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Angela Gheorghiu:
Live From Covent Garden


Starkult

Von Thomas Tillmann


Das Royal Opera House, Covent Garden, spielt für den Werdegang von Angela Gheorghiu eine besondere Rolle: Hier begann im Februar 1994 unter der Protektion von Sir Georg Solti ihre Weltkarriere, die sie nun im Verein mit ihrem Gatten Roberto Alagna - Spötter sprechen natürlich nur noch vom "Ehepaar Rolex" - in die wichtigsten Opern- und Konzerthäuser der Welt, aber auch in die Film- und ganz besonders häufig in die Aufnahmestudios führt. Am Abend des 8. Juni des vergangenen Jahres nun kehrte sie für ein Konzert an die Stätte des früheren Triumphs zurück, das nicht nur durch die gleichermaßen kluge wie abwechslungsreiche Zusammenstellung überzeugt, sondern auch durch die meisten Interpretationen; ob dieser Auftritt indes so bedeutend und epochal war, dass gleich ein Mitschnitt in Hochglanzaufmachung unters zahlende Volk gebracht werden musste, wagt der Rezensent dann doch zu bezweifeln.

Puristen etwa könnten sich an ihrem etwas altmodischen Händel- und Mozartstil stören, der, so gibt selbst der zum Hymnischen neigende Booklet-Autor George Hall zu, "diametral den gängigen Attitüden der historischen Aufführungspraxis gegenüber(steht), die auf kleinere Stimmen und ein nicht so leidenschaftliches Engagement bei der Textgestaltung und Linienführung setzt"; ich selber mochte allerdings den mädchenhaft-schlichten, nie anonym-geschlechtslosen Ton, mit dem sie Almirenas Arie "Lascia ch'io pianga" aus Rinaldo sang, und die sanfte, anrührende Melancholie, die neben der vollendeten Atemkontrolle, den exemplarischen Legatobögen und den nicht nur aus Dekorationszwecken eingesetzten Pianissimi ihr "Porgi amor" auszeichnete.

Massenets Manon hat die Künstlerin bereits in einer Gesamtaufnahme interpretiert - hier ist das Werk mit einer tief empfundenen, die Nervosität und Zerrissenheit der Titelfigur beeindruckend nachzeichnenden Wiedergabe des "Adieu, notre petite table" vertreten. Louises "Depuis le jour" hingegen profitiert in erster Linie von den wunderbar schwebenden, aber nie dünnen Piani und der Präsenz der Stimme in der hohen Lage, die für diese Partie aber auch wirklich nicht kleiner sein darf. In dieser Szene gefiel mir auch das wunderbar duftig und atmosphärisch musizierende Orchester der Londoner Oper am besten, das unter der in Sängerbegleitung erfahrenen Leitung des ebenfalls aus Rumänien stammenden Ion Marin insgesamt allerdings sehr zurückgenommen und wie gedämpft klingt - vielleicht hat die Technik da beim Abmischen doch etwas zu viel des Guten getan.

Sensibel und tonschön gestaltet die Sopranistin Liùs Abschied, sehr vorsichtig und betont lyrisch nähert sie sich Butterflys "Un bel dì vedremo", wohlwissend, dass diese Partie gefährlich ist und man sich gerade am Ende dieser Arie "verschreien" kann. Spätestens hier wird deutlich, wie vorsichtig Angela Gheorghiu sich grundsätzlich den gewählten Ausschnitten nähert und Fortestellen mit großer Raffinesse zu umgehen versucht. Für den Auftritt der Adriana Lecouvreur fehlt es der Rumänin bislang noch an Charisma und echten Divaqualitäten, da reicht die Konzentration auf das Produzieren schöner Töne nicht. Auch mit der Norma wird sich die Künstlerin wohl hoffentlich noch eine ganze Weile Zeit lassen: "Casta diva", das ohne die Choreinsätze ziemlich fremd klingt, kann man zwar mit einer leichteren Stimme singen - und für die liegt es eigentlich auch gar nicht so unbequem -, aber danach geht es ja bekanntlich erst richtig los, und an den Koloraturen gibt es auch noch einiges zu feilen.

Genau richtig liegt die Sängerin dann wieder mit Laurettas "O mio babbino caro", mit dem sie den Zugabenteil einläutet, in dem ihre stimmungsvolle Wiedergabe eines Ausschnitts aus Tiberiu Brediceanus folkloristischer Oper La seceris mich mehr beeindruckte als das allzu brav, unterkühlt und zu wenig idiomatisch angegangene "I Could Have Danced All Night" aus My Fair Lady.

Schwerer bekömmlich als die mit 51 Minuten nicht gerade üppig bespielte, aber wirklich gut hörbare CD dieser zweifellos begabten, aber von "Primadonna assoluta"-Rängen wahrlich noch weit entfernten lyrischen Sopranistin ist der einleitende Text des bereits zitierten George Hall, der vor Superlativen und Hyperbolen geradezu trieft und einem doch wohl suggerieren soll, dass man hier eigentlich nicht einem Konzert lauscht, sondern den Verlautbarungen wenn nicht einer veritablen Göttin, dann doch derjenigen Frau, die uns mit einer Reihe von "Live-Darbietungen" und Aufnahmen beglückt hat, "die ihr den höchsten Platz im modernen Pantheon der Sopranistinnen einbrachte", die das Singen zu einer schier unglaublichen Vollendung geführt hat ("Es fällt schwer, eine andere Opernsängerin unserer Zeit zu finden, die diese so wichtigen vokalen Fertigkeiten - gemeint sind Legato, Portamento und Atemkontrolle, T. T. - überzeugender und vollendeter beherrschte als Angela Gheorghiu."), "deren außergewöhnlicher Tonumfang mit nicht minder beeindruckenden Interpretationsfähigkeiten einhergeht", und ohne die die Oper in unserer Zeit eigentlich gar nicht mehr existieren kann ("Wer das italienische Repertoire des frühen 20. Jahrhunderts mag, der kann nur dankbar dafür sein, daß Angela Gheorghiu dieser Musik auch weiterhin die Treue hält.") - "man muß sich schon fragen, wo, wenn nicht bei Angela Gheorghiu, man heute diesen Reichtum stimmlicher Farben finden wollte". Und falls sich doch der eine oder andere kritische Einwand regen sollte: "Wie bei allen Künstlern, die eine große persönliche Vision realisieren, werden einzelne Elemente der Interpretation den einen oder anderen Hörer nicht immer überzeugen; doch im besten Falle wird man förmlich an jedem Ton hängen, den Angela Gheorghiu singt." Wünschen wir es denjenigen, die den nicht gerade geringen Preis für dieses Produkt zahlen möchten!


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Cover

Angela Gheorghiu
Live From Covent Garden


Arien aus Rinaldo, Le nozze di Figaro, Manon, Louise, Turandot, Madama Butterfly, Adriana Lecouvreur, Norma, Gianni Schicchi, La seceris & My Fair Lady

Orchestra of the Royal Opera House, Covent Garden
Dirigent: Ion Marin

Aufnahme:
London, Royal Opera House, 8. Juni 2001
(in Zusammenarbeit mit BBC)

EMI Classics 7243 5 57264 2 1









Da capo al Fine

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