Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage CDs
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-CDs-Startseite E-Mail Impressum



Medea

Tragödie in drei Akten
Libretto von Benoit Hoffmann
Italienische Fassung von Carlo Zangarini
Musik von Luigi Cherubini
Norma

Oper in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von Vincenzo Bellini


Die Callas auf dem Höhepunkt

Von Thomas Tillmann


Die Fünfzig-Jahre-Frist ist abgelaufen, und schon bringt die Firma Dynamic zwei weitere bedeutende, aber natürlich nicht unbekannte Dokumente der Callas in ihrer Reihe Istituto discografico italiano auf den Markt. Wichtig ist natürlich der Mitschnitt der Medea vom 7. Mai 1953, denn während dieses Maggio Musicale Fiorentino sang die Griechin Cherubinis Heroine zum ersten Mal. Es ist viel geschimpft worden über die italienische Version mit den nachkomponierten Rezitativen und Strichen von Franz Lachner, aber es wäre im Italien der fünfziger Jahre wohl doch zu viel des Guten gewesen, ein ohnehin längst von den Spielplänen verschwundenes Werk auch noch in der französischen Originalversion mit ihren gesprochenen Dialogen zu exhumieren (wie schwer das bis heute ist, belegt der von der Firma Nuova Era vertriebene Mitschnitt vom August 1995 aus Martina Franca, auf dem die ansonsten geschätzte Iano Tamar sich mit dem französischen Text abmüht, und der Mitschnitt einer semikonzertanten Aufführung in der Alice Tully Hall vom 6. März 1997, den die Firma Newport Classics anbietet, ist zwar verdienstvoll, scheitert aber auch an den bemühten, aber nicht wirklich kompetenten Mitwirkenden). Danken wir der Callas, dass sie das beeindruckende Ouevre überhaupt für die Nachwelt gerettet hat!

La Divina selber war an diesem Abend in der Form ihres Lebens und von der ersten Sekunde an von atemberaubender Präsenz - man ist erstaunt, welche Tiefe und Reife ihre Interpretation bereits beim Rollendebüt besitzt! Nicht eine Sekunde lässt sie Zweifel daran aufkommen, wer hier die Fäden in der Hand hält, und zelebriert Medeas grandiosen Zorn mit ihrer hier vollen, dunklen, in der Höhe schneidend-durchdringenden, in der Tiefe kraftvoll-ausladenden, gebieterischen und kein Risiko scheuenden Stimme und einer kaum zu beschreibenden Deklamationsintensität (man höre nur ihr "Del fiero duol", das allein den Kauf dieser Aufnahme rechtfertigt). Dabei findet sie auch zu zärtlicheren Tönen, wenn sie etwa in ihrer Auftrittsarie noch einmal um Jasons Gunst wirbt, bevor sie ihm im anschließenden Duett die Töne nur so um die Ohren schleudert und Verschlagenheit und verletzter Stolz die Oberhand gewinnen (verfolgen Sie ihre maliziösen Kommentare während der Hochzeitsfeierlichkeiten!). Dennoch zieht diese Medea die Sympathien des Rezensenten auf sich und weiß den Kindermord mindestens verständlich zu machen. Einziger Wermutstropen ist, dass sie in der Schlussszene akustisch eine ungünstige Position auf der Bühne gehabt haben muss und ihre Stimme im allgemeinen Durcheinander auf der Bühne untergeht.

Wer kennt heute noch Carlos Guichandut? Das Timbre des Franzosen, der auch als Otello dokumentiert ist, mag nicht direkt überrumpeln, man registriert auch einige Rauheiten und Kratzer in der Stimme, aber seriöser als mancher Kollege, der heute sein Unwesen im schweren Fach treibt, ist er allemal, zumal sein Tenor von wirklich dramatisch-heldischer Farbe ist, zu mancher Differenzierung zu bewegen ist und beeindruckend kraftvolle Acuti voller Wucht produziert - das ehemalige Paar schenkt sich da nichts. Und auch Fedora Barbieris üppiger dramatischer Mezzosopran besitzt die nötige Kraft, um neben diesen beiden Protagonisten bestehen zu können, aber mitunter hat man angesichts ihrer keine Angst vor harschen Registerbrüchen und dem Einsatz der Bruststimme erkennen lassenden, barschen Rollenauffassung doch den Eindruck, dass sie Medeas Begleiterin in einem unbemerkten Augenblick ein "Am-" vor das "Neris" gemogelt hat; erst in der berühmten Arie kann sie sich zu leiseren Tönen entschließen und ist dabei nicht weniger grandios und beteiligt als bei ihrer strengen Schimpferei zuvor.

Ich muss gestehen, dass ich bei den meisten Aufnahmen des Werkes die Tracks bis zum Auftritt der Titelfigur nie gehört habe, aber hier ist es Gabriella Tucci, die als Glauce besetzt ist, und mit ihr hört man einen guten sitzenden, besonders in der sicher attackierten Höhe wunderbar leuchtenden, durchaus beweglichen lyrischen Sopran von betörend aparter Farbe vor dem Einsatz im zu schweren Fach. Der Creonte von Mario Petri klingt zunächst arg maulig und müde, aber dank großer Gestaltungssorgfalt gewinnt die Figur mehr und mehr an Kontur, auch wenn die dazu nötigen Anstrengungen des Interpreten nicht zu überhören sind.

Vittorio Gui nimmt am Pult des leistungsfähigen Florentiner Orchesters bereits mit der schwungvoll genommenen Ouvertüre für sich ein, aber er hat auch die nötige Ruhe für das Ensemble vor Medeas Auftritt, das die Nähe zu Beethoven nicht verleugnen kann, wie er überhaupt gemäßigt-erhabenen, aber nie langweiligen Tempi den Vorzug gibt. Ein Kompliment verdient auch der für eine ein halbes Jahrhundert alte Aufnahme erstaunlich präsente, räumliche Sound, den Puristen ein wenig hallig finden könnten und in den auch die eifrigen Bemühungen des Souffleurs gut integriert sind. Der einzige Nachteil dieser wie vieler anderer Callas-Dokumente ist, dass einem die meisten anderen Soprane dagegen merkwürdig fad und blaß vorkommen.

Der Live-Mitschnitt der Norma vom 19. November 1953 aus dem Triester Teatro Verdi ist allerdings wirklich nur den Fans der Griechin respektive denen des Tenors zu empfehlen, denn der Klang ist wirklich bedenklich (neben einem nicht unerheblichen Grundrauschen, Störungen und dem typischen Klirren bei Tuttistellen und Choreinsätzen sind es besonders die merkwürdigen Qualitätsschwankungen von Takt zu Takt und die diversen Aussetzer etwa im "Sedizioni voci", vor allem aber gegen Ende, die den Genuß trüben).

Der noch junge Franco Corelli erlaubt sich zwar manche rhythmische Freiheit, kann sich nicht mit der korrekten Ausführung von Sechzehntelnoten aufhalten und lässt auch das notierte C seiner Auftrittsarie aus, nicht aber jede passende und unpassende Gelegenheit, seinen wahrlich umwerfend timbrierten Tenor in ausgedehnten und den Fluss der Musik aufhaltenden Fermaten strahlen zu lassen - man versteht, dass Adalgisa ihm nicht widerstehen kann, wenn sie ihren Namen aus seinem Mund mit einer solchen tonlichen Süße vernimmt, zumal der Italiener sich immerhin zu manchen Mezzoforti durchringt.

Noch mehr Auftrittsapplaus als er erhält freilich die Diva selbst, und sie enttäuscht das Publikum auch nicht, denn sie ist blendend disponiert, ihr Ton ist voll, rund und von unglaublicher dramatischer Intensität - die Acuti, die die Griechin bereits während des ersten Rezitativs interpoliert, belegen, in welcher unglaublichen Verfassung sie sich in diesen Jahren befand. Bereits im sehr breit genommenen "Casta diva" bewundert man die vollendeten Legatobögen, die expressiv eingesetzte, nie bloß vorgeführte messa di voce, die wie gemeißelt wirkenden Verzierungen, die rhythmische Präzision, das immense Gespür für das richtige Timing, das für die Interpretation von Bellini-Opern so wichtig ist, und was sie aus den Rezitativen, den scheinbar unbedeutendsten Textstellen macht, das ist ebenso singulär wie die Schattierungsmöglichkeiten ihrer Ausnahmestimme: die Zärtlichkeit und Güte, mit der sie Adalgisa zunächst begegnet, die Nostalgie, die sie überkommt, wenn sie sich an den Beginn ihrer Verbindung mit Pollione erinnert, die Anspannung in der ersten Szene des zweiten Aufzugs, als sie die gemeinsamen Kinder töten will, es aber nicht fertig bringt, die Beharrlichkeit, mit der sie ihren Vater anfleht, nach ihrem Tod für die Waisen zu sorgen. Gerade auch im Vergleich mit ihren Kollegen wird deutlich, dass sie vokal wie interpretatorisch in einer ganz anderen Liga spielt.

Elena Nicolai weiß von solchen Feinheiten wenig, dafür aber viel über endlos gehaltene Töne und einen furchteinflössenden, effektvollen Einsatz der Bruststimme - das Material beeindruckt nicht wenig, aber ihre Adalgisa ist eher eine Amneris oder Azucena. Viel Autorität und Würde strahlt Boris Christoff mit seinem schwarzen Prachtbass als Oroveso aus (umso bedauerlicher, dass das Rezitativ vor der berühmten Arie gestrichen wurde!), Raimondo Botteghelli ist mit angenehmer Tenorstimme ein engagierter Flavio, während man sich an Bruna Ronchinis Clotilde schon kurz nach ihren letzten Tönen nicht mehr recht erinnert. Keine schlechte Arbeit leisten schließlich die Kollektive, auch wenn die von Antonino Votto vorgegebenen majestätisch langsamen, mitunter aber auch einfach nur unglaublich lethargischen, ja phlegmatischen Tempi die Dramatik des Bühnengeschehens behindern.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)
Cover

Luigi Cherubini
Medea

Medea - Maria Callas
Giasone - Carlos Guichandut
Neris - Fedora Barbieri
Glauce - Gabriella Tucci
Creonte - Mario Petri
Capo delle guardie - Mario Frosini
Prima ancella - Liliana Poli
Seconda ancella - Maria Andreassi
Orchestra e Coro del
Maggio Musicale Fiorentino

Dirigent: Vittorio Gui

Aufnahme: 7. Mai 1953 (live),
Maggio Musicale Fiorentino




Cover

Vincenzo Bellini
Norma

Norma - Maria Callas
Pollione - Franco Corelli
Oroveso - Boris Christoff
Adalgisa - Elena Nicolai
Clotilde - Bruna Ronchini
Flavio - Raimondo Botteghelli
Orchestra e Coro del
Teatro Verdi di Trieste

Dirigent: Antonino Votto

Aufnahme: 19. November 1953 (live),
Trieste

DYNAMIC IDIS 6394/95 (2 CDs) und IDIS 6390/91 (2CDs)



Da capo al Fine
Zur OMM-Homepage Musiktheater-CDs-Startseite E-Mail Impressum
© 2003 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: cds@omm.de
- Fine -