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Oper & Musiktheater
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Späte Ehrung einer tragischen Figur der Musikgeschichte

Siegfried Wagner ist letztlich eine tragische Figur der Musikgeschichte: Zwar hat er in jener inzwischen wieder durchaus populären Epoche zwischen Spätromantik, Jugendstil und Moderne durchaus eigenes geschaffen (immerhin 18 Opern, also mehr als der große Richard!), aber anders als seine Zeit- (und Leidens-)Genossen Alexander von Zemlinsky, Erich Wolfgang Korngold, Franz Schreker und Franz Schmidt musste er nicht nur als Musiker den übermächtigen Schatten Richard Wagners ertragen, sondern auch als Sohn, der sich als Dirigent und Festspielleiter in Bayreuth für das Oeuvre des Vaters einzusetzen hatte. Nach Gesamtaufnahmen von Der Bärenhäuter, Schwarzschwanenreich und Banadietrich schließt die Firma Marco Polo nun mit der Erstaufnahme von Sternengebot eine weitere Repertoirelücke.

Das am 21. Januar 1908 in Hamburg uraufgeführte Werk (weitere szenische Aufführungen in Prag, Wien, Hannover, Weimar, Karlsruhe, Köln und Stuttgart folgten bis 1944, während es danach nur noch konzertante in Wiesbaden und eben in Weikersheim gab) spielt im frühen Mittelalter in der deutschen Königsstadt Fritzlar und thematisiert den Konflikt zwischen dem pflichtgetreuen Befolgen einer schicksalhaften Vorhersehung (daher der Titel) und dem Hören auf die eigenen, anderen Gesetzen folgenden Gefühle. Peter P. Pachl spürt in seinen kenntnisreichen Anmerkungen im Booklet auch autobiographisch-allegorische sowie symbolistische Züge auf, die man bei genauer Lektüre des mitunter reichlich merkwürdigen Librettos zwar nachvollziehen kann, die aber auch nicht von dem Umstand ablenken können, dass beim Hören der gut 136 Minuten langen Oper der Funke nicht wirklich überspringt, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass es an melodischen Einfällen mangelt, die im Gedächtnis haften bleiben.

Erstaunt ist man dagegen über die reife, konzentrierte Leistung des Bayerischen Landesjugendorchesters unter Werner Andreas Alberts kompetenter Leitung. Der mit den Werken des frühen 20. Jahrhunderts vertraute Dirigent, der auch Präsident der Internationalen Siegfried-Wagner-Gesellschaft ist, arbeitet die Schönheiten der atmosphärischen Partitur engagiert heraus (etwa im Vorspiel, das sehr romantisch daherkommt und nicht verleugnen kann, dass der Sohn Papas Tristan und Meistersinger sehr gut kannte, im Herzensgebot überschriebenen Vorspiel zum zweiten Akt, das Lohengrin-Flair atmet, oder auch im volksliedhaften Reigen der Hochzeitsgäste, der an Siegfrieds Lehrer Humperdinck erinnert), weiß an den richtigen Stellen anzuziehen, die verschiedenen Stimmungen glänzend einzufangen und den Sängern zuzuarbeiten, mit denen man freilich nicht durchweg glücklich wird. Natürlich muss man berücksichtigen, dass für dieses Projekt nur wenig Geld und eine sehr kurze Aufnahmezeit zur Verfügung standen, aber eine etwas sorgfältigere Auswahl der Mitwirkenden kann man wohl doch erwarten, ebenso wie ein Bemühen um korrekte, sinnstiftende Aussprache des deutschen Textes.

Ksenija Lukics wenig ausgeglichener Sopran verfügt zwar über eine resonante Mittellage und Tiefe, aber die Höhe klingt reichlich eng und scharf und vor allem alles andere als mädchenhaft, was einer Partie in der Tradition einer Meistersinger-Eva oder Tannhäuser-Elisabeth doch gut ansteht. Volker Horn ist immer dann überzeugend, wenn sein jugendlicher Heldentenor nicht über die angenehm dunkel timbrierte Mittellage hinaus muss. Höhere Töne, besonders solche im forte, werden nur mit hörbarem Druck erreicht und klingen entsprechend rau, glanzarm und unruhig, aber die exemplarische Textverständlichkeit entschädigt für manches. Eine gewisse Rollenidentifikation ist auch Adam Kruzel mit seinem gewichtigen Bass nicht abzusprechen, während Karl-Heinz Kinzels besonders in der Höhe ausgezehrt-matter, nur in der bassig-düsteren Tiefe akzeptabler, wenig flexibler Bariton, den man auch noch in zwei Partien anhören muss (die er beide gleich langweilig gestaltet), eine Pein ist. Dem präzis deklamierenden, eloquenten und angemessen düster-gefährliche Farben einbringenden André Wenhold gelingt es, der ein bisschen zwischen Alberich und Kaspar angesiedelten Partie des Intriganten Kurzbold einiges Profil zu geben. Brenda Roberts, die immerhin an der Met die Färberin, an der Scala Ortrud, in Wien Salome und in Bayreuth die Siegfried-Brünnhilde gesungen und mit Dirigenten wie Leinsdorf, Abbado, Stein, Klobucar und Janowski gearbeitet hat, bringt ihre ganze Erfahrung im hochdramatischen Fach in das Portrait der beiden ihr anvertrauten Rollen ein, auch der charaktervoll-reife Ton ist hier richtig. Von Barbara Sailer, die mit viel persönlicher Farbe Julias Magd gibt, und Katharina Fuhrmann, die der Erda-nahen Seherin ihre interessant timbrierte Altstimme leiht, hätte man gern mehr gehört, während über die Leistungen der übrigen Herren lieber der Mantel des Schweigens gehüllt wird. Einen guten Eindruck hinterlässt die von Kurt Suttner offenbar gründlich vorbereitete, frisch und textverständlich musizierende Bayerische Singakademie.

Anzumerken bleibt, dass dieser im März diesen Jahres veröffentlichten CD ein wenig mehr editorische Sorgfalt nicht geschadet hätte: Die Ausblendung am Ende der ersten CD hätte man leicht umgehen können, wenn man nach Hiltruds letztem Satz vor dem Zwischenspiel die Pause gesetzt hätte, es irritieren die Abweichungen zwischen gesungenem und abgedruckten Text (nur auf Deutsch, was doch problematisch ist angesichts des manierierten Sprachduktus, während die Besetzungsliste nur auf Englisch und nicht fehlerfrei vorliegt und man wegen der korrekten deutschen Rollennamen im Opernhandbuch von Heinz Wagner nachschlagen muss). Auch hätte man sich über ein paar Angaben zu den ja nicht durchgängig bekannten Sängern gefreut.


Von Thomas Tillmann





Cover

Siegfried Wagner:
Sternengebot
Oper in einem Vorspiel und drei Akten
Text und Musik von Siegfried Wagner
Textüberarbeitung: Peter P. Pachl

Konrad der Salier:
Adam Kruzel (Bass)

Hiltrud, seine Gemahlin:
Brenda Roberts (Mezzosopran)

Agnes, ihre Tochter:
Ksenija Lukic (Sopran)

Helferich von Lahngau:
Volker Horn (Tenor)

Adalbert von Babenberg:
Karl-Heinz Kinzel (Bariton)

Herbert, Ratgeber des Herzogs Konrad:
Karl-Heinz Kinzel (Bariton)

Julia, seine Gemahlin:
Brenda Roberts (Sopran)

Der Kurzbold:
André Wenhold (Bassbariton)

Bertha, Julias Magd:
Barbara Sailer (Sopran)

Christoph, Konrads Diener:
Robert Tamas (Bass)

Stimme einer Seherin:
Katharina Fuhrmann (Alt)

Der junge Heinz (Heinrich von Kalw):
Michael Suttner (Tenor)

Bayerische Singakademie
Leitung: Kurt Suttner

Bayerisches Landesjugendorchester

Dirigent: Werner Andreas Albert


Aufnahme: Stadthalle Weikersheim,
4. bis 6. Juni 1999
(Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk)

Marcopolo 8.225150-51





Da capo al Fine

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