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Felix Mendelssohn Bartholdy
Der Onkel aus Boston


Undramatische Ausgrabung


Von Stefan Schmöe

Im Alter von 13 bis 14 Jahren schrieb Felix Mendelssohn die dreiaktige Oper Die beiden Neffen (das Libretto trägt den Titel Der Onkel aus Boston) als „Übungsaufgabe“ im Rahmen des Kompositionsunterrichts bei Carl Friedrich Zelter. Verblüffend ist, mit welcher Souveränität der Heranwachsende die formalen Probleme löst und wie farbenreich er das Orchester einsetzt. Dass die Oper in Vergessenheit geraten ist, liegt an der insgesamt sehr konventionellen Anlage, woran das erschreckend naive Libretto von Johann Ludwig Casper, dass nicht nur eine an Harmlosigkeit wohl nicht zu überbietende Handlung aufweist, sondern auch noch bis in die Sprache hinein schematisch und unfreiwillig parodistisch gestaltet ist, gehörigen Anteil hat. Immerhin hat Mendelssohn trotz aller Hindernisse eine hübsche, zuweilen stürmerische Musik dazu geschrieben, auch wenn sie im Theateralltag wenig lebenstauglich sein dürfte.

Die vorliegende Aufnahme unter der Leitung von Helmuth Rilling ist allerdings auch kaum geeignet, den Nachweis für Theatertauglichkeit zu führen. Sorgfältig im Detail, aber recht unflexibel und statisch dirigiert Rilling, als habe er ein Oratorium vor sich. Zweifellos klingt vieles sehr schön, aber es fehlt der dramatische Antrieb. Bezeichnend ist die übertrieben deutliche Aussprache der Sänger, die zwar zu exzellenter Textverständlichkeit führt, aber jeder Natürlichkeit einer Bühnensituation widerspricht. Aber auch das (gute) Bach-Collegium Stuttgart ist zu sehr einem akkuraten Schönklang verpflichtet als einer theatralisch glaubwürdigen Entwicklung. Und trotz aller Singspielatmosphäre ist die Sängerbesetzung zu leichtgewichtig ausgewählt. Die jugendlichen Stimmen stoßen durchweg in der hohen Lage an ihre Grenzen, aber es fehlt auch hier durchweg an der Lebendigkeit, die eine komische Oper eigentlich besitzen sollte.

Die Komposition besteht ausschließlich aus Arien und Ensembles; Rezitative (soweit sie nicht eine Arie einleiten) fehlen dagegen vollständig. In diesem Live-Mitschnitt von zwei Konzerten aus der Philharmonie Essen fehlen aber auch jegliche verbindenden Dialoge, sodass sich ohne Hilfe durch das Booklet die Handlung nicht erschließt. Dafür bekommt manimmer wieder Zwischenapplaus nach einzelnen Nummern eingespielt, was beim Hören recht störend ist. Alles in allem bleibt von dem an sich ehrwürdigen Unterfangen, den Onkel aus Boston einem breiteren Publikum per CD vorzustellen, wenig übrig, was die Anschaffung dieser Doppel-CD lohnend machen würde.

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Felix Mendelssohn Bartholdy:
Der Onkel aus Boston
Komische Oper in drei Akten
Libretto von Johann Ludwig Caspar


Kate Royal - Fanny
Carsten Süß - Carl
Julia Bauer - Lisette
Lothar Odinius - Theodor
Bernd Valentin - Tauber
István Kovács - Baron von Felsig
Andreas Daum - von Burg
Alexandra Goulan - 1. Landmädchen
Brigitte Bayer - 2. Landmädchen
Amarillis Bilbeny - 3. Landmädchen

Gächinger Kantorei Stuttgart
Bach-Collegium Stuttgart

Dirigent: Helmuth Rilling

Hänssler Classic CD 98.221


Weitere Informationen
www.haenssler-classic.de






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