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Dmitrij Schostakovich
Werke für Klavier


Tastenmagier auf Nischensuche


Von Markus Bruderreck

Als junger Instrumentalist eigenes Profil zu gewinnen, ist sicher heute so schwierig wie nie zuvor. Sehr viele hervorragend ausgebildete Musiker stehen einem Markt gegenüber, der infolge der immer wieder beschworenen Krise der Klassik eher schrumpft als wächst. Gut, wenn man in diesem Fall ganz eigene Wege beschreitet – wie zum Beispiel der Pianist Florian Uhlig. Auf seiner ersten CD „Hexentanz“ aus dem Jahre 1996 waren schon ungewöhnliche, virtuose Charakterstücke versammelt. Dem Thema Venedig widmete sich Uhlig im Jahr 2000. Und zuletzt war er als Solist neben Rico Gulda auf der kuriosen Sammlung „Musik zu Sissis Hochzeit“ vertreten. Florian Uhligs neueste CD ist bei „Hänssler classic“ erschienen: Die Einspielung sämtlicher Werke für Klavier und Orchester von Dmitri Schostakowitsch. Der Anlass dazu war Uhligs Entdeckung des Concertino op. 94, genauer: Ilya Dimovs Einrichtung dieses Stückes für die Besetzung Klavier, Streicher und Schlagzeug. Dimovs Bearbeitung bringt gegenüber dem vormals etwas trockenen Original für zwei Klaviere mehr Farbe ins Spiel und ein Temperament, das dem Werktitel sogar noch besser entspricht. In dieser Weltersteinspielung präsentiert sich der „leichtere“ Schostakowitsch, der seinen Filmmusiken hier zudem sehr nahe ist.
Auch im ersten Klavierkonzert, das 1933 uraufgeführt wurde, ist die Stimmung heiter und gelassen, zudem noch ungetrübt von den Schrecken, die der Komponist nur drei Jahre später nach dem diffamierenden Prawda-Artikel „Chaos statt Musik“ erleben musste. Schostakowitsch orientiert sich hier am Neoklassizimus sowie an der Unterhaltungsmusik seiner Zeit. Er zitiert unbekümmert Klassiker wie Ludwig van Beethovens „Apassionata“, aber auch populäre Schlager und jüdische Folklore. Das zweite Soloinstrument in diesem Konzert ist die Trompete – in der vorliegenden Aufnahme gespielt von Peter Leiner, einem Solisten des begleitenden SWR Rundfunkorchesters Kaiserslautern. Sie sorgt zusätzlich für eine unernste, „zirzensische“ Atmosphäre.

Florian Uhlig, 1974 in Düsseldorf geboren, ist ein außergewöhnlicher Pianist mit großer musikalischer Intelligenz, schneller Auffassungsgabe und immensem Klangsinn. Die Mühelosigkeit, mit der Uhlig die technisch schwersten Stücke bewältigt, nötigt immer wieder Bewunderung ab. Auch sein Schostakowitsch ist von Scharfsinn geprägt, einer Virtuosität, die nicht in Pedalwolken verschwimmt, sondern glasklar-geläufig dahinschnellt: Ein eigener Ton, der Wiederkennungswert hat.
Mit 11 Jahren kam Florian Uhlig als Jungstudent an die Musikhochschule Dortmund. Ein Jahr später durfte er schon mit einem eigenen Klavierabend den Internationalen Schubert-Wettbewerb eröffnen. Erst nach dem Abitur jedoch fiel der endgültige Entschluss, das Klavierspielen zum Beruf zu machen. Meisterkurse bei Peter Feuchtwanger sowie ein Stipendium führten Uhlig dann nach London zum Royal College of Music sowie zur Royal Academy. Spätestens sein Orchesterdebüt 1997 im Londoner Barbican Centre machte deutlich, dass Uhlig Nonkonformismus besonders schätzt: Ein junger Pianist, der Clara Schumanns Klavierkonzert als konzertanten Auftakt der Karriere wählt – das ist sicher ungewöhnlich. Nach Repertoire abseits ausgetretener Pfade hält er besonders gern Ausschau. Und in seinen Konzerten betätigt sich Florian Uhlig gerne als Programmmacher mit didaktischem Anspruch: „Mir geht's eigentlich doch mehr um Programmzusammenhänge. Irgendwie muss man doch versuchen, interessante Dinge aufzuzeigen, Verbindungen zwischen Kompositionen oder zwischen Komponisten dem Publikum und auch sich selbst begreifbar zu machen.“

Mit dem Mittelsatz seines 1957 komponierten zweiten Klavierkonzertes hat Dmitri Schostakowitsch Musik geschaffen, wie sie auch aus der Feder von Filmkomponisten wie John Barry geflossen sein könnte. Kaum zu glauben: Von vielen Pianisten wird das Werk als zu leicht erachtet – eine hartnäckige Fehleinschätzung, die wohl daher rührt, weil Schostakowitsch das Werk bewusst für die Jugend konzipiert hatte. In Florian Uhligs Interpretation macht das selten eingespielte Stück ebenso viel Spaß wie die anderen beiden Werke, die auf der neuen CD versammelt sind. Uhlig liefert virtuose Kurzweil – übrigens im Tempo durchaus feuriger als so manch anderer Interpret. Gewiss spielt das SWR Rundfundkorchester Kaiserslautern nicht in der orchestralen Meisterklasse, die Musiker machen ihre Sache jedoch sehr gut, als erfahrene Grenzgänger zwischen E und U, zudem solide geführt vom tschechischen Dirigenten Jiøi Stárek. Im Klangbild ist die Aufnahme brillant, wenn auch der mitgegebene Hall etwas dezenter sein könnte. Aber das trübt die Freude an dieser Einspielung kaum. Jedem Liebhaber intelligenter Unterhaltung kann man sie wärmstens ans Herz legen.

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Dmitrij Schostakovich
Concerto for Piano, Trumpet and String Orchestra No. 1 op. 35
Concertino for Two Pianos op. 94 (Arr.: Ilya Dimov)
Concerto for Piano and Orchestra No. 2 op. 102.

Florian Uhlig, Klavier
Peter Leiner, Trompete
SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern
Ltg.: Jiøí Stárek

Hännsler Classic/SWR music CD 93.113




Weitere Informationen
hänssler Classic
www.florian-uhlig.com







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