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Jan Novak
Chorwerke


Chöre für Lateinlehrer

Von Michael Magercord

Fragen Sie mal einen Ex-Gymnasiasten, der noch den humanistischen Bildungskanon genießen durfte, welches sein ungeliebtestes Fach war? Dann wird Latein sicher ziemlich oft zuerst genannt werden. Jedenfalls, wenn man mich fragt.

Echte Lateiner sind ja meist Fanatiker ihres Faches, und nichts anders war der Konponist und ehemaliger Jesuitengymnasiast Jan Novak (Jahrgang 1921). In Latein war er vernarrt, und so sind alle seine Texte, die er mit Chormusik beglückte, Lateinische. Und das waren nicht nur alte Texte von echten Römern, sondern eigene Dichtungen und auch welche von anderen Latein-Narren. Mit denen telefonierte er auf Latein, dachte sich Vokabeln für poströmische Gegenstände aus, und es wird berichtet, er habe sogar seine Kinder auf Latein ausgeschimpft – vermutlich, wenn die Deklinationen für Kühlusschrankus nicht saßen. Und dann hat er noch heimatliche böhmische Literatur ins antike Lateinische übertragen, etwa den braven Soldaten Schwejk, der im Alleingang ja das Habsburger Imperium lächerlich gemacht hatte. Wird den etwa Asterix gelesen haben?

Jan Novak war aber eben auch Komponist. Gelernt hatte er sein Handwerk zunächst in der Tschechoslowakei, danach in den USA im Privatunterricht bei Bohuslav Martinu. 1948 kehrte er in die Heimat zurück, schrieb Musik für Film, Musiktheater und Ballett, und er entdeckte seine Leidenschaft nicht nur für die Dodekaphonie, sondern ebenso fürs Latein, auch weil sich in dieser Sprache offiziell Unliebsames leichter sagen ließ. 1969 siedelte er nach Italien über, 1977 schließlich nach Deutschland, wo er 1984 starb.

Was also kommt dabei heraus, wenn moderne Musiksprache und eine alte Sprache zusammenkommen? Ein wenig klingt diese Zusammenstellung von Chormusik wie eine Lateinstunde. Die sind ja immer ziemlich herausfordernd, aber versprühen dafür das Flair, das es darin um gewichtiges Bildungsgut geht. Und wenn der Lehrer mal was lustig findet, erscheint es dem Nicht-Lateiner eher so, dass selbst dem Humor für diese Fanatiker noch etwas Angestrengtes anhaften sollte.

Testamentum heißt das Titelstück, und der Text stammt von Josef Eberle, Gründer der Stuttgarter Zeitung und späterer Rektor der Uni Tübingen. Lateinbessener war auch er mit solidem Lateiner-Humor, den Novak mit Tempi-Wechseln im Chorsatz unterstricht, so dass der Witz auch bemerkt wird. Eher eine ernste und hintergründige Anwendung des Kontrapunkts bietet die Vertonung der Flucht Vergils, in der der Komponist seine eigene Flucht und Emigration besungen sah. Die Texte der folgenden Hirtenpassion basieren auf mittelalterlichen Quellen. Die Teufel lachen darin die frohe Botschaft der Engel aus, doch wer zuletzt lacht, lacht am besten. Und das machen die Engel besonders hinreißend und wild in der fast schon jazzigen Schlußpassage. Und am Ende stehen eigene Texte von Novak. Acht so genannte "mytholische Übungen zu Gestalten aus der römischen Götterwelt".

Die Musik untermalt also meist die Texte, um deren Bedeutung verstärken. Sie wird dadaurch oft klangmalerisch. Der Rhytmus orientiert sich am Versmaß, und so manches Mal erinnern die Wiederholungen an die beim Erlernen von Lateinvokabeln. Novak sprach zudem richtiges Latein in klassischer Aussprache, sagte also Kikero und Käsar. Und so sind auch seine Texte zu singen, was mittelalterlich trainierte Chöre vor eine zusätzliche Aufgabe stellt. Die aber bewältigen die Martinu Voices unter der Leitung von Lukas Vasilek problemlos. Immerhin hat der auch schon mal für Bobby McFerrin den Hintergrund-Chor geleitet: „Be happy!“, bzw. „erat beatus!“, wie der Google-Übersetzer vorschlägt. (Anmerkung der Latein-Lehrer in der Redaktion: Hier gehört der Imperativ oder Konjunktiv präsens hin, also "es beatut" oder "sis beatus", wobei man "beatus" vielleicht durch "laetus" ersetzen sollte. Aber lassen wir das.)

Es ist also eine interessante Platte geworden, die innovative Chormusik bietet mit ungewöhnlichen Texten, die aber nie aus dem Rahmen fällt, den sie sich selbst gesteckt hat. Das ist eine kompositorische Leistung, der der Chor ins Nichts nachsteht. Doch doch, ich habe diese CD, die eigentlich eher was für Lateinlehrer sein dürfte, trotzdem gern gehört. Und das schreibe ich hier nicht nur, damit mir der römische Gott Apollo nicht wie dem selbsternannten Kunstkritiker Midas wegen dessen Verächtlichkeiten Eselsohren wachsen lässt. Denn so viele verächtliche Eselsohren, wie meine Lateinbücher hatten, kann auch Apollo niemandem verpassen.

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TESTAMENTUM
Chorwerke von Jan Novak

Martinu Voices
Leitung Lukas Vasilek

Testamentum
Solostimmen, Chor und Waldhorn
1. Testamentum 9:02

Fugae Vergilianae
Gemischter Chor a capella
2. Fuga I 6:01
3. Fuga II 3:47
4. Fuga III 3:45
5. Fuga IV 6:05

Invitatio Pastorum
Solostimmen, Chor und Flöte
6. I. Antiphona 1:39
7. II. Angelus 1:16
8. III. Diabolus 0:43
9. IV. Angelus 1:15
10. V. Diabolos 0:42
11. VI. Pastores 0:47
12. VII. Angelus 1:22
13. VIII. Diabolos 0:43
14. IX. Pastores 0:45
15. X. Angeli 0:33
16. XI. Pastores 0:59
17. XII. Hymnus 3:21

Exercitia Mythologica
Solostimmen und Chor
18. I. Apollo 1:29
19. II. Orpheus 2:24
20. III. Erato 1:48
21. IV. Midas 1:09
22. V. Echo 2:25
23. VI. Minerva 1:40
24. VII. Tityrus 2:08
25. VIII. Terpsichore 2:06

Gesamtspieldauer: 58:22


Supraphon SU 4159-2

Weitere Informationen
www.supraphon.com





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