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Anna Clyne
DANCE
Edward Elgar
Cello Concerto


Die Entdeckung des Jahres

Von Susanne Westerholt

"Tanze, wenn du aufgebrochen bist/ Tanze, wenn du den Verband weggerissen hast/ Tanze inmitten des Gefechts/ Tanze in deinem Blut/ Tanze, wenn du vollkommen frei bist." Inspiriert von diesem Gedicht von Rumi komponierte Anna Clyne im letzten Jahr ihr erstes Cellokonzert DANCE. Superlative sind gewiss stets mit Zurückhaltung zu verwenden. Bei DANCE handelt es sich allerdings tatsächlich um ein Meisterwerk, welches das "Zeug" hat, in die Musikgeschichte einzugehen.

Dabei hat die gebürtige Britin, geboren 1980 in London, im deutschsprachigen Raum ihren Durchbruch noch nicht wirklich gehabt; sie gilt allenfalls als ein Geheimtipp. Clyne, die selber auch Cellistin ist, fällt durch ein sehr vielseitiges kompositorisches Schaffen und durch grosse Produktivität auf. Sie schreibt sowohl akustische als auch elektroakustische Musik und für verschiedenste Musikgattungen: Musik für Orchester, für Kammerorchester, Konzerte, Streichquartette und vieles mehr.

DANCE ist ein Auftragswerk der Cellistin Inbal Segev und hatte am 3. August 2019 mit dem Cabrillo Festival Orchestra unter Cristian Macelaru seine Welturaufführung. Die aus Israel stammende Segev gilt als eine der ganz Grossen unter den Cello-Virtuosen. Sie war ein sogenanntes Wunderkind und hat sich als Erwachsene mit Uraufführungen zeitgenössischer, vor allem amerikanischer Musik einen Namen gemacht.

Was macht DANCE nun zu einem Meisterwerk? Gewiss, es ist hervorragend orchestriert, übrigens ein Markenzeichen allgemein für Anna Clynes Kompositionsweise. DANCE hat einfach das gewisse Etwas. Es besticht durch atemberaubend schöne Melodien, die teilweise unvermittelt aus rhythmisch pulsierenden Teilen aufsteigen, was einen ungeheuer befreienden Effekt erzeugt. Ungewöhnlich für ein Konzert ist, dass der erste Satz langsam und meditativ angelegt ist. Den künstlerischen Höhepunkt bildet der ebenfalls langsame dritte Satz. Hier wird eine betörend schöne Melodie vom Cello und Orchester gewissermassen wie ein Teppich verwoben werden. Mal übernimmt das Cello, mal das Orchester, mal spielt das Cello nur einzelne Töne der Melodie und überlässt dem Orchester den Hauptpart. Es sind vor allem die ersten drei Sätze von DANCE: sie sind etwas vom Wunderbarsten, was wir seit langem gehört haben.

Zu diesem grandiosen Hörerlebnis trägt auf jeden Fall auch Inbal Segev bei. Man hört es förmlich heraus, dass Anna Clyne bei den Aufnahmen zu DANCE anwesend war. Segev spielt äusserst präsent, wie elektrisiert, und extrem ausdrucksstark. Dazu brilliert das London Philharmonic Orchestra unter Marin Alsop: Die gebürtige New Yorkerin gilt als eine der besten Dirigentinnen weltweit. Alsop geht mit dem Orchester extrem gut auf die Solistin ein und nimmt dieses des Öfteren auch zugunsten der Solistin zurück. Einfach phantastisch! Seit September 2019 leitet Alsop übrigens das ORF-Radio-Symphonieorchester Wien. Es ist deshalb sehr zu hoffen, dass wir Alsop künftig auch auf kontinentaleuropäischen Konzertpodien häufiger zu sehen bekommen.

Um noch kurz auf das Cellokonzert von Edward Elgar zu sprechen zu kommen: Segev spielt auch hier technisch perfekt und solid. Allerdings wirkt die Interpretation im Ausdruck im Vergleich zu DANCE seltsam blass. In Bezug auf Elgar ist man, ehrlich gesagt, besser bedient mit einer Interpretation von Mstislaw Rostropovich oder von Jacqueline du Pré.

Aber das ändert nichts daran: Segevs Interpretation von DANCE hat Weltklasse-Niveau. Wer übrigens mehr von Anna Clyne hören möchte: das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Ben Gernon hat 2019 eine live-Aufführung ihres Orchesterwerks This Midnight Hour, komponiert im Jahr 2015, auf Youtube gestellt. Auch dieses Werk besticht durch eine hervorragende Orchestrierung. Anna Clynes erstes Cellokonzert DANCE ist also ganz klar kein Zufallsprodukt, sondern hier etabliert sich gerade eine hochbegabte Komponistin. Wir wünschen ihr für ihre Karriere das Allerbeste.

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Cover

Anna Clyne - DANCE für Cello und Orchester
Edward Elgar - Cello Concerto e-Moll op.85


Inbal Segev, Violoncello
London Philharmonic Orchestra
Leitung: Marin Alsop

Anna Clyne: DANCE for cello and orchestra
I.when you're broken open 4:43
II. if you've torn the bandage off 4:07
III. in the middle of the fighting 4:18
IV.in your blood 5:30
V. when you're perfectly free 6:13

Edward Elgar: Cello Concerto in E minor, Op. 85
I. Adagio - Moderato 7:50
II. Lento - Allegro molto 4:32
III.Adagio 4:45
IV. Allegro - ... 11:56


Gesamtspielzeit: 54:15


Avie Records AV2419


Weitere Informationen
www.annaclyne.com
www.inbalsegev.com
www.marinalsop.com




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