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Maria Callas
Living and Dying for Art and Love


Klischees und Spekulationen

Von Thomas Tillmann

Eigentlich ahnt man bereits beim Lesen des Untertitels dieser neu erschienenen DVD ("Leben und sterben für die Liebe und die Musik" heißt es auf Deutsch, Filmsprache ist wie bei einem Originalbeitrag von BBC Wales nicht anders zu erwarten natürlich englisch), was kommen wird: Die altbekannten Klischees und Spekulationen, die Biografen über La Divina wieder und wieder breit treten, hier vertreten durch den besonders am Vordergründigen und sehr Privaten interessierten Nicholas Gage. "Und wenn Tosca Scarpia ersticht, nimmt dann vielleicht auch Maria Callas Rache an ihrem treulosen Geliebten, dessen Kind sie heimlich zur Welt gebracht hatte?" werden Käufer und Rezensent auf der Hülle dieses gerade einmal 71 Minuten langen Produkts gefragt, das in weiten Teilen eine inhaltliche Einführung in die Puccini-Oper darstellt und uns glauben machen will, man erfahre mehr über Leben und Kunst der Jahrhundertsopranistin, wenn man das Schicksal der benannten Bühnenfigur mit der Biografie der Interpretin vergleiche. Ansonsten sieht man die bekannten Filmausschnitte und gräßliche Animationsversuche der Fotos aus der berühmten Londoner Produktion des Jahres 1964, die garniert werden mit Kommentaren von Menschen, die mit der Callas gearbeitet haben oder gern hätten (wie Plácido Domingo, dem es nicht vergönnt war) oder sie bewundern: Da kommt noch einmal Tito Gobbi zu Wort, ihr kongenialer Partner in Tosca, Dame Judi Dench lobt die enormen schauspielerischen Fähigkeiten von Callas und bedauert wie wir alle, dass es nicht mehr Filmdokumente gibt, Grace Bumbry erinnert uns daran, dass es nicht leicht ist, nach den vorausgegangenen Ausbrüchen das zarte "Vissi d'arte" zu singen, dass die Kollegin sich peinlich genau an den notierten Willen der Komponisten hielt, deren Opern sie sich zuwandte (ja, ja, das geht eben doch!) und dass sie für all die, die nach ihr kamen, eine Inspiration war, John Copley geht es ähnlich wie dem Rezensenten, der sich auch häufig fragt, wie die eine oder andere Partie, die die Callas nicht gesungen hat, in ihrer Interpretation wohl geklungen hätte (etwa Donizettis Maria Stuarda oder Elisabetta im Roberto Devereux oder gar Strauss' Salome oder Elektra!).

Man freut sich auch über die Interview-Ausschnitte mit der Künstlerin selbst, auch über die Sekundenschnipsel aus der Pariser Norma, aber wirklich Neues erfährt man nicht, sieht man davon ab, dass man einen verdächtig schnellen Blick auf die Sterbeurkunde des an Atemschwierigkeiten leidenden Omero werfen darf, jenes angeblich heimlich zur Welt gebrachten Sohnes der Diva und des Millionärs, der den 30. März 1960 nicht überlebt hat. Noch unmöglicher ist die aufgeworfene Frage, ob Onassis den Tod seines Sohnes Alexanders leichter überwunden hätte, wenn es einen zweiten Stammhalter gegeben hätte. Und ich möchte auch nicht Franco Zeffirelli mit verschwörerischem Blick und raumgreifenden Gesten über die Häufigkeit des ehelichen Geschlechtsverkehrs im Hause Meneghini und über die sexuellen Bedürfnisse der angeblich doch so bewunderten Künstlerin und deren Erfüllung durch den griechischen Reeder spekulieren hören, ich muss nicht wissen, dass der Auftrittsapplaus für die Callas bei den letzten Toscas an der Met länger war als die Ovation für die den Zuschauerraum betretende Jackie Kennedy, ich muss nicht noch einmal merkwürdig berührt Zeuge des aufbrandenden Beifalls bei der Pariser Trauerfeier werden.

Einen versöhnlichen Ausklang bieten die Bonus-Tracks: Da gibt es das Finale des ersten Aktes mit einem aus merkwürdigen Perspektiven aufgenommenen Tito Gobbi in Farbe sowie Callas' "Vissi d'arte" und den Schluss des zweiten Aktes ohne lässliche Kommentare. Den Kauf dieser zweifelhaften DVD rechtfertigen sie freilich nicht, denn diese Ausschnitte bekommt man auch woanders.


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Cover

Maria Callas
Living and Dying for Art and Love

mit Grace Bumbry,
John Copley,
Judi Dench,
Plácido Domingo,
Nicholas Gage,
Tito Gobbi,
Antonio Pappano,
Alan Sievewright,
David Webster
und Franco Zeffirelli

Regie: Steve Cole

Bookletsprachen: Englisch/ Deutsch/ Französisch
Untertitel: Englisch/ Deutsch/ Französisch/ Spanisch/ Italienisch
Spieldauer: 71 Minuten
Tonformat: DD 5.1
DTS 5.1
LPCM Stereo

TDK DV-DOCMC (1 DVD)

Weitere Informationen unter:
www.tdk-music.com



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