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Mittelalterliche dänische Chormusik


Auf Spurensuche: die 'wilden Normannen' und die mittelalterliche Musik


Bo Holten, der mittlerweile auch regelmäßig außerhalb Dänemark als Chordirigent tätig ist, und das von ihm gegründete Vokalensemble Musica Ficta lassen sich auf dieser CD auf ein aufschlussreiches, jedoch schwieriges Unterfangen ein: Auf der Suche nach mittelalterlicher Musik dänischen Ursprungs kamen sie zu der Schlussfolgerung, spezifisch dänische Musik lasse sich nicht so einfach aus den ohnehin schwer einzuordnenden mittelalterlichen Quellen ableiten. Sogar bei Gesängen mit dänischen Texten sei nicht ganz klar ob die Musik nun auch wirklich dänisch sei.

Was tun? Musik mit einem gewissen Bezug zu Dänemark war da schon einfacher zu finden, und damit konnte letztendlich ein befriedigendes Konzertprogramm zusammengestellt werden. So zum Beispiel das einstimmige, von Männern gesungene "Summa pia": Über dieses Gebet zum Schutz gegen die "wilden Normannen" erwähnt das CD-Heft mit einer gewissen Selbstironie "vermutlich fanden hier die Wikinger (darunter also auch die Dänen) zum ersten Mal (wenn auch zugegebenermaßen wenig schmeichelhaft) Erwähnung in der Musik".

Auch für Informationen zu den weiteren Stücken ist das CD-Heft eine gute Quelle. Bei fast allen Stücken liest man hier mehr über den (musik)historischen Hintergrund, was unter anderem sehr hilfreich ist, wenn man die musikalischen Entwicklungen in der mittelalterlichen Musik verfolgen möchte.

Die älteste Quelle mehrstimmiger dänischer Musik liegt laut CD-Heft um 1450. Dennoch, mutmaßt der Verfasser des Kommentars, John Bergsagel, könnte man das "Gaudet mater ecclesia", das als letztes Stück auf der CD aufgenommen worden ist und bereits um 1170 geschrieben wurde, ebenfalls als mehrstimmiges Werk betrachten, da die beiden Teile in einer gewissen Zusammensetzung zu einem aus mittelalterlicher Sicht bedenkenlosen Kontrapunkt geschmiedet werden können.

Außer "Gaudet mater ecclesia" und das Anfangsstück der CD " Gaude Mater", in dem zuweilen ähnlich spannende Akkordfolgen wie in der Musik Dufays und Ockeghems hörbar werden, sind die Werke in dänischer Sprache spannend. Insbesondere das Stück "Drømdae mik aen drøm", das als einziges einen nicht eindeutig religiösen Inhalt hat, gibt Rätsel auf. In dem einzigen Satz des Stückes heißt es mit einem Anklang von Wehmut: "Mir träumte heute Nacht ein Traum von Seide und kostbarer Wolle". Da das CD-Heft verständlicherweise kein Aufschluss über den anonymen Verfasser geben kann, bleibt eine Interpretation dem Zuhörer überlassen.

Man muss feststellen, dass die "dänischen" Kompositionen mehrheitlich nicht mithalten können mit Werken die im selben Zeitraum anderswo in Europa niedergeschrieben wurden. Statt eigenständiger musikalischer Entwicklung, wurden vielmehr bereits bestehende musikalischen Wege beschritten.

Eindeutig französischer Herkunft ist beispielsweise das "Alleluia V. Pascha Nostrum" das nach Dänemark kam auf dem Einband eines Buches des Studenten Peter Ingvarsen aus Roskilde. Das Fragment, das allerdings das einzig erhaltene Original dieses Stückes enthält, wird noch immer inder Königlichen Bibliothek zu Kopenhagen aufbewahrt. Es enthält einen Hinweis auf ein Organum-Stück aus dem "Magnus liber organi" des französischen Meisters Leoninus. Ansonsten ist aus anderen Abschriften eine dreistimmige Fassung des ebenfalls französischen Perotinus bekannt, die auch auf dieser CD zu hören ist. Der Unterschied zwischen dieser bereits sehr komplexen Komposition und dänischer Werke von gut zwei Jahrhunderten später, die noch eine viel einfachere Struktur haben, ist bezeichnend.

Auf der CD sind abwechselnd Frauen- und Männerensembles zu hören, was die Einspielung sehr lebhaft macht. Dass die Werke nicht alle zur gleichen Zeit an gleicher Stelle aufgenommen wurden, ist zwar kein Störfaktor, aber fällt an manchen Stellen auf. Musica Ficta, ein Ensemble das sich nicht nur mittelalterlicher Musik widmet, sondern ein breitgefächertes Spektrum hauptsächlich dänischer Musik auf dem Programm hat, ist dem Repertoire dieser CD ausgezeichnet gewachsen. Es wird präzise und zugleich mit Esprit musiziert. Liebhabern mittelalterlicher Musik wie auch dem Einstieger wird, auch dank des sehr ausführlichen CD-Heftes, viel geboten.



Von Koert Braches









Medieval Music in Denmark

Werke unbekannter Komponisten:

Gaude Mater (ca. 1450)
Summa pia gratia (ca. 850)
Regalis ostro sanguinis
Ecclesie prosapies
Decus regni (1170)
Jhesus Christus nostra salus
(ca. 1450)
Maria candens lilium (ca. 1450)
Beatus vir (1170)
Drømdae mik aen drøm (ca. 1300)
Christ undhae megh (ca. 1450)
Mith hierthae brendher (ca. 1450)
Gaude Maria V. Gabrielem
Archangelum (ca. 1180)
Nicolai solempnia (ca. 1450)
Caterva nostra laudibus
(ca. 1100)
O rosa in Iherico (ca. 1450)
Letificat laudicio (ca. 1450)
Christus resurgens V. Dicant
nunc Judei (ca. 1180)
Gaudet Mater Ecclesia (1170)


Musica Ficta
Dirigent: Bo Holten

dacapo 8.224133
im Vertrieb von
NAXOS


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