Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage CDs
Klassik
Zur OMM-Homepage Rock-Pop-Startseite E-Mail Impressum



Krzysztof Penderecki:
Konzerte für Cello und Orchester
Sinfonien Nr. 2 und Nr. 4




Komponist mit Januskopf

Von Christoph Wurzel

Im Oevre von Krzysztof Penderecki sind apokalyptische Visionen keine Seltenheit. Eines seiner Schlüsselwerke "Threnos" ist dem Gedenken an die Opfer von Hiroshima gewidmet, das Oratorium "Dies Irae" den Ermordeten von Auschwitz. Die Werke des Polen sind von Düsternis und Tragik, aber auch von dem Wunsch nach Erlösung durchzogen. Sicherlich auch ein Reflex auf politische Erfahrungen von Diktatur und Unterdrückung, zugleich aber auch einer tiefen Religiosität des Komponisten.

Als der gut dreißigjährige Penderecki zum ersten Mal im Westen auftauchte, erschien er mit seinen Klangkompositionen als einer der Avantgardisten der neuen Musik. Und ich erinnere mich noch sehr gut an den enormen Eindruck, den eine Aufführung - war es die Uraufführung ? - der Lukaspassion Mitte der Sechziger Jahre auf mich damals Jugendlichen machte, die live aus dem Dom zu Münster im Radio übertragen wurde. Die magische Wucht der Musiksprache Pendereckis war gerade wegen ihrer unmittelbaren emotionalen Wirkungskraft so ungeheuerlich und wirklich unter die Haut gehend. Das Motiv der Passion erwies sich abermals als Topos für die Darstellung elementarer Ur- Erfahrungen.

Als moderne Apokalypse haben sich die Bilder der Anschläge in den USA vom letzten Jahr tief in das Gedächtnis eingegraben. Hört man vor diesem Hintergrund Pendereckis erstes Cellokonzert an, so lässt sich wie selten empfinden, dass Musik einen Bereich der Emotion erreichen kann, der sich in Worte gar nicht fassen lässt. Das Konzert, in der Urfassung 1967 entstanden ( damals für violino grande), wurde vom Komponisten überarbeitet und 1972 als Cellokonzert von Siegfried Palm erstmals aufgeführt. Es handelt sich um ein hochvirtuoses einsätziges Stück, dessen innere Dramaturgie vom Chaos in die Katastrophe und dann erlösend in die rettende Stille führt. Penderecki zeigt sich in dem viertelstündigen Werk auf der Höhe seiner damaligen instrumentalen Kompositionskunst: Einsatz hochartifizieller kompositorischer Mittel, schillernde Farbigkeit in der Instrumentation, raffinierte rhythmische Abstufungen und Kontrafakturen im Orchester, furiose Glissandi des Soloinstruments. Der Solopart fordert dem Cellisten Enormes ab, eine Aufgabe, die bei dem finnischen Cellisten Arto Noras (geboren 1942) bestens aufgehoben ist. Bravourös spielt er sich durch das extrem anspruchsvolle Stück. Das Orchester, vom Komponisten geleitet, unterlegt die Solostimme ebenso mit dramatischer Wucht wie mit elegischer Stimmung. Im fünffachen Pianissimo endet der konzertante Kampf. Ein überzeugendes und beeindruckendes Dokument aus der einen Schaffensepoche des Komponisten.

Denn Penderecki entwickelte seit Anfang der Siebziger Jahre seinen Stil "weiter" - und nach dem Hören der 2. oder 4. Sinfonie aus den Jahren nach 1979 möchte man sagen: "zurück". Fast nichts ist mehr von den Mitteln aus der avantgardistischen Phase des Komponisten geblieben. Er schreibt nun im Stil spätromantischer Stimmungsmalerei, allerdings ohne damit groß berühren zu können. In den vertretenen Werken dominieren ebenfalls starke, düstere Farben. Nur sehr vereinzelt schimmert noch der frühere Klangzauberer durch. Meist erschöpft sich die Musik in recht einförmigen Figuren: monotone Ostinati, eingesetzt meist im Schlagwerk, lange Orgeltöne, meist in den tiefen Streichern, schmetternde Fanfaren, natürlich im Blech, flirrende Flageoletts bei den Streichern. Das alles gekonnt verwendet - aber zu welchem Zweck? Denn das musikalische Material bleibt sehr dünn, eine Entwicklung kommt kaum zustande. Die Motive bleiben Episoden, Einwürfe: leeres Gedröhn, kaltes Klingklang und hohles Pathos zumeist. Die erste Sinfonie ist einsätzig und eigentlich nach ca 15 Minuten schon zu Ende. Sie dauert dann aber doch noch 34 Minuten, bis am Schluss das Zitat "Stille Nacht, heilige Nacht" erklingt, sicher unfreiwillig vom Hörer als eine Besänftigung seiner Ungeduld verstanden. Ich gebe zu, mich hat diese Musik nicht interessiert, schon gar nicht gefesselt. Ganz im Gegensatz zum ersten Cellokonzert.
Das Nationale Polnische Radiosinfonieorchester unter Antoni Wit spielt virtuos, die zahlreich hervortretenden Solisten präsentieren sich tadellos und mühen sich redlich an einer Musik, die leider nicht viel hergibt.

Zwischen den Stilen bewegt sich das zweite Cellokonzert, das Penderecki für die Berliner Philharmoniker zu ihrem hundertsten Jubiläum geschrieben hat. Von diesem Orchester und mit Rostropowitsch als Solisten wurde es unter der Leitung des Komponisten im Januar 1983 uraufgeführt. Auch hier ist das musikalische Material recht schmal. Das ganze Konzert entwickelt sich aus einer fast simplen ostinat zirpenden Streicherfigur heraus. Das Soloinstrument wird hauptsächlich rezitativisch eingesetzt und kann nur an einigen Stellen virtuos glänzen, in denen dann auch einige raffinierte Klangwirkungen entfaltet werden. Aber auch dieses Konzert kommt mir zu lang vor, die musikalische Entwicklung vollzieht sich nicht zwingend, es gibt zu viele Längen, der musikalische Fluss gerät bisweilen ins Stocken, ohne dramaturgischen Sinn. Am Schluss verschmilzt dann das Cello sensibel mit der chromatisch aufsteigend verebbenden Linie des Streicherchores und das Werk endet mit dieser schönen Coda. Hier entfalten der Solist Arto Noras und die Sinfonia Varsovia unter der Leitung des Komponisten wiederum einen verführerichen Klangzauber - wenn auch nur für wenige Augenblicke. Ähnliches gilt für das Violakonzert, das nur kurz nach dem 2. Cellokonzert entstand und auf dieser CD in einer Bearbeitung für Violoncello erklingt. Auf Grund seines kammermusikalischen Formats trumpft es nicht so auf und wirkt ganz durch seine intime Schlichtheit, die der Solist auch überzeugend trifft.

Die Sinfonien, besonders die erste, erinnern in ihrer Faktur stellenweise an Filmmusik. Man meint, man könnte "Ben Hur" heraushören oder auch "Quo vadis". Und man möchte fragen: Quo vadis, Penderecki? So ist der ratlos und traurig dreinblickende Clown auf dem Titelcover dieser CD als Illustration doch irgendwie ganz gut gewählt...


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)
Cover



Krzysztof Penderecki :
Konzert für Cello und Orchester Nr. 1 ( 1967 / 72)
Konzert für Cello und Orchester Nr. 2 ( 1982)
Konzert für Viola und Kammerorchester ( 1983 )

Arto Noras, Violoncello
Sinfonia Varsovia
Leitung: Krzysztof Penderecki


(Aufnahmen: 06/2000 - 10/2000 und 04/2001
in Turku und Warschau)

Finlandia Records 8573-85575-2




Cover



Krzysztof Penderecki :
Sinfonie Nr. 2 ( 1979/80)
Sinfonie Nr. 4 ( 1989)

Nationales Polnisches Radio-Sinfonieorchester Kattowitz
Leitung: Antoni Wit

(Aufnahmen: 1999)

NAXOS 8.554492



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Rock-Pop-Startseite E-Mail Impressum
© 2002 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: cds@omm.de

- Fine -