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Musiktheater
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Giuseppe Verdi
Ernani

Zwischen Belcanto und Dramatik

Von Thomas Molke

Seit 2016 gibt es bei den Opernfestspielen Heidenheim ein Projekt, neben der großen Opernproduktion im Rittersaal die frühen Verdi-Opern in chronologischer Reihenfolge aufzuführen und einen Live-Mitschnitt der eher unbekannten Werke später als CD herauszugeben. 2019 ist man bereits bei Verdis fünfter Oper, Ernani, angekommen, da mit Nabucco als großer Produktion 2018 im Rittersaal insgesamt zwei Verdi-Opern auf dem Spielplan standen. Dass Ernani nicht so unbekannt ist wie beispielsweise Oberto und Un giorno di regno liegt vor allem daran, dass einzelne Auszüge der Musik zahlreichen Klassikliebhabern aus diversen Gala-Konzerten oder CD-Einspielungen großer Künstler*innen bekannt sind. So gehört beispielsweise die große Kavatine der Elvira im ersten Akt, "Ernani! involami", zum Standardrepertoire von Stars wie Maria Callas in diversen Aufnahmen. Dennoch steht die gesamte Oper mittlerweile eher selten auf den Spielplänen, obwohl das Werk bei der Uraufführung 1844 in Venedig mit großer Begeisterung aufgenommen wurde und endgültig Verdis Durchbruch als international gefeierten Komponisten markierte. Vielleicht liegt es an der völlig abstrusen Handlung und den schwer nachvollziehbaren Figuren, dass die Oper heute nicht mehr genauso präsent ist wie beispielsweise Rigoletto, La traviata oder Nabucco.

Das Libretto stammt von Francesco Maria Piave und markiert den Anfang einer erfolgreichen Zusammenarbeit. Die literarische Vorlage lieferte Victor Hugo mit seinem 1830 uraufgeführten Drama Hernani ou L'Honneur castillan und handelt von drei Männern, die alle Elvira begehren. Da ist zunächst ihr Onkel Don Ruy Gómez de Silva, ein spanischer Grande, der die junge Dame nach dem Tod ihrer Eltern bei sich aufgenommen hat und aufgrund seines Alters und Titels einen Anspruch auf die Nichte erhebt. Doch auch Don Carlos der König von Spanien und spätere Kaiser Karl V., mit dessen Enkel sich Verdi mehr als 20 Jahre später in seinem Meisterwerk Don Carlos beschäftigte, möchte Elvira heiraten. Die junge Dame hingegen liebt Ernani, der als Bandit in den Bergen von Aragon eine Gruppe von Räubern anführt, in Wirklichkeit allerdings der Adlige Don Juan von Aragon ist, dessen Vater, der Herzog von Aragon, vom Vater des Königs entmachtet und getötet worden ist. Die Pläne der drei Rivalen, sich gegenseitig zu duellieren, werden mehrere Male durchkreuzt, bis schließlich Carlos Elvira als Geisel nimmt. Daraufhin verbünden sich Ernani und Silva gegen den König, wobei Ernani Silva ein Jagdhorn mit dem Schwur übergibt, sich selbst sofort zu töten, wenn Silva das Horn blase. Carlo wird inzwischen in Aachen zum Kaiser gekrönt. Als er die Verschwörer unter der Leitung von Silva und Ernani stellen kann und Ernani töten lassen will, fleht Elvira um Gnade. Carlo, der beschlossen hat, als neu gekrönter Kaiser Milde walten zu lassen, lässt Ernani frei und rehabilitiert ihn nicht nur als Herzog von Aragon, sondern überlässt ihm auch noch Elvira als zukünftige Braut. Als bereits die Hochzeit im Palast vorbereitet wird, fordert Silva Rache und bläst das Horn. Ernani erinnert sich an seinen Schwur und ersticht sich, während Elvira ohnmächtig an seiner Leiche zusammenbricht.

Dass es sich bei der CD-Einspielung um eine Live-Aufnahme handelt, ist gar nicht zu bemerken. So hört man weder störende Nebengeräusche noch Applaus nach einzelnen Szenen und am Ende der einzelnen Akte, den es, zumindest bei der besuchten Aufführung am 18. Juli 2019, im Festspielhaus zu Recht gegeben hat, da die Solisten auf ganzer Linie überzeugen. Da ist zunächst Sung Kyu Park in der Titelpartie zu nennen. Mit großem und recht dunkel angesetztem Tenor verkündet er in seiner Auftrittskavatine "Come rugiada al cespite" den Räubern seinen Plan, die geliebte Elvira zu entführen und so die Zwangsehe mit ihrem Onkel zu verhindern, mit enormer Durchschlagskraft, die seine Entschlossenheit unterstreicht. Dabei glänzt er mit sauberen Spitzentönen. Auch Leah Gordon lässt als Elvira keine Wünsche offen. In der berühmten Kavatine "Ernani! involami", in der sie sich danach sehnt, von Ernani befreit zu werden, glänzt sie mit sauber angesetzten Koloraturen und braucht so den Vergleich mit großen Sopranistinnen der Vergangenheit auch auf CD nicht zu scheuen. Erwähnenswert ist vor allem ihr geschmeidiger Registerwechsel von einer voluminösen Mittellage hin zu strahlenden Koloraturen. In den Duetten mit Park findet sie zu einer berührenden Innigkeit. Bei so seligen Klängen kann man auch leicht über den schwachsinnigen Schluss hinwegsehen, wenn Ernani sich zur Einhaltung seines Schwurs das Leben nimmt.

Marian Pop glänzt als König Don Carlos mit markantem Bariton, auch wenn die Figur dramaturgisch genauso fragwürdig bleibt wie das ganze Stück. Bewegend gelingt ihm seine große Kavatine im dritten Akt "Oh de! Verd'anni miei", in der er kurz vor seiner Krönung zum Kaiser nahezu wehmütig an seine Jugend zurückdenkt und plant, als gerechter Herrscher in die Geschichtsbücher einzugehen. Diesen Entschluss zelebriert Pop mit einem samtig fließenden Bariton, der beinahe schon glaubhaft macht, dass er Ernani nicht nur verschont, sondern ihm auch noch seinen Titel zurückgibt und ihn mit Elvira vermählt. Pavel Kudinov gestaltet die Partie des Onkels Silva mit schwarzem Bass, der deutlich macht, dass er der eigentliche Bösewicht der Geschichte ist. Wenn er seiner verzweifelten Nichte am Ende voller Hass ein finsteres "Morrà" entgegenschleudert, nachdem er Ernani mit dem Blasen des Horns an dessen Schwur erinnert hat, ist man auch ohne szenische Umsetzung beim reinen Hören bewegt. Der von Zuzana Kadlčíková einstudierte Tschechische Philharmonische Chor Brünn überzeugt genauso wie in den kleineren Rollen Stefanie Henke als Elviras Vertraute Giovanna, Christoph Wittmann und Lancelot Nomura als Schildknappen.

Marcus Bosch arbeitet am Pult des Festspielorchesters Cappella Aquileia die beinahe schon schwülstigen Emotionen der Partitur differenziert heraus. So hört man gerade in den ersten beiden Akten den noch in der Tradition des Belcanto stehenden Klang des jungen Verdi heraus, während die Musik ab dem dritten Akt dann an Tiefe gewinnt.

Im der CD beigefügten Textbuch gibt es neben dem Libretto in italienischer, englischer und deutscher Sprache noch vereinzelte Fotos der Produktion, die vor allem bei den Zuhörenden, die die Aufführung in Heidenheim gesehen haben, Erinnerungen wecken dürften. Das Mitlesen des Textes gestaltet sich an einzelnen Stellen etwas schwierig, da im Textbuch nicht gekennzeichnet ist, wenn in den Ensembles verschiedene Passagen zeitgleich gesungen werden. Da kann man leicht die Übersicht verlieren. Der einleitende Text ist in Deutsch und Englisch abgedruckt und liefert interessante Zusatzinformationen über die Oper.

FAZIT

Auch wenn es von Verdis Ernani sicherlich schon einige hochwertige CD-Einspielungen gibt, empfiehlt sich diese Aufnahme für eine Sammlung früher Verdi-Opern.


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Giuseppe Verdi
Ernani

Dramma lirico in vier Akten
Libretto von Francesco Maria Piave

Ernani (ein Bandit) - Sung Kyu Park, Tenor
Don Carlos - Marian Pop, Bariton
Don Ruy Gómez de Silva - Pavel Kudinov, Bass
Elvira (seine Nichte und Verlobte) - Leah Gordon, Sopran
Giovanna (ihre Vertraute) - Stephanie Henke, Sopran
Don Riccardo (der Schildknappe des Königs) - Christoph Wittmann, Tenor
Jago (der Schildknappe Silvas) - Lancelot Nomura, Bass


Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn
Choreinstudierung: Zuzana Kadlčicová

Cappella Aquileia
Leitung: Marcus Bosch


Coviello Classics LC 12403 (COV91925)
2 CDs, Gesamtspielzeit 1h 50'
Live-Aufnahme aus dem Festspielhaus Congress Centrum, Heidenheim vom 15. - 20. Juli 2019

Weitere Informationen unter:
www.covielloclassics.de



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