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Unausweichlich: Lachenmann´s Mouvement mit dem Klangforum Wien




Das Fazit zu Beginn: An dieser Aufnahme wird man nicht herumkommen, vier unangefochtene Meisterwerke Helmut Lachemanns werden hier in vollendeter Form eingespielt. Lachenmann, Jahrgang 1935, gilt längst als einer der wichtigsten Komponisten der Gegenwart. Das Label Kairos legt eine CD vor, die in Momentaufnahmen vier der eindrucksvollsten und reichsten Werke zeigt, die zwischen 1967 und 1992 entstanden sind.

Mouvement(-vor der Erstarrung), ist der Titel eines Ensemble-Stückes aus den Jahren 1982/84; ein Stück mit toten, ins Leere laufenden Bewegungen: Ein Käfer liegt auf dem Rücken und zappelt vergeblich. Lachenmann komponiert einen unheimlichen Bewegungs-Sog aus Geräuschen, der den Zuhörer förmlich in eine andere Welt saugt. Hörgewohnheiten werden zu keiner Sekunde bedient, die Phantasie des Komponisten fordert den Hörer zu wahren Höchstleistungen heraus – dabei erscheint nie der Eindruck eines didaktisch erhobenen Zeigefingers. Die Interpretation des Stückes durch das aberwitzig virtuose Klangforum Wien unter der Leitung von Hans Zender wird dem Anspruch des Stückes vollkommen gerecht. So klingt Musik, wenn sie aus einem Guss ist, wenn sie Zeit zum Atmen findet und letzlich, wenn ein Meister wie Hans Zender ein hervorragendes Ensemble führt.

Der Geist seines Lehrers Luigi Nono, in dessen Haus Lachenmann „...zwei Gefühle...“, wenige Jahre nach Nonos Tod 1990 komponierte, scheint durch das pointierte Werk für zwei Sprecher und Ensemble zu wehen. Lachenmanns Sprache ist hier auf das absolut Wesentliche reduziert: Geräuschhafte Felder kommentieren das zerfetzte phonetische Material der Sprecher (von Lachenmann selbst interpretiert), Töne bilden eine Ausnahme und wirken wie Fremdkörper, je mehr sie unverfremdet auftauchen. Wenn Lachenmann eine Geste, einen Ton, eine Stille setzt, so spürt man zu jeder Zeit die Kontrolle, die der Komponist über seine ausgefeiltesten Klänge hat. Jedes noch so kleine Ereignis, ist eine klingende Unterschrift.

Die beiden Stücke für Stimmen, Consolation I und II, basieren auf Texten von Ernst Toller (Masse Mensch) sowie aus dem Wessobrunner Gebet, die beide auf Ratlosigkeit und Daseinsangst verweisen. Die Werke stammen aus den Jahren 1967 (revidiert 1990) und 1968 und verweisen schon sehr deutlich auf den späteren Lachenmann, der durch die Ensemblestücke repräsentiert wird. Durch diese interessante Kombination, zwei in ihrer Klanglichkeit verwandte Werke aus zwei weit voneinander entfernten Schaffensperioden, wird ein vager Blick in die kompositorische Entwicklung geworfen. Wo einzelne Töne oder vereinzelte Klänge gesungen werden, da spürt man fast körperlich die Anwesenheit Nonos, doch wo sich Lachenmann auf die geräuschhafte, pulverisierte Ebene begibt – und das überwiegt - da klingt der spätere Lachenmann schon durch, da klingt die Musik neu und ungehört. Auch die Schola Heidelberg überzeugt mit zartem Klangsinn und aufwühlender „Maulakrobatik“, besonders in den geräuschhaften Feldern.

Lachenmann zählt zu den bedeutendsten Vertretern seiner Zunft, was keine neue Weisheit, sondern eine schlichte Tatsache ist. Diese blendende Aufnahme unterstreicht dieses ebenso deutlich, wie sie den guten Ruf gerade des Klangforums Wien vehement festigt.



Von Gordon Kampe



Cover

Helmut Lachenmann:

Mouvement (-vor der Erstarrung)

„...zwei Gefühle...“, Musik mit Leonardo

Consolation I und II


Klangforum Wien
Ltg.: Hans Zender

Schola Heidelberg
ensemble aisthesis
Ltg.: Walter Nußbaum


KAIROS 0012202


Da capo al Fine

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