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Harrison Birtwistle:

pulse shadows



Komplexe Wege zu Celan

Von Gordon Kampe

An den ergreifenden Texten Paul Celans haben sich in den letzten Jahren viele Komponisten entzündet. Nun hat es auch den englischen, 1934 geborenen, Komponisten Harrison Birtwistle „erwischt“. Und darüber kann man nur froh sein, denn seine Celan-Auseinandersetzung „pulse shadows“ ist ohne Zweifel eine der überzeugendsten überhaupt. Einer Art Liederzyklus wird ein weiterer Zyklus aus Instrumental-Stücken gegenübergestellt, in dem die Celan Texte inhaltlich reflektiert werden und so eine übergeordnete Ebene darstellen. Man fühlt die Nähe zu den Texten, doch niemals findet eine eindimensionale oder programmatische Übertragung statt.

Die Musik insgesamt ist höchst komplex. Nicht selten findet man eine klangliche Nähe zur Musik Brian Ferneyhoughs. Doch im Gegensatz zu anderen Vertretern dieser „komplexen“ Richtung hört man der Musik an, dass der Komponist absolute Kontrolle über das klingende Ergebnis hatte und in der Komposition nicht „nur“ mathematische Strukturen verarbeitet werden. Ja, diese eruptive und emotionale (dabei aber nie gefühlsduselige) Musik ist zwingend notwendig für das Konzept Birtwistles.

Besondere Wirkungen erzielt Birtwistle in den sogenannten „Friesen“, Quartettstücke, die musikalisches Material „vorführen“ und nicht „durchführen“. Diese Quartettsätze sind „Lieder, die nicht geschrieben werden konnten“, Birtwistle ist hier am überzeugendsten.

Die Interpreten der Einspielung werden dem hohen Anspruch, den die Komposition an die Künstler stellt, in vollem Umfang gerecht. Wieder einmal kann das Arditti Quartet seine absolute Ausnahmestellung in Sachen Neuer Musik beweisen. An keiner Stelle der Aufnahme gibt es bei diesen erstklassigen Musikern einen Durchhänger: ihr Klang ist stets präsent und von ungehörter Präzision. Doch bei aller Präzision wird niemals die emotionale Seite vernachlässigt, vielmehr wird diese Ebene durch die bohrende Genauigkeit noch verstärkt. Gleiches gilt auch für die Musiker des Nash Ensembles unter der Leitung von Reinbert de Leeuw. Unbedingt zu erwähnen ist Claron McFadden, die Sängerin. Ihr Sopran ist von berückender Klarheit. Sie schafft es, mit geringsten Mitteln erstaunliche Stimmungsschwankungen herbeizuführen. Vom ersten bis zum letzten Lied ist hier eine wahre Künstlerin am Werk.

Das vorzüglich edierte Booklet rundet den Eindruck ab: Neben dem zweisprachigen Abdruck der Celan-Texte gibt der kurze Text von Stephen Pruslin eine gute Einführung in dieses sicherlich schwer zugängliche Werk. Insgesamt also eine überaus empfehlenswerte CD, mit hervorragenden Künstlern und einem Werk, das mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Das gelingt nur wenigen.


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Cover



Harrison Birtwistle:

pulse shadows

Claron McFadden, Sopran
Arditti Quartett
Nash Ensemble
Ltg.: Reinbert de Leeuw

Teldec 3984-26887-2





Da capo al Fine

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