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Jörg Sieghart / Gunnar Kunz:
Die Bremer Stadtmusikanten
Die fünf Gespenster



Plädoyer für Außenseiter und mutige Kämpfer

Von Stefan Schmöe

Märchenproduktionen auf CD scheinen auf den ersten Blick nicht gerade zeitgemäß. Für Grimms Märchen gilt das in noch höherem Maße; nicht nur deren Attraktivität für TV-geschädigte Schul- und Vorschulkinder scheint fraglich, auch der pädagogische Wert ist zweifelhaft. Da ist es schon ein echtes Kunststück, was das kleine Berliner Label Tunesday Records den altbewährten, aber in die Jahre gekommenen Bremer Stadtmusikanten neues Leben einhaucht. Gunnar Kunz (Text) und Jörg Sieghardt (Musik) machen aus den von der Gesellschaft wegen mangelnder Effizienz ausgemusterten Esel, Hund, Katze und Hahn eine veritable Band, und das Sujet schreit natürlich geradezu nach Musikeinlagen. Jedes der vier Tiere hat sein eigenes Instrument: Der Esel die E-Gitarre, die Katze einen E-Bass, der Hund das Schlagzeug und der Hahn die Flöte, und zu viert ergibt sein ein keineswegs altbackener, sondern jazziger und keineswegs in (auch bei Kinderliedern inzwischen so oft üblichen) Pop-Einheitsbrei abdriftender Sound.

Der Text ist ungemein witzig und auch für Erwachsene äußerst unterhaltsam. Kunz verwendet unzählige Sprichwörter und Redewendungen in sinnvollen wie bewusst sinnlosen Kontexten – da wird der Steg über den Bach ganz selbstverständlich zur Eselsbrücke. Hinreißend ist aber vor allem die Charakterisierung der vier Tiere mit ihren Marotten, die liebevoll ausgekostet werden. Wenn der Hahn etwa unter Höhenangst leidet, aber aus Instinkt auf jeden hohen Baum und folglich in eine für ihn denkbar missliche Situation fliegt, dann hat das auch für Kinder hohen Wiedererkennungswert und macht die Akteure gerade durch ihre kleinen Schwächen besonders liebenswert. Die amüsanten Dialoge sind wichtiger als die Handlung, und daran werden auch Kinder ab etwa 4 Jahren viel Vergnügen haben. Darüber hinaus vermittelt das Märchen die Botschaft, dass auch die scheinbar Überflüssigen ihren Wert haben – und gemeinsam sind sie allemal stark. Das schöne Booklet rundet eine äußerst gelungene Produktion ab.

Nicht ganz so überzeugend ist das musikalische Hörspiel Die fünf Gespenster für Kinder ab ca. 6 Jahren. Hier legt sich ein furchtloser Samurai mit 5 Geistern an, und der Stoff soll laut Hersteller eine erste Begegnung mit japanischer Kultur vermitteln. Das trifft zwar zu, ist aber nicht ganz unproblematisch. Die Todesverachtung des mutigen Samurai entspricht einem aus westeuropäischer Sicht längst überholten Heldenbild; ob man sich im asiatisch eingefärbten Gewand damit anfreunden kann, ist Geschmackssache. Auch die Musikeinlagen sind nicht so zwingend wie bei den Bremer Stadtmusikanten. Die Gespenster singen hübsch rockig, aber nicht erkennbar japanisch, und umgekehrt wirkt die Verwendung japanischer Volksmusik und der japanischen Hymne leicht klischeehaft. Hervorragend gelungen ist wieder die Charakterisierung der Personen. Die Eigenschaften der Gespenster werden zu deren Namen (da gibt es zum Beispiel den Dünnen, Zahnlosen, an einem Ast Aufgehängten), und auch hier sorgt die regelmäßige Wiederholung für den gewünschten Wiedererkennungseffekt und eine schnelle Vertrautheit mit dem unheimlichen Personal. Die Geschichte ist jederzeit spannend, kommt aber praktisch ohne „Action“ aus – allein das schon erhebt auch diese Produktion deutlich über den Durchschnitt heraus. Und auch hier wird den Mithörenden Erwachsenen so schnell nicht langweilig.

Beiden CDs gemein sind die sehr guten Sprecher, die frisch und mit einer Spur Ironie den Märchen jede falsche Betulichkeit nehmen. Bleibt zu hoffen, dass schnell weitere Produktionen folgen.


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Cover

Die Bremer Stadtmusikanten
Musikalisches Hörspiel für Kinder ab 4 Jahren
Text und Regie: Gunnar Kunz
Musik und alle Instrumente: Jörg Sieghardt

Tunesday Records TDR 103



Cover

Die fünf Gespenster
Musikalisches Hörspiel für Kinder ab 6 Jahren
nach einem japanischen Märchen
Text und Regie: Gunnar Kunz
Musik und alle Instrumente: Jörg Sieghardt

Tunesday Records TDR 107



Bezug über:
Tunesday Records
Attilastr. 177
12105 Berlin

Tel: +49 (0)30 62 60 97 17
Fax: +49 (0)30 627 087 01
www.tunesdayrecords.de


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