Online CDs
Klassik
Homepage  zurück  e-mail  Impressum



Mauricio Kagel:
Tantz Schul. Ballet d´action


Schelmenweisen

Von Gordon Kampe

Schon Mauricio Kagels frühe, experimentelle Werke der 1960´er und 1970´er Jahre führen den Hörer stets aufs Glatteis. Seit bald zwei Jahrzehnten kommt seine Musik nun häufig in schillernd post-modernem Gewand daher: opulenter Orchesterklang, süßliche Melodien, traditionelle Harmonik, häufige Verwendung von musikhistorischen Zitaten. Auf kaum einen Komponisten trifft der Untertitel von Richard Strauss´ Till Eulenspiegel-Musik so zu, wie auf Kagel: nach alter Schelmenweise.

Oberflächlich betrachtet scheint das Klanggewand des Mauricio Kagel eingängiger und „publikumsangeschmiegter“ zu sein – doch stimmt das auch? Mauricio Kagels 2001 revidiertes "Ballett d´action" Tantz-Schul, 1988 an der Wiener Staatsoper uraufgeführt, kommt daher mit wohligem Orchesterklang, freundlichen Melodien und zündenden Rhythmen. Doch gerade dann, wenn man glaubt sich noch eine Weile in wohligem Klangsumpf wühlen zu dürfen, schiebt Kagel einen Riegel davor, sagt laut vernehmlich Ätsch: ihr kriegt mich nicht. Kagel bleibt der alte Schelm, wenn sich auch das Material geändert haben mag. Seine Musik ist voll glitschiger Harmonik und spröd-verquerer Instrumentation. Grundlage für seine Tantz-Schul ist Gregorio Lambranzis Lehre Neue und curieuse theatralische Tantz-Schul aus dem Jahr 1716. Der Druck der über 70 verschiedenen Ballettszenen ist so voller orthographischer Fehler, dass sich Kagel zur Komposition eben jener Fehler herausgefordert sah. Kagel bettete die Melodien in einen neuen harmonischen Kontext ein und konzentrierte sich auf die Hörbarmachung der ursprünglichen Druck-Fehler: So holpert es innerhalb des polytonalen Geflechtes zuweilen sehr in Melodik, Rhythmik und Instrumentation. Quirlige Szenen wechseln schnell zu verhalten melancholischen Tanz-Sätzen. Das Stück ist ohne Netz und doppelten Boden: gerade der 16. Satz: Rackett- und Hexentanz bietet ein gutes Beispiel für die wunderbare Orientierungslosigkeit, die einem bei konzentriertem Zuhören wiederfahren kann. Gesungene Sätze, mit wunderbar pseudo-pathetischem Ton von Margaret Chalker und Christoph Späth interpretiert, in türkischer, griechischer und italienischer Sprache komplettieren das verwirrende Werk.

Die Perfektion des Meisters spiegelt sich auch in der Gestaltung des Booklets wieder: auch das hat Kagel selbst entworfen. Schon von weither erscheint die liebevolle, mit einigen amüsanten Drucken versehenen, Aufmachung der CD als Ausnahmeerscheinung. Das enorm präzis spielende Orchester des Saarländischen Rundfunks unter der Leitung des Komponisten stand Pate bei dieser außerordentlich merk-würdigen Produktion, die die Plattensammlung eines jeden Kagel-Fans grell zieren sollte!


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Cover

Mauricio Kagel:
Tantz Schul. Ballet d´action

Margaret Chalker, Sopran
Christoph Späth, Tenor
Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken
Ltg.: Mauricio Kagel


Winter & Winter 910 099-2




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Rock-Pop-Startseite E-Mail Impressum
© 2003 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: cds@omm.de

- Fine -