im
Feierabendverkehr stecken, mal muss er seiner kranken Mutter helfen,
mal wird er vom Unwetter überrascht - um eine gute Ausrede ist ALEX nie
verlegen. Das Flusspferd FRANZ brummt schöne Basstöne. FRANZ ist ein
etwas schlichter aber herzensguter Kerl. Wenn von FRANZ die Rede ist,
muss MADELEINE, genannt „Mady“, erwähnt werden. FRANZ tritt niemals
ohne MADY in Erscheinung. Die hektische und geschwätzige MADY ist seine
Haushälterin, seine Madenhackerin und seine beste Freundin; außerdem
kann MADY sehr schön singen. Zusammen mit LULU, einem Buntflöterich,
bestreitet sie bei der Band sämtliche Vokalparts vom Backgroundgesang
bis zu solistischen Aufgaben. Auch HORSTIs Freund HEINZI gehört zu den
DSCHUNGELKINGS, obwohl er nicht auf der Bühne steht. HEINZI ist ein
ebenso schüchterner wie begabter Komponist und Arrangeur. Die beiden
Hyänen gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Unterscheiden kann man sie
nur daran, dass HORSTI den Ohrring rechts trägt, HEINZI dagegen links.
Normalerweise versteht sich eine Band nur auf eine bestimmte
Musikrichtung. Die Spezialisten für Tanzmusik und Schlager haben
meistens keine Ahnung von Jazz oder von klassischer Musik. Klassische
Kapellen wiederum kennen sich nicht aus mit Rockmusik oder mit
Karibischen Rhythmen. Volksmusiker mögen ihre eigene Musik noch so
gekonnt vortragen, stehen aber auf verlorenem Posten, wenn es um
klassische Stücke, oder um schwierige Bebop-Nummern geht. Bei den
DSCHUNGELKINGS war das ganz anders. Diese Band konnte tatsächlich so
gut wie alles spielen. Klassik, Jazz, Tanzmusik, Rock´ n Roll, Hiphop
und natürlich Sansibambar, die Musik des Urwalds, die bei den
Inselbewohnern besonders gut ankam. Gewiss war es der musikalischen
Vielfalt und dem abwechslungsreichen Repertoire zu verdanken, dass sich
das Publikum bei den Samstagskonzerten der DSCHUNGELKINGS niemals
langweilte. Im Gegenteil, selbst langjährige Stammgäste oder Abonnenten
freuten sich von Woche zu Woche auf das nächste Konzert. Was würde es
wohl diesmal geben? Ein festliches Trötenkonzert von Bach oder von
TORELLI? Eine verschärfte Bebop-Session mit alten
Charly-Parker-Nummern? Eine Tango-Soiree mit Piazolla-Bearbeitung? Oder
wieder mal ein Sansibambar-Festival, bei dem das Publikum stets mitsang
und ausgelassen auf den Bänken tanzte.“
Auftakt einer Geschichte, in deren Mittelpunkt der Musik-Virtuose ERWIN
steht, ein begnadeter Nasenbär-Tröterich, der zum Weltstar avanciert.
Wenn Sie während des Hörens auf die Idee kommen, man könnte den
Phantasienamen ERWIN leicht durch Realnamen, wie z.B. Pavarotti,
Pollini, Celibidache, Karajan, Caruso, Heintje... ersetzen, dann geht
es Ihnen wie dem Rezensenten. Aber das ist natürlich Unsinn ! Denn das
hier ist ja ein Märchen und ich werde Ihnen auch nicht verraten, welche
Rolle die Elefanten ELMAR und ELSE, der Marabu Dr. MÄKEL oder die
entzückende Nasenbärin ROSA im weiteren Verlauf der Geschichte spielen.
Außerdem ist da noch Professor HIGGINS, ERWINs Manager, ein Mensch,
ursprünglich Tierstimmforscher, nun aber auf dem Weg zum größten und
reichsten Impressario dieser Erde.
Dabei geht es auch um „die Reichen, Schönen und Einflussreichen, die
Politiker, Schauspieler, Modells, Mafiosi, Fernsehköche und
Journalisten - halt das übliche Mailänder-Scala-Premierenpublikum.“
Doch auch Hamburg, London und New York spielen eine nicht unwichtige
Rolle bei den Mega-Events und gesellschaftlichen Top-Ereignissen, denen
sich unser Held stellen muß...
Zum Autor:
Volker Kriegel (1943 – 2003) ist vielen Musikfreunden noch bekannt als
Gitarrist und Komponist des legendären „United Jazz und Rockensembles“
mit denen er zahlreiche Platten veröffentlicht hat. Vorher spielte er
u.a. in Bands wie der „Dave Pike Set“ oder dem von ihm
gegründeten „Mild Maniac Orchestra“. In der Szene galt er als einer der
besten Jazz-Gitarristen Europas. Nebenher hat er sich auch noch als
Cartoonist, Illustrator, Rundfunkautor, Dokumentarfilmer, Übersetzer
und Erzähler einen Namen gemacht.
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INDIGO (Hamburg)
http://www.indigo.de/unser_programm/titel/5055/
Best. Nr. 5055-2, Musikvertrieb Zürich.
Vertrieb Buchhandel: Eichborn-AG, Frankfurt,
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