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Keith Jarrett, Jan Garbarek, Palle Danielsson, Jon Christensen
Sleeper


Besser spät als nie

Von Susanne Westerholt

Kaum zu glauben: mehr als 30 Jahre nach dem Konzert von Keith Jarretts legendärem „European Quartet“ im April 1979 im Nakano Sun Plaza in Tokyo ist nun erstmals ein vollständiger Konzertmitschnitt veröffentlicht worden, endlich.

Jarretts Ensemble hätte eigentlich auch „Northern European Quartet“ heissen können, denn seine Musiker waren allesamt aus Skandinavien. Obwohl es nur wenige Jahre existierte, gilt es als eines der einflussreichsten Ensembles in Bezug auf den zeitgenössischen Jazz. Die herausragende Person dieses Quartetts war, aus europäischer Sicht, ganz klar Jan Garbarek. Voller Energie, Spielwitz und Improvisationsfreude treibt Garbarek in diesem Konzert das Quartett mit seinem vibrierenden Saxophonspiel stets aufs Neue an und gibt beispielsweise durch unerwartete rhythmische und melodische Wendungen neue Impulse in den Spielverlauf, etwa im Stück Chant of the Soil, in dem er mit seinen Trillern eine flirrende, schwebende akustische Atmosphäre zu erzeugen vermag. Die Ideen scheinen förmlich aus ihm herauszusprudeln. Jarretts Kompositionen scheinen für Garbarek wie massgeschneidert; sie sind voller lyrischer Passagen und lassen genügend Raum für Improvisationen. Wem Garbarek eher aus seiner späteren Zeit mit seinen sphärischen, kontemplativen Klangbildern vertraut ist, lernt den Saxophonisten hier von einer ganz anderen Seite kennen: als wagemutig, beinahe draufgängerisch. Garbareks spätere Affinität zum Lyrischen kommt hingegen bereits in diesem Konzert deutlich zum Vorschein.

Das oft zitierte gute Einvernehmen zwischen Garbarek und Jarrett ist auch in diesem Konzert hörbar. Als Band-Leader versteht Keith Jarrett die Balance zu halten zwischen dem Führen des Ensembles und dem Zurücktreten, um den Mitspielern Raum zu lassen und sich von ihnen inspirieren lassen. Das Stück Personal Mountains - eine gleichnamige CD ist übrigens Ende der 1980er Jahre mit einzelnen Tracks dieses Konzerts erschienen - zeigt die für Jarrett typische musikalische Textur: ein Spiel mit wechselnden Harmonien, die sich kaskadenartig als Wiederholungen kleinster melodischer und rhythmischer Motive zu Spannungen aufbauen, sich im nächsten Augenblick harmonisch auflösen, um unmittelbar im Anschluss eine neue harmonische Spannungskaskade zu bilden. Mit der originellen musikalischen Textur und seiner technischen Brillanz erzeugt Jarrett eine spritzige, energiegeladene Atmosphäre.

Mit Palle Danielsson am Kontrabass und dem Schlagzeuger und Perkussionist Jon Christensen komplettieren zwei hochkarätige Musiker das Quartett. Danielsson spielte später mit den ganz Grossen des Jazz, etwa mit Bill Evans, Michel Petrucciani oder Albert Mangelsdorff, und Christensen mit Jazzgrössen wie Rainer Brüninghaus oder Thomasz Stanko. Beide Musiker treten im Quartett zwar nicht in der Prominenz hervor wie etwa Garbarek. Dennoch: sie tragen wesentlich zum klanglichen Amalgam bei, welches das Besondere dieses Quartetts und dieses Konzerts ausmacht.

Tut irgendwie gut, sich diese Musik anzuhören. Angesichts der aktuell eher gedämpften und zurückhaltenden Stimmung, allgemein und in der Musik, staunt man über die Intensität der Energie und über die Aufbruchstimmung, die in dieser Musik steckt. Die Aufnahme ist zweifellos von unschätzbarem Wert; sie zeigt das „European Quartet“ auf dem Zenit seiner Schaffenskraft. Es wäre allerdings bestimmt nicht verkehrt gewesen, diese Perle des Jazz als vollständigen Konzertmitschnitt etwas früher zu veröffentlichen.

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European Quartet:
Sleeper


Keith Jarrett: Klavier, Percussion
Jan Garbarek: Tenor- und Sopransaxophon, Flöte, Percussion
Palle Danielsson: Kontrabass
Jon Christensen: Schlagzeug, Percussion


Live-Aufnahme des Konzerts
vom 16. April 1979 in Tokyo


Titel:

CD 1:
Personal Mountains (Keith Jarrett) 21:12
Innocence (Keith Jarrett) 10:47
So Tender (Keith Jarrett) 13:27

Gesamtspielzeit CD 1: 45:27

CD 2:
Oasis (Keith Jarrett) 28:13
Chant Of The Soil (Keith Jarrett) 14:52
Prism (Keith Jarrett) 11:15
New Dance (Keith Jarrett) 7:07

Gesamtspielzeit CD 2: 61:29


ECM 2768793
Weitere Informationen
www.ecmrecords.com





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