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Louis Spohr
Der Alchymist


Wertvolle Ausgrabung

Von Thomas Molke

Am Staatstheater Braunschweig ist es seit mehreren Jahren Usus, jedes Jahr eine vergessene Oper auszugraben und auf der Bühne zu präsentieren. In der Spielzeit 2008/2009 fiel diese Wahl auf ein Werk des in Braunschweig geborenen Komponisten, Dirigenten und Violinvirtuosen Louis Spohr, welches zum letzten Mal 1838 in Prag aufgeführt worden war, bevor es endgültig in der Versenkung verschwand: Der Alchymist. Anlässlich des 225. Geburts- und 150. Todesjahrs des Komponisten beschloss man, diesem zu Unrecht vernachlässigten Bindeglied zwischen Mozart und Weber zu neuem Ruhm zu verhelfen. Und um dieses vergessene Werk auch von den Operninteressierten wiederentdecken zu lassen,  die für eine Aufführung nicht nach Braunschweig gereist sind, hat man nun bei OEHMS Classics einen Mitschnitt der Premiere vom 24.05.2009 auf insgesamt drei CDs herausgebracht. Erwähnenswert ist, dass es sich hierbei um die erste Aufnahme dieser Oper auf einem Tonträger handelt.

Die Titelfigur der Oper, der Alchymist Don Felix de Vasquez, der auf der Suche nach dem Stein des Weisen ist, zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er während der ganzen Oper überhaupt nicht mitbekommt, was um ihn herum passiert. Seine Tochter Inez wird von dem intriganten Don Ramiro de Loxa umworben, der, weil Inez ihn partout nicht erhören will, das Mädchen entführt und den Vater der Inquisition überantwortet. Dabei gelingt es ihm auch zunächst, seinen Rivalen um die Gunst der schönen Inez, Don Alonzo de Castros, auszuschalten. Doch Ramiro hat die Rechnung ohne seine verschmähte frühere Geliebte Paola gemacht, die seine Pläne durchkreuzt, indem sie Inez zur Flucht verhilft. Der zurückkehrende Alonzo besiegt Ramiro im Zweikampf und rettet Inez' Vater vor der Inquisition. Erst jetzt schwört Don Felix de Vasquez seinen Forschungen ab und will nur noch an der Seite seiner Tochter und seines künftigen Schwiegersohns ein glückliches Leben führen.

Bei diesem verworrenen Libretto wundert es nicht, dass Spohrs Versuche, dieses Werk nach der Uraufführung in Kassel auch in Berlin aufführen zu lassen, nicht von Erfolg gekrönt waren. Dabei hat die Musik sehr viel versprechende Momente. Erwähnenswert ist vor allem die Ouvertüre, die stark an Webers neun Jahre älteren Freischütz erinnert. Auch ist die Partie der Paola sehr virtuos auskomponiert und stellt besonders im zweiten Akt sehr große Anforderungen an die Sopranistin. Die Titelfigur, die relativ wenig zu singen hat, darf zumindest im dritten Akt in einer Vision im Kerker bereits den späteren Tristan-Akkord Wagners anklingen lassen. Von diesen wenigen Höhepunkten abgesehen, wird man dennoch den Eindruck nicht los, dass das Werk auch in musikalischer Hinsicht nicht zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Zu hölzern und langatmig sind beispielsweise die Rezitative und die gesprochenen Zwischentexte.

Das musikalische Niveau dieses Live-Mitschnitts ist als sehr hoch zu bewerten. Dem Staatsorchester Braunschweig gelingt es unter Christian Fröhlich, die romantische Musik Spohrs mit viel Herzblut zum Klingen zu bringen. Bernd Weikl zeichnet mit seinem weichen Bariton ein sehr menschliches Porträt eines alternden Alchemisten, der zunächst nur auf seine Forschungen fixiert ist und dabei gar nicht bemerkt, wie die Welt um ihn herum aus den Fugen gerät. Besonders eindrucksvoll gelingt ihm seine Vision zu Beginn des dritten Aktes, wenn ihm bewusst wird, dass er wahrscheinlich der Inquisition zum Opfer fallen wird. Jan Zinkler schlägt als Bösewicht Ramiro mit profunder Tiefe Angst einflößende Töne an, während Jörg Dürmüller als verliebter Don Alonzo mit lyrischem Tenor auch stimmlich sehr deutlich macht, wieso Inez sich für ihn entscheidet. Moran Abouloff zeichnet mit mädchenhaftem Sopran eine sehr naive Inez, die ohne fremde Hilfe ihre Ziele keineswegs erreichen könnte und somit bei Alonzo durchaus in den richtigen Händen ist. Höhepunkt der Aufnahme ist die Sopranistin Susanna Pütters, die als Paola mit sehr virtuos geführter Stimme und enormer vokaler Potenz die eigentliche Drahtzieherin des Stückes ist.

Störende Nebengeräusche sind dem Live-Mitschnitt kaum zu entnehmen. So wird auch der Applaus bei einzelnen Szenen und am Ende der Akte größtenteils ausgeblendet. Die zahlreichen Bilder im CD-Booklet geben zwar einen Eindruck von den Kostümen, lassen aber auch bedauern, dass es keinen DVD-Mitschnitt von dieser Produktion gibt. So könnte vielleicht die Frage geklärt werden, wieso der Inquisitor von einer Frau gespielt wird.

FAZIT

Für die Liebhaber unbekannter Opern ist diese Aufnahme sehr empfehlenswert, weil sie einen Komponisten wieder ins Bewusstsein zurückholt, der zwischen Mozart, Weber und Wagner zu Unrecht ein Schattendasein führt.


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Louis Spohr
Der Alchymist

Romantische Oper in drei Aufzügen
Nach einer Novelle von Washington Irving

World Premiere Recording

Don Felix de Vasquez (Alchymist) - Bernd Weikl
Inez (seine Tochter) - Moran Abouloff
Don Alonzo de Castros - Jörg Dürmüller
Don Ramiro de Loxa - Jan Zinkler
Paola - Susanna Pütters
Lopez - Mike Garling
Inquisitor - Linda Foerster
Zigeuner - Romuald Jasinski
Zigeuner - Stantcho Velitchkov


Chor des Staatstheaters Braunschweig
Choreinstudierung: Georg Menskes / Johanna Motter

Staatsorchester Braunschweig
Leitung: Christian Fröhlich


OEHMS Classics OC 923
3 CDs, Gesamtspielzeit 2 h 11'
Aufnahme: Live-Produktion aus dem Staatstheater Braunschweig, 24. Mai 2009

Weitere Informationen unter:
www.oehmsclassics.de



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