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Jean-Philippe Rameau
Les Surprises de l'Amour


Überraschung aus der Mottenkiste

Von Susanne Westerholt

Er gilt in der Musikgeschichte als der Spätzünder schlechthin: Mit einem holprigen Lebenslauf im Gepäck, mit dem er heutzutage wohl nicht mal mehr auf eine Festanstellung hoffen dürfte, begann Jean-Philippe Rameau im „zarten“ Alter von 50 Jahren in Paris seine Karriere als Opernkomponist.

Wenig ist aus der ersten Lebenshälfte von Rameau bekannt: er stammte aus Dijon, aus einer Musikerfamilie; sein Vater war Organist. Rameau selbst führte ein unstetes Leben, war auf Wanderschaft, mal hier mal da. Fest steht lediglich, dass sich in seinem Leben von Anfang an alles um Musik gedreht und er recht früh erste Werke für Cembalo geschrieben hat. Noch mehr als das Komponieren faszinierte ihn aber die Musiktheorie. Für seine im Jahr 1722 respektive 1726 in Paris erschienenen musiktheoretischen Schriften zur Harmonielehre „Traité de l'harmonie“ und „Nouveau système de musique théorique“ bekam er viel Anerkennung und galt von da an in der musikalischen Welt als eine Kapazität. Nebenbei sei erwähnt, dass die Frage, ob nun letztlich Johann Sebastian Bach oder Jean-Phillipe Rameau die Grundlage der Harmonielehre geschaffen hat noch heute zu roten Köpfen führt…

Als Komponist etablierte sich Rameau erst im Alter von 50 Jahren, als er sich nämlich gänzlich der Gattung der Oper verschrieb. Von da an ging es steil bergauf mit der Komponistenkarriere: Ab den 1740er Jahren war er offizieller Hofmusiker am Hof von Louis XV. und bekam von da an verschiedene Aufträge vom Hof. Für Rameau öffnete sich damit eine ganz eigene Welt: die höfische Gesellschaft des Ancien Régime war geprägt von subtilen Gesten, von Verhalten, von Ritualen, die zu deuten waren. Sie waren ein wichtiger Indikator für den sozialen Rang und Status eines Höflings. Die Künste hatten in erster Linie der Selbstdarstellung und Machtdemonstration des Königs zu dienen, zum Beispiel durch das Zelebrieren von politischen Erfolgen. Dadurch war die Kunst sehr nahe an der politischen Machtzentrale positioniert und stand entsprechend in politischer Aufmerksamkeit. Legendär ist der Auftritt von Louis XIV. im Alter von 15 Jahren, der im Ballet de la Nuit die Sonne tanzte. Louis hinterließ dabei einen solchen Eindruck, dass er nach der Thronbesteigung den Übernamen "Sonnenkönig" bekam.

Rameaus neuartige Musik passte in diesen gesellschaftlichen Rahmen wie die Faust aufs Auge. Er war sich dessen bewusst und suchte deshalb einen Kompromiss, indem er seine neuartige, komplexe Harmonik in hergebrachte Formen und Zusammenhänge stellte. Ein gefundenes Fressen am Hof: Den einen ging er damit zu weit, den anderen zu wenig weit; er konnte es niemanden recht machen. Hinzu kam, dass Rameau auch äußerlich eine dankbare Zielscheibe am Hof abgab, denn obwohl in späteren Jahren zu Geld gekommen, hielt er nicht viel auf sein Äußeres und lebte ein sehr bescheidenes Leben.

Trotz dieser Widerstände setzten sich Rameaus Opern mit ihren für damalige Ohren ungewöhnlichen und gewagten Harmonien durch, die einen mit mehr, die anderen mit etwas weniger Erfolg. Les Surprises de l'Amour gilt als ein solches – freundlich gesagt – noch zu entdeckendes Werk: die Ballettoper wurde von Madame de Pompadour in Auftrag gegeben zur Feier des Friedens von Aix-la-Chapelle. Sie trat darin übrigens selbst als Sängerin auf. Das Libretto stammt von Pierre-Joseph Gentil-Bernard und orientiert sich an der griechischen Mythologie. Das Werk wurde 1748 in Versailles uraufgeführt, allerdings ohne großen Erfolg. Rameau überarbeitete es deshalb gründlich. Aufgeführt wurde die überarbeitete Fassung allerdings erst im Jahr 1757.

Auf Neudeutsch gesagt war Les Surprises de l'Amour also nicht gerade der „Burner“. Das Orchester „Les Nouveaux Caractères“ unter der Leitung des noch jungen Sébastien d'Hérin hat sich diesem Werk nun angenommen und präsentiert es in der überarbeiteten Fassung von 1757, es handelt sich dabei um die erste Gesamteinspielung der Ballettoper auf CD überhaupt. Mit viel Elan und gutem Timing führen Orchester und Sänger durch die drei Akte. Man hört es der Interpretation an, dass diese Musiker allesamt ambitioniert sind. Sänger wie Instrumentalisten sind sehr gut aufeinander abgestimmt. Besonders die verschiedenen Tänze sind rhythmisch exakt und sehr charakteristisch gespielt, allen voran die Gavotte im ersten Akt. Sébastien d'Hérin verliert nie den Überblick und zaubert eine kompakte und in sich kohärente Interpretation hervor, die der Komposition wohl mehr als gerecht wird. Chapeau!


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Cover

Jean-Philippe Rameau
Les Surprises de l'Amour

Ballettoper in drei Akten

Virginie Pochon: Sopran
Caroline Mutel: Sopran
Amel Brahim-Djeloul: Sopran
Karine Deshayes: Mezzosopran
Anders Dahlin: Tenor
Pierre-Yves Pruvot: Bariton
Jean-Sébastien Bou: Bariton

Les Nouveaux Caractères
Sébastien d'Hérin


Glossa 2948724
3 CDs, Gesamtspielzeit 2:31:28
Aufgenommen in Villeurbanne, Frankreich,
vom 8.-14. März 2013

Weitere Informationen unter:
glossamusic.com



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