CD: Weihnachts-Jazz etc. 2006/ Online Musik Magazin

Einige Beispiele aus dem reichlich gefüllten Musik- Geschenke- Sack des Weihnachtsmannes möchte ich ihnen auch in diesem Jahr vorstellen. Wenn die Familienväter zu Hause das Lametta glätten und Mutter das Rezept für den Gänsebraten hervorholt, sind auch die Labels und Musiker nicht untätig gewesen, damit das Fest musikalisch ein wenig aufgepept wird.
Beginnen wir mit einem Jazz-Sampler, der es in sich hat: "Christmas Break" von Telarc mit einem Dutzend Christmas- Jazz- Klassikern von Oscar Peterson (White Christmas, Christmas Waltz), Dave Brubeck (Silent Night, Santa Claus Is Coming To Town), George Shearing (Donkey Carol), Mel Tormé (Christmas Time Is Here), Ray Brown (The Christmas Song) u.a.m.. Die Sammlung ist stimmungsvoll zusammengestellt und der Jazz ist dank seiner Interpreten aus der ersten Liga hochkarätig - fehlen nur noch ein paar sachte Schneeflocken...

Prof. Bop Götz Alsmann hat sich mit der WDR Bigband unter Ansgar Striepens und den Cologne Voices zusammengetan und das vielleicht fröhlichste Weihnachts- Album dieses Jahres aufgenommen. Altvertraute deutsche Weihnachtslieder wie "Kling Glöckchen, Klingelingeling", "Laßt uns froh und munter sein", "Leise rieselt der Schnee" und "Süßer die Glocken nie klingen" bekommen durch Striepens´ Arrangements und Alsmanns liebenswerte Interpretation neuen Swing, US-Hits wie "Santa Claus Is Coming To Town" und "Frosty The Snowman" wurden konsequent und liebenswert eingedeutscht, und zu "Blue Christmas" spielt Götz Alsmann die Melodika, als habe er nie was anderes getan. Schlager wie der schöne "Winter in Kanada" und "Hei, hei, hei, so eine Schneeballschlacht", mit dem die Kleine Cornelia einst bekannt wurde, gehören eigentlich auch schon zum Volksgut.

Und Götz Alsmann hat natürlich auch eigene, fein jazzige Stücke mitgebracht: "Der Weihnachtsumtausch" erzählt mit seiner Musik und seinem Text von den Nöten nach dem Fest der Liebe, und zum Ständchen für "Die Frau vom Nikolaus" hat Alsmann den Text und die Verneigung beigesteuert. Ansgar Striepens hat das alles ganz fein arrangiert und die WDR Bigband zeigt sich bestens aufgelegt. Da kann man nur sagen: "Frohe Weihnachten!".

Aus dem hohen Norden grüßt die Formation "Streif" - das ist in der Hauptsache Georg Reiss (Klarinette, Tárogáto, Saxophone), mit Musik aus dem "Nordic Winter". Es ist ein ungewöhnliches, faszinierendes Album geworden, das die vier Norweger - Tom Karlsrud (Akkordeon, Euphonium), Torbjørn Økland (Gitarre, Mandoline, Trompete) und Birger Mistereggen (Perkussion, Marimba, Schlagzeug) kommen hinzu - überwiegend aus traditionellen Melodien ihrer Heimat und des Baltikums zusammengestellt und neu arrangiert haben. Wenn Musik Stille ausdrücken kann, dann gelingt das Streif mit seinen anrührenden Stücken.

Torbjørn Økland überzeugt als grenzüberschreitender Gitarrist, der den Blues ebenso hat wie den Jazz und die Klänge des Nordens. Georg Reiss an den Reeds spielt fröhlich oder melancholisch zum Tanz auf - warum aber ausgerechnet Klezmer-Elemente im nordischen Winter aufscheinen müssen, bleibt ein wenig rätselhaft - eine Konzession an den Zeitgeschmack? Weniger Gemenge der Musikkulturen hätte vielleicht für ein klareres Bild gesorgt. Insgesamt aber paßt die stille Musik, auch von Tom Karlsruds Akkordeon, in die frostklaren Nächte des nordischen Winters.

Candice Night (Texte und Gesang), Ritchie Blackmore (Gitarre, Mandola, Nyckelharpa u.a.). Pat Regan (Keyboards, Arr.) und die "Sisters Of The Moon" (Lady Madeline & Lady Nancy) sind als "Blackmore´s Night" seit 1997 äußerst erfolgreich in der Pop-Folk- Szene. Ihrer Diskographie fügen sie aktuell zur Einstimmung auf ein vielleicht doch noch kommendes weihnachtliches Gefühl mit einem anheimelnden Spaziergang durch Traditionals und eigene Lieder ihr siebentes Album "Winter Carols" hinzu.

Es ist ein Album für ruhige Abende beim Kerzenschein, den Duft von Äpfeln und Nüssen, einer leckeren gefüllten Pute und einem funkelnden Rotwein im Glas. Feierlichkeit und Fröhlichkeit, Pop und Klassik gehen bruchlos Hand in Hand, ob in "Christmas Eve", dem Medley "Hark The Angels Sing/Come All Ye Faithful", "We Three Kings", "Christmas Eve" oder "We Wish You A Merry Christmas". Kuschelig wird´s bei Titeln wie "Winter" und "Emmanuel", und das Tanzbein juckt sogar bei "I Saw Three Ships" und "Lord Of The Dance/Simple Gifts". Ein schönes, gemütvolles Album, dem wir nun doch von Herzen ein paar Schneeflocken gönnen.

Die Country-Sängerin Rhonda Vincent habe ich ihnen erst vor kurzem mit ihrem neuen Album "All American Bluegrass Girl" hier vorstellen können. Jetzt ist sie - im eleganten kleinen Roten und mit einer schön zusammengestellten Mischung aus neuen und alten amerikanischen Weihnachts-Songs wieder da. Mit dem eigenen Stück "Christmas Time At Home" eröfnet sie den klangvollen Reigen von unsterblichen Hits auf dem Weihnachts-Album "Beautiful Star". Mel Tormés "The Christmas Song (Chestnuts Roasting On An Open Fire)" - einer der gemütvollsten US- Songs ist dabei, Brenda Lees einstiger Hit "Rockin´ Around The Christmas Tree", mit Fiddle und Banjo "Beautiful Star Of Bethlehem", Tex Logans Country-Hit "Christmas Time´s A Comin´", der Winter- Super- Hit "Let It Snow", den hierzulande manch einer ebenso sehnsuchtsvoll mit anstimmen wird wie "Winter Wonderland" und natürlich das unvermeidlich "Jingle Bells".

"Stille Nacht" (Silent Night) und "O Tannenbaum" (Oh Christmas Tree) singt man auch in Good Old Dixie. Das klingt ein wenig anders als hierzulande, aber gerade das macht ja den Reiz aus. Rhonda Vincent hat neben Ehemann und Co-Produzent Darrin an Kontrabaß und Gitarre wieder die bewährte Mannschaft des "Twelve Day Orchestra" mitgebracht. Country- Christmas - macht Spaß und hat was!

Gleich ein Doppelalbum haben die Swingin´ Fireballs und ihr Stargast, die große holländische Jazz- Lady Greetje Kauffeld eingespielt, damit ja keiner auf die Idee kommt, am Weihnachtsabend etwas anderes zu hören als ihr "In The Mood For Christmas". Die acht Herren und die Dame in ihrer Mitte lassen gleich von Anfang an das Ren fliegen, indem sie mit dem Titel-Medley und witzigen Glenn-Miller-Zitaten ein flottes Tempo vorgeben. Schlag auf Schlag geht es im Swing-Rhythmus durch den gesamten Kanon beliebter und bekannter amerikanischer und deutscher Weihnacht- und Winter- Melodien - 29 sind es insgesamt in eindreiviertel Stunden. Joachim Refardt, der Mann an Klavier, Ventilposaune, Banjo und Ukulele hat die überwiegende Zahl der Arrangements besorgt, die restlichen stammen von Volker Bruder, dem Mann an den Reeds.

Natürlich wird auch dieser hübschen Sammlung der Schnee beschworen, der heuer nicht in den Bergen, sondern aus Schneekanonen in den Skihallen Nord- und Westdeutschlands zu finden ist. Leroy Andersons "Sleigh Ride" mit einem Chubby Checker- Zitat, Irving Berlins "White Christmas", Elvis´ "Blue Christmas", Satchmos "Christmas Time In New Orleans", der Wunsch "Have Yourself A Merry Little Christmas", "A Child Is Born" und Harry Connicks "I Pray On Christmas" sind nur eine kleine Auswahl, um den Hör- Appetit zu wecken. Und immer wieder mal schaut Glenn Miller durch die randlose Brille.

Wer darf (beinahe seit Menschengedenken) nicht bei einer solchen Weihnachts- Sonderseite fehlen? Richtig: Das Erich Kunzel Cincinnati Pops Orchestra. Seit 1970 leitet der nach Arthur Fiedler bekannteste Meister der musikalischen Grenzüberschreitungen den Klangkörper mit gleichbleibendem Erfolg. Für die Aufnahmen zu "Christmas Time Is Here" hat er Gäste eingeladen, die dem Album den Glanz geben, der einem solchen Unterfangen angemessen ist: die zur Jazzsängerin des Jahres gewählte Tierney Sutton mit "I´ll Be Home For Christmas", den eleganten Crooner John Pizzarelli, der "Silver Bells" zart interpretiert, die Kings Singers (mit "Stille Nacht" in deutscher Sprache!), die ausdrucksvolle und schöne Jazzerin Ann Hampton Callaway und den Sänger Tony DeSare mit dem unverzichtbaren (s.o.) "Christmas Song" von Mel Tormé. Ein Kinder- und ein Universitäts- Chor überzuckern einige der Stücke mit sehr weihnachtlichen Impressionen.

Auch das kitschigste und eigentlich scheußlichste Weihnachtslied aller Zeiten ist mit drauf - hier aber in einer höchst originellen Instrumentalversion, die sich in dem großartigen Arrangement Robert Wendels eng an Maurice Ravels "Bolero" anlehnt. Da zieht man mit Hochachtung vor den Cincinnati Pops die rote Zipfelmütze. Für beinahe jeden Geschmack ist was drin, vorausgesetzt, man mag solche Orchester- Arrangements. Ein schöner Hör- Abend wird es auf jeden Fall.

Ein echter Knüller, eine ganz besondere Entdeckung ist das Album "X-mas - mysterious X-mas lounge" der Formation "the sound of art". Leicht unterkühlt, von ganz feiner Lebens-art präsentieren Marius Beets (Kontrabaß, Keyboards), DJ Elisonic (Beats, Sopran- und Altsaxophon), Mark Alban Lotz (diverse Flöten), Alexander Beets (Tenorsaxophon), Eddie Conard (Perkussion) und Liesbeth Steffens (Viola) eine CD mit 11 (fast) eigenen Stücken, die trotz der deutlichen Aufschrift "X-mas" auch für den Jahreslauf ihre Gültigkeit behalten werden.

Mit ganz winzigen, humorvollen Anklängen an Bekanntes, wie in "flying in a winter wonderland", in dem einige Akkorde von Bernard/ Smiths "Winter Wonderland aufblitzen oder Reverenzen an bekannte Pop-Stücke wie "A Wonderful Christmas Time" von den Wings erweisen "the sound of art" den geschätzten Kollegen Respekt. Da werden mit viel Chuzpe aus den Jingle Bells orientalisierend "jungle balls", zitiert "chardonnay" die gleichen Glocken mit "...dashing through the snow". Die Instrumentation ist ideenreich, die Eleganz der Performance besticht - und es ist längst nicht "alles nur geklaut, alles nur gezogen", wen auch das abschließende "black & white X-mas" heftig Irving Berlin zitiert.

Nils Landgren, der Mann mit der roten Posaune, tourt derzeit mit Freunden und seinem neuen Album "Christmas With My Friends" durch die Republik. Die 18 Stücke des wahrhaft üppigen Programms sind im Zusammenspiel dieser erlesenen Schar von Musikern der ersten Garnitur reine Freude. Die Namen Bugge Wesseltoft (Klavier), Viktoria Tolstoy (Gesang), Lars Danielsson (Baß, Cello) oder Ulf Wakenius (Gitarre) versprechen nicht nur viel - sie erfüllen die Erwartungen, die man bei ihrem Klang haben darf. Landgrens eigene Vokals rühren an, die im Duo mit seiner Kollegin Viktoria Tolstoy gehen unter die Haut.

Das Programm ist international: englische, norwegische, italienische, dänische, amerikanische und deutsche Lieder stehen in Eintracht beieinander - und über allem der beinahe körperliche Klang von Nils Landgrens Posaune. "Bereden väg för herran", "When You Wish Upon A Star", Händels "Lascia ch´io pianga", "Es ist ein Ros entsprungen", "White Christmas", "Have Yourself A Merry Little Christmas" und "Stille Nacht, heilige Nacht" sind nur einige der wunderschönen Stücke auf diesem herrlichen Album.
Es kann dringend empfohlen werden, sich Karten für die Tour zu besorgen, die noch die folgenden Stationen hat: 11.12. Karlsruhe, 12.12. Stuttgart, 13.12. Mannheim, 14.12. Bochum, 15.12. Köln.

Popstar Paul Young schließt diesen Reigen weihnachtlicher Songs, Hits, Traditionals und vor allem Jazz mit seinen jüngsten Album "Rock Swings (On The Wild Side Of Swing)". Auch er hat nach einer erfolgreichen Pop- Karriere den Swing für sich entdeckt, wie das vor ihm auch schon Robbie Williams getan hat, wie ihn auch Tom Gäbel und Roger Cicero zelebrieren. Young macht das mit einer erfolgsgewohnten Mannschaft: einer großartigen Bigband mit Steve Sidwell als Leader, dem deutschen Produzenten Dieter Falk und nicht zuletzt mit seiner durch die Jahre noch charaktervoller gewordenen Stimme sehr beeindruckend.

Warum dieses durch und durch jazzige Album Youngs mit Titeln wie "Bennie And The Jets" von Elton John, Ed Cobbs "Tainted Love", George Harrisons "Isn´t It A Pity", Bruce Springsteens "Hungry Heart", seinem eigenen " "I´d Better Get My Coat", Lou Reeds "Walk On The Wild Side", David Bowies "The Jean Genie" und dem auf ewig mit Elvis Presley verbundenen "In The Ghetto" in diesem Weihnachts- Gemischwarenladen auftaucht? Die Antwort ergibt sich aus dem 13., dem Bonus-Track: da nämlich singt und swingt Paul Young mit spröder, beinahe brüchiger Stimme Irving Berlins wunderschönes "White Christmas". Allein dafür lohnt es sich. Ein schönes Geschenk zu Weihnachten.

Die Redaktion des Online Musik Magazins schließt sich all den auf den hier besprochenen CDs musikalisch und liebenswert geäußerten guten Wünschen von Herzen an: Frohe Weihnachten!

	CDs Weihnachts-Jazz 2006 etc.