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Franz Schubert: Die schöne Müllerin / Lieder nach Gedichten von Mayrhofer Mühlenromantik und KlassizismusVon Stefan SchmöeSchubert war stets dem Vorwurf ausgesetzt, bei der Auswahl seiner Liedtexte nicht allzu wählerisch gewesen zu sein. Gerecht wird die Nachwelt dem Komponisten mit solchen Pauschalurteilen ganz sicher nicht; spiegelt sich doch gerade in den vermeintlich schwächeren der vertonten Gedichte das politische Spannungsfeld zwischen Restauration und dem erstarken der bürgerlichen Kräfte ebenso wie die künstlerische Umbruchsituation zwischen Wiener Klassik und der aufkommenden Romantik. Zwei durchaus bemerkenswerte Neuaufnahmen leuchten nicht unbedingt neue, aber in ihrer Gegensätzlichkeit gerade vor diesem Hintergrund interessante Facetten in Schuberts Schaffen aus. Andreas Schmidt hat, begleitet von Rudolf Janssen, mit der Schönen Müllerin einen der von der Kritik unangefochtenen Dauerbrenner eingespielt. Als groß angelegter Zyklus hat die beschauliche, tragikumwitterte Mühlenromantik relativ leicht einen Platz im Konzertrepertoire behaupten können, zumal romantisches Liebesleid angesichts der großartigen Komposition zeitlos zu Herzen geht. Schmidt, den seine steile Opernkarriere bis in das Bayreuther Festspielhaus getragen hat, versagt sich alle opernhafte Dramatik und wählt einen schlichten, natürlichen Tonfall, der den Liedcharakter hervor hebt. Den routinierten Wagnersänger hört man weniger am Stimmvolumen, als vielmehr an der souveränen, großflächig disponierten Phrasierung, die weite Bögen spannt. Das warme Timbre der elegant geführten Stimme gibt den Rahmen, in dem Schmidt durch eine nuancierte Artikulation sehr fein die Stimmungsschwankungen des liebenden Wanderers nachzeichnet. Der Vergleich mit Fischer-Diskau (dessen perfekte Technik Schmidt nicht erreicht und deshalb auch in der Ausdrucksvielfalt hinter dessen Einspielungen zurück bleibt) liegt förmlich in der Luft. Schmidt findet aber zu einer sehr gelassenen, insbesondere im zweiten Teil (nach der von Schubert auskomponierten Pause, dem 12. Lied und Wendepunkt des Zyklus') überzeugenden Interpretation, in der statt vordergründiger Effekte immer wieder die Abgründe der Schubertschen Harmonik aufleuchten. Kleine Abstriche muss man im vorwärts stürmenden ersten Teil machen, wo manches drängende Detail etwas poltrig gerät (so die zu mechanischen Punktierungen in der Nr. 10 Mein!), und der Grundton der ersten beiden Lieder ist mehr als nötig gehetzt - das Tempo ist hier nicht so selbstverständlich wie im weiteren Verlauf. Auch das Zusammenspiel zwischen Sänger und Pianist ist trotz des stets zuverlässigen und souveränen Spiels von Rudolf Janssen nicht immer ideal: Stellenweise dürfte das Klavier ruhig stärker das Kommando übernehmen, sei es im Tränenregen, der noch entrückter sein könnte, oder im (hier recht gemäßigten) Toben von Eifersucht und Stolz oder noch mehr im Nachspiel der Bösen Farbe. Ausgezeichnete Abstimmungen herrscht dagegen, gerade in klanglicher Hinsicht, zwischen Christof Prégardien und seinem Begleiter Andreas Staier in einer Einspielung von Liedern nach Texten des Schubert-Freundes Mayrhofer. Statt eines modernen Konzertflügels verwenden die Interpreten ein Hammerklavier und nutzen effektiv dessen spezifischen Klang. Der Tenor Prégardien legt im Vergleich zum Bariton Schmidt weniger Wert auf die Artikulation einzelner Wörter, sondern mehr auf die klangliche Gestaltung einzelner Phrasen, ist aber in der Anlage kurzgliedriger als Schmidt. Das ist einerseits auf die Stimmlage zurückzuführen, aber auch auf den Charakter der Lieder, die eben nicht (wie in der Schönen Müllerin im zyklischen Zusammenhang zu sehen sind, sondern kleinere - und entsprechend kleiner gegliederte - abgeschlossene Einheiten bilden, die eine stärkere Entwicklung fordern. Prégardiens Interpretation ist jederzeit souverän, manchmal vielleicht etwas zu sehr ins Elegische gewendet. Die Stimme ist sehr beweglich und jederzeit klug geführt, und anders als in einigen früheren Aufnahmen verfügt der Sänger hier stets über die nötigen Reserven, um auch bei exponierten Tönen noch zulegen zu können. Einer weiteren Verbreitung der Lieder steht aber vor allem der sperrige Klassizismus der Texte entgegen, deren mythologischer Hintergrund vielleicht dem Bildungsbürgertum der Schubert-Zeit, kaum aber dem durchschnittlichen heutigen Konzertbesucher bekannt ist, und denen dadurch die unmittelbare Wirkung der Müllerin-Lieder fehlt. Der enzyklopädische Gedanke, Vertonungen ausschließlich eines Dichters nebeneinander zu stellen, hat in diesem Fall, wo die Texte vor allem als Dokument des künstlerischen Programms des Schubert-Kreises von Bedeutung sind, auch etwas Ermüdendes, das auch die hochrangige Interpretation nicht vollständig ausräumen kann. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Franz Schubert Die schöne Müllerin Liederzyklus nach Wilhelm Müller D. 795 Andreas Schmidt, Bariton Rudolf Janssen, Klavier Aufnahme: 5.-8.6.2000, Kleiner Sendesaal des SFB, Berlin hänssler Classic 98.373 Franz Schubert Lieder nach Gedichten von Johann Babtist Mayrhofer
Christoph Prégardien, Tenor Anfreas Staier, Hammerklavier Aufnahme: Studio DeutschlandRadio, Januar 2001 Teldec 8573-85556-2 |
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