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Violinkonzerte von Mendelssohn, Schumann, Berg, Britten und Paganini

Blickwinkel auf das romantische Violinkonzert

Von Stefan Schmöe

Ein gut aussehender junger Mann steht auf einem Felsen am Meer, lässig eine Violine in der Linken, den Blick in die Ferne schweifend – maritime Urlaubsstimmung als Blickfang für Mendelssohn und Schumann? Durchgestylte Cover gehören sicher zu einer guten Marketing-Strategie, und die sei den durch Raubkopierer gebeutelten Labeln zu gönnen, insbesondere, wenn sie wie in den hier vorgestellten Aufnahmen kleine Schritte etwas neben den üblichen Repertoirepfaden riskieren. Cover-Design soll hier auch nicht Thema sein. Im Falle von Renaud Capuçons Einspielung des vergleichsweise selten gespielten Violinkonzerts d-Moll von Robert Schumann, verkaufsstrategisch abgesichert durch Mendelssohns Dauerbrenner in e-Moll, entspricht der softe optische Eindruck durchaus dem akustischen. Capuçons macht in den ersten Takten Mendelssohns deutlich, was man von dieser Einspielung zu erwarten hat: Eine gesangliche, atmende Interpretation, in der jede Phrase wie hier das Hauptthema, mit samtigem Sound sorgfältig durchgestaltet ist – allerdings recht kleingliedrig und Ecken und Kanten weichzeichnend. Dass Daniel Harding mit dem Mahler Chamber Orchestra eher unauffällig begleitet, mag man bei Mendelssohn noch als edle Zurücknahme hinnehmen; für Schumanns zerrissenes Konzert müsste einiges mehr an gespannter Energie von Solist wie von Orchester ausgehen. Hier werden Schumann wie Mendelssohn recht unbestimmt für den bürgerlichen Salon gespielt.

Alban Bergs Konzert hat, nicht zuletzt durch den rührseligen Untertitel „Dem Andenken eines Engels“, einen einigermaßen sicheren Platz im Repertoire erhalten, auch wegen des romantischen Gestus, den das Werk bei aller Modernität trägt. Solist Daniel Hope und Dirigent Paul Watkins haben für ihre Einspielung mit dem BBC Symphony Orchestra auf die kritische Ausgabe zurückgegriffen - die erste Einspielung dieser Fassung überhaupt nach Angabe des Labels. Und von Rührseligkeit keine Spur: Durch und durch kammermusikalisch ist dies eine glasklare Interpretation, die zeigt, dass dieses Stück ohne orchestrales Sentiment nicht nur auskommt, sondern so erst recht zur Geltung kommt. Höchst transparent vom ersten bis zum letzten Ton. Aufregend ist die Gegenüberstellung mit Benjamin Brittens 1938-39 komponiertes (und damit im Vergleich zu Berg nur um wenige Jahre jüngeres) Violinkonzert op. 15, das größer und „symphonischer“ in Klang und Tonfall ist und fast noch mehr in romantischer Tradition steht. Die scharfe und energiegeladene, aber nie grelle Interpretation verleiht dem Werk das nötige Profil, trotz der konventionelleren Anlage gegenüber Bergs Geniestreich bestehen zu können. Eine Entdeckung.

Mit einer Entdeckung wirbt der Geiger und Wissenschaftler Michael Jelden für seine Einspielung des 2. und 4. Konzertes von Niccolo Paganini. Jelden selbst hat für das zweite Konzert (mit dem oft zitierten „Campanella“-Finale) im Mittelsatz auf ein von Paganini nicht orchestriertes Adagio, das sich neben dem üblicherweise gespielten Satz ebenfalls im Manuskript findet, zurückgegriffen und die Orchesterfassung eigenhändig erstellt; insofern ist auch diese Einspielung eine Premiere. Liegt bei Berg und Britten von Trauer durchsetzte Bekenntnismusik vor, so sind die Violinkonzerte Paganinis pragmatisch zur effektvollen Selbstdarstellung komponiert, „blendende Unterhaltungsmusik“, wie Jelden im Booklet vermerkt. Wenn die Werke aber derart lustvoll und zupackend gespielt werden wie von Jelden und der Vogtland-Philharmonie unter der Leitung von Stefan Fraas, dann werden solche Überlegungen schnell hinfällig. Jelden spielt die teilweise aberwitzig komponierten Klangwirkungen, die Paganini mit seinem virtuosen Stil erreicht, mit Mut zum Risiko – und hohem Gewinn: Es entstehen fast avantgardistische Klangeindrücke, die einer allzu großen Gefälligkeit entgegenstehen. Paganini klingt hier überraschend modern, auf klangliche Experimente des 20. Jahrhunderts vorausweisend. Dem Unterhaltungswert dieser gelungenen Aufnahme tut das keinen Abbruch.


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Cover

Felix Mendelssohn:
Violinkonzert e-Moll op. 64
Robert Schumann:
Violinkonzert d-Moll

Renaud Capuçon, Violine
Mahler Chamber Orchestra
Dirigent: Daniel Harding

Virgin Classics 7243 5 45663 2 5




Cover

Alban Berg:
Violinkonzert ("Dem Andenken eines Engels")
Benjamin Britten:
Violinkonzert op. 15

Daniel Hope, Violine
BBC Symphony Orchestra
Dirigent: Paul Watkins

Warner Classics 2564-60291-2




Cover

Niccolo Paganini:
Violinkonzert Nr. 2 h-Moll
Orchestrierung des Adagio von Michael Jelden)
Violinkonzert Nr. 4 d-Moll

Michael Jelden, Violine
Vogtland-Philharmonie Greiz / Reichenbach
Dirigent: Stefan Fraas

HERA 02115









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