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Vilém Veverka
Telemann: Zwölf Fantasien
Britten: Sechs Metamorphosen nach Ovid



Zu Kopf gestiegen?

Von Michael Magercord

Kann man zum Super-Star werden, wenn man ein so sperriges Instrument spielt wie eine Oboe? Man kann ja einfach mal so tun, als ginge es. So wie Vilém Veverka, der 35-Jährige Oboist aus Prag, mit seiner jüngsten CD. Als Solist hat der einstige Berliner Meisterstudent mit namhaften Orchestern der Welt gespielt, und Preise hat der Musiker mit seinem Instrument schon etliche eingeheimst. Wenn Veverka – was übersetzt übrigens „Eichhörnchen" heißt - die Tasten und Klappen drückt, dann versprüht er durchaus eine Aura, als sei er ein Super-Star. Und wenn er nun noch eine CD mit ausschließlich Solo-Stücken präsentiert, dann sieht es fast so aus, als sei er einer.

Ohne falsche Bescheidenheit stellt er seiner CD einen Ausspruch von Reinhold Messner voran, den der nach seiner ersten Alleinbesteigung des Mount Everests ohne zusätzlichen Sauerstoff getätigt hat: „Ich bin nur mehr eine einzige Lunge“. Und die braucht man ja auch für eine Oboe mehr als für alle anderen Blasinstrumente. Es ist eher ein Pressen als ein Pusten, und es hält sich sogar das Gerücht, Oboe zu spielen mache durch den „Druck im Kopf“ dumm. Wissenschaftliche Belege allerdings gibt es dazu keine, dafür aber ist sicher, dass sich mit der Oboe bei einem einzigen Atemzug die längsten Soli spielen lassen, wenn man denn die besondere Atemtechnik, bei der vor dem Einatmen ein Ausatmen erfolgen muss, beherrscht. Die beherrscht Vilém Veverka, und was er in den siebzig Minuten ganz allein mit seiner Oboe hervorbringt, ist tatsächlich beeindruckend. Doch sei er ohnedies, so der Musiker und passionierte Bergsteiger im Booklet, ein einsamer Wolf, dem die Einsamkeit des Solospiels in der Natur läge.

Telemann und Britten - die Auswahl des Programms für die Aufnahmen fiel vermutlich ziemlich leicht. Denn allzu viele Werke für Oboe als Soloinstrument gibt es nicht. Die Zwölf Phantasien von Georg Philipp Telemann, die eigentlich für Querflöte komponiert sind, wurden von Oboisten schon öfter genutzt. Die Kleinode der Solomusik aus dem Barock gewinnen noch an Farbe und Tiefe, wenn sie mit der Oboe gespielt werden, jedenfalls dann, wenn es so virtuos geschieht, wie auf dieser Aufnahme. Fast schon zwangläufig fiel die Wahl dann auf die Sechs Metamorphosen von Benjamin Britten, um die CD zu komplettieren. Die kurzen Stücke wurden ausdrücklich für Oboe komponiert und sie handeln von sechs Personen aus dem Werk des römischen Dichters Ovid. Niemand geringeres als die Götter und Göttinnen Pan, Phaeton, Niobe, Bacchus, Narcissus und Arethusa werden musikalisch dargestellt, und Vilém Veverka, der das Werk oft bei Konzerten spielt, sieht sich als ihren Darsteller. Beide Werke hintereinander bilden trotz der Zeit- und Epochenspanne, die zwischen ihrer Entstehung liegt, eine musikalische Einheit, beide Komponisten galten schon zu Lebzeiten eher als Schöpfer gefällig anzuhörender, aber trotzdem tiefer Werke.

Zudem ist die Spielweise im höchsten Maße beeindruckend, ihre Präzision von Ton und Einsatz sind meisterhaft. Aber auch die Aufnahme ist sehr gelungen, schön der zarte Nachhall, der dem Aufnahmeort geschuldet ist, der Franz-von-Assisi-Kirche im St. Agnes Kloster in Prag also. Die kleine gotische Kirchenhalle wird mehr und mehr zum Studio von Genremusik, von mittelalterlicher Gregoreanik, über Renaissance bis zum Barock. Schön ist natürlich auch, dass die digitale Technik noch einige Verschönereien ermöglicht: So ist das tiefe Luftholen, das oftmals eher an ein Luftschnappen eines Tauchers erinnert und auf den Konzerten bei Veverka mit beeindruckender Mimik einhergeht, auf der CD nicht zu vernehmen. Digitale Unterdrückungsalgorithmen und sicher auch einige gekonnte Schnitte des Aufnahmedirektors Jiøí Gemrot und des Toningenieurs Aleš Dvoøák sei Dank.


So ist es eine großartige Platte geworden, die in Stimmung und Hörbarkeit tatsächlich ihres gleichen erst einmal finden muss. Ein monotonales Instrument im Solo und trotzdem voller Farbe und Lyrik – und das Hören macht den Kopf frei. Ist also dieser Vilém Veverka mit seiner Oboe doch ein Super-Star? Seine CD zumindest hätte auch dann, wenn sie ihren Protagonisten etwas weniger aufdringlich als mit den gefühlten hundertfünfzig (in Zahlen: 6) Ganzseitenfotos auf und in der CD-Hülle präsentieren würde, nichts von ihrer Qualität eingebüßt.

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Vilém Veverka
Telemann - Britten

Georg Philipp Telemann:
Zwölf Phantasien für Oboe Solo
(orig. für Flöte), TWV 402-13


1. Phantasia in A dur 3:23
2. Phantasia in A moll 4:55
3. Phantasia in B moll 4:10
4. Phantasia in H dur 04:41
5. Phantasia in C dur 03:45
6. Phantasia in D moll 05:39
7. Phantasia in D dur 05:51
8. Phantasia in E moll 04:08
9. Phantasia in E dur 06:36
10. Phantasia in Fis moll 04:43
11. Phantasia in G dur 04:02
12. Phantasia in G moll 05:44

Benjamin Britten:
Six Metamorphoses after Ovid
ür Oboe Solo, op. 49


1. Pan 2:17
2. Phaeton 1:17
3. Niobe 2:18
4. Bacchus 2:00
5. Narcissus 2:52
6. Arethusa 2:47

Gesamtspieldauer: 72:50

Vilém Veverka, Oboe

Supraphon SU 4121-2

Weitere Informationen
www.supraphon.com





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