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Ethel Smyth
The Prison


Die Felsensprengerin

Von Susanne Westerholt

Manchen mag Ethel Smyth als Komponistin des March of the Women ein Begriff sein, dem wohl wichtigsten Lied der englischen Frauenrechtsbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Tatsächlich widmete die Britin ungefähr zwei Jahre ihres Lebens dem Kampf für die Rechte von Frauen. Ihre Freundin Virginia Woolf nannte Smyth eine "Felsensprengerin", weil die begabte Komponistin zeitlebens gegen bürgerliche Konventionen ankämpfte. Dass sie daran keineswegs zerbrach, sondern fröhlich ihren Weg ging, verdankte Smyth wohl ihrem sonnigen und robusten Gemüt.

Ethel Smyth wurde 1858 in England in eine britische Offiziersfamilie geboren; sie hatte keinerlei musikalische Vorfahren. Ihr Wunsch Komponistin zu werden, stiess denn auch bei ihren Eltern auf totale Ablehnung. Die noch nicht volljährige Ethel reagierte ihrerseits mit totaler Verweigerung, und zwar auf drastische Weise: mit Hungerstreik und eisigem Schweigen. Schließlich gaben die Eltern nach, und Smyth durfte ans Leipziger Konservatorium, das damals weit und breit als die beste Ausbildungsstätte für angehende Musiker galt. Enttäuscht von der Qualität des Unterrichts verliess Smyth das Konservatorium allerdings nach einem Jahr. Sie freundete sich in ihrer Leipziger Zeit mit dem Ehepaar von Herzogenberg an, das mit vielen namhaften Musikerinnen und Musikern Kontakte pflegte. So lernte sie etwa Johannes Brahms kennen, über dessen abschätzige Bemerkungen zu komponierenden Frauen sie sich sehr ärgerte. Die ambitionierte Komponistin hatte im Laufe ihrer Karriere aber auch Befürworter und Förderer, etwa Bruno Walter, Sir Thomas Beecham und George Bernard Shaw.

Die Begegnung mit der deutschen Musik, der damaligen Spätromantik, war für Smyth stilprägend. Sie interessierte sich sehr für die Musik Wagners. Zu ihren liebsten Werken gehörten nebst Wagners Tristan auch Beethovens Fidelio. Weiter schätzte sie Brahms, wenn auch nicht, wie gesagt, im zwischenmenschlichen Bereich, so doch als Komponisten. Sie pflegte die Bekanntschaft unter anderen mit Artur Rubinstein, Edvard Grieg, Clara Schumann und Piotr I. Tschaikowsky. !

Als ihre Hauptwerke gelten ihre Messe in D-Dur und die Oper The Wreckers. Im Laufe ihrer Karriere hat Smyth sechs Opern geschrieben; sie verstand sich denn auch vor allem als Opernkomponistin. Ihre Oper Der Wald war - sage und schreibe - bis 2016 die einzige von einer Frau komponierte Oper war, die je an der Metropolitan Opera in New York aufgeführt wurde. Die Aufführung an der Met fand notabene im Jahr 1903 statt.

Die Symphonie The Prison gehört zum Spätwerk von Smyth, das sie im Jahr 1930 mit 72 Jahren schrieb. Tragischerweise ließ ihr Gehör bereits kurz nach 1910 merklich nach. Als Smyth sich schließlich ans Komponieren von The Prison machte, war sie bereits nahezu taub.

In The Prison geht es um den Dialog zwischen einem unschuldig Gefangenen und seiner Seele. In Wirklichkeit geht es aber um etwas Anderes: nämlich um die Verarbeitung des Todes des Librettisten Henry Bennet Brewster, dem langjährigen Freund und Geliebten von Smyth. Sofort aufhorchen lässt die tolle Orchestrierung, die typisch ist für den Kompositionsstil von Smyth. Von besonderem musikalischen Tiefgang zeugt das Choralvorspiel (Nr. 9). Es ist sehr sorgfältig ausgearbeitet und meisterhaft orchestriert. Weiter fällt in dieser Weltersteinspielung die sehr gute musikalische Leistung der Solisten Dashon Burton und von Sarah Brailey auf. Brailey fasziniert mit einem grossen Klangvolumen und einer äusserst beweglichen und geschmeidigen Stimme. Burton seinerseits verfügt über ein zauberhaft warmes und weiches Timbre. James Blachly dirigiert engagiert und mit äusserst präzisem Timing. Alles in allem ist eine Einspielung aus einem Guss gelungen. Es ist ein schönes Hörerlebnis und macht einfach Freude, zu hören wie sich die Interpreten ins Zeug legen und mit der vorliegenden Aufnahme die Messlatte für weitere Interpretationen wirklich hoch anlegen.

Übrigens: Genauso kräftig und energiegeladen wie ihre Musik sind erhaltene Tonaufnahmen von Interviews mit Smyth, die auf youtube veröffentlicht sind. Sie zeugen von der Lebendigkeit, der Kraft und dem britischen Humor dieser bemerkenswerten Komponistin. Tatsächlich eine veritable Felsensprengerin.

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Cover

Ethel Smyth:
The Prison

Symphonie für Sopran,
Bass-Bariton, Chor und Orchester
Text: Henry Bennet Brewster

Sarah Brailey, Sopran
Dashon Burton, Bass-Bariton

Experiential Orchestra and Chorus
James Blachly, Dirigent


Part I: Close On Freedom
1. The Prisoner communes with his Soul: "I awoke in the middle of the night".
7:10
2. Voices sing of immortality: "We are full of immortality" 4:29
3. The Prisoner asks the secret of emancipation: "I was alone with the sorrow". 2:27
4. His Soul (Echoed by Voices) replies: "There is no secret". 3:26
5. He asks in what shape emancipation will come ("Who are our saviours ?"): "Will it return to me with the same face". 1:36
6. The Voices reply: "Others are elsewhere, under other names." 3:38
7. Orchestral Interlude: The first glimmer of Dawn. 3:12
8. The Prisoner understands his own immortality: "In the faint grey morning I hear".

5:06
Part II : The Deliverance
9. Chorale Prelude in the Prison Chapel (The Prisoner awakes). 3:59
10. His Soul tells him the end of the struggle is at hand. "The struggle is over; the time has come". 2:51
11. He hears his guests (the elements of his personality) moving to depart. "I hear them overhead moving to depart." 2:13
12. Pastorale: sunset calm. 2:45
13. He dispands his ego. "I dispand myself". 3:06
14. Voices sing (in Greek mode) the indestructibility of human passions. "The laughter we had laughed". 2:01
15. Death calms him (The Last Post): glorying, he obeis the summons. "For years you have been conning your lesson". 5:13
16. His farewell; his triumph; his peace. "This is no leavetaking". 10:38


Gesamtspielzeit: 63:50


Aufgenommen am 14. und 15. Februar 2019, Concert Hall, SUNY Purchase, New York

Label: Ondine ODE 1334-2
Bestellnr.: CVS016



Weitere Informationen
chandos.net




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