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Musiktheater
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Aida
Oper in vier Akten
Musik von Giuseppe Verdi
Text von Antonio Ghislanzoni
In italienischer Sprache


Aida light

Von Thomas Tillmann


Einem dringenden Bedürfnisses des Marktes folgend, brachte die Firma Teldec nun eine Aida-Neueinspielung heraus - laut Karsten Steigers inzwischen unentbehrlichem Nachschlagewerk gibt es ja bisher nur 63 Aufnahmen der populären Oper. Na ja, Giuseppe Verdi muss geehrt werden zum 100. Todestag, und außerdem hat Nikolaus Harnoncourt das Werk ja schließlich noch nicht eingespielt (die Wiener Philharmoniker schon, unter Karajan und Matacic). Und wenn man dann noch eine Handvoll klangvoller, gut zu vermarktender Sänger vors Mikrophon stellt, steht mindestens dem kommerziellen Erfolg der Neuveröffentlichung nichts mehr im Wege, zumal mit einem "Special-Preis" geworben wird, der für die Verschwendung entschädigen mag, das Werk auf drei CDs anzubieten.

Die Fans jedenfalls werden jubeln, "ihren" Thomas Hampson nun endlich auch als Amonasro erleben zu können - um ihn durchgängig hören zu können, werden sie freilich den Lautstärkeregler ziemlich aufdrehen müssen, denn manche Passage wird beinahe geflüstert und mit auf Dauer doch ermüdender mezza voce dargeboten, was natürlich eine Wohltat ist nach dem nicht selten erlebten heldenbaritonalen Gebrüll mancher Kollegen, aber doch auch nicht das ist, was man von einem kriegerischen Äthiopierkönig erwartet, zumal das Portrait insgesamt auch sehr allgemein bleibt und durch wilde Konsonantenspuckerei kein bisschen aufgewertet wird.

Die ärgste Hypothek ist aber die Besetzung des völkerverbindenden Liebespaares. Mit Cristina Gallardo-Domâs scheint die Firma einiges vorzuhaben: Es kann kein Zufall sein, dass zur gleichen Zeit ein erstes Solorecital mit der Künstlerin auf den Markt kommt. Ohne Zweifel ist die Chilenin eine exotische, hochattraktiv-aparte Frau - eine Aida ist sie nicht, wie sie eigentlich auch schon keine Violetta war, auch wenn sie in der ganzen Welt in dieser Partie gefeiert wird (ich hörte sie vor gut einem Jahr damit in Paris und verstand den Jubel über diese kleine, wenig farbige Stimme schon damals nicht). Um den dramatischen Anforderungen dieser Rolle gerecht zu werden, meint sie die Mittellage künstlich verbreitern zu müssen, was zu einem nicht unerheblichen Vibrato und zu einem unangenehm ältlichen Klang führt, nicht aber zu einem größeren Farbenspektrum. Auch der nicht eben sparsame Einsatz der Bruststimme schon ab den tieferen Tönen der Mittellage, das Vorführen von unschönen Registerbrüchen und der Rückgriff auf außermusikalische Mittel lassen eher auf technische Probleme als auf darstellerisches Engagement schließen. Viele der brav ausgeführten, den Gestaltungswillen erahnen lassenden Effekte wie einige schöne, dann aber auch wieder hauchige und manieriert klingende Piani oder die vielen Portamenti bleiben dramatisch unspezifisch und der jeweiligen Situation nicht angemessen, wie man überhaupt eine gewisse Phrasierungseleganz vermisst, sich über manch unpassende Stelle fürs Atmen wundert (etwa vor dem B und C des berüchtigten Aufschwungs in der Nilarie und vor dem Schlusston derselben, das geht doch nicht!) und nach einer wirklich vielschichtigen, berührenden Interpretation vergeblich sucht. Sobald die Stimme über ein Mezzoforte hinaus gefordert ist, klingt sie unangenehm scharf, flackernd und strapaziert, was sich natürlich besonders in den kräftezehrenden Duetten zeigt. Eine Konkurrentin für Deccas hochdotierte Angela Gheorghiu oder Philips' auch nicht überragende Marina Mescheriakova ist Frau Gallardo-Domâs jedenfalls nicht.

Noch schlimmer kommt es bei Vincenzo La Scolas Radamès: Man hört eine besonders in der Höhe und bei Tuttistellen forcierte, grelle lyrische Tenorstimme von über weite Strecken farblos-heiserer Tongebung (man hat mitunter Angst, dass ihm eines der Bs im Halse stecken bleibt, und wir haben es hier mit einer Studioaufnahme zu tun!), die selbst im Piano und der mezzo voce schon dünn klingt, und mit einem die Toleranzgrenze wirklich überschreitenden wobble. Phrasenenden werden angestrengt abgebrochen anstatt sauber abgeschlossen zu werden, und statt eines packenden Rollenportraits hört man einen permanenten Kampf mit einer Partie, der der Sänger absolut nicht gewachsen ist. Am Ende scheinen hier wirklich zwei Menschen an Atemnot zu sterben ...

Den seriösesten Eindruck hinterlässt da noch Olga Borodina, die ich zwar auch nicht für einen dramatischen Mezzosopran halte, die aber mit der dunkel-herben Farbe ihres in der Tiefe ein wenig an Volumen verlierenden, in der sehr "russischen" Höhe etwas klirrenden Organs einiges wettmachen kann und vor allem in den cantabile-Stellen überzeugt. Mehr als Vordergründiges ist von ihr interpretatorisch indes auch nicht zu erwarten, obwohl sie die Amneris immerhin schon auf der Bühne gesungen hat und damit ihren Mitstreitern etwas voraus hat. Matti Salminen, dessen fürs italienische Fach reichlich "geraden" Bass man die Strapazen einer langen Karriere besonders in der nicht eben mühelos erreichten Höhe zweifellos anhört, tut mit einem etwas lieblos heruntergesungenen Ramfis eher etwas für seine Altersversorgung als für Verdi. Keinen schlechten Eindruck hinterlässt dagegen Lászlo Polgár als König (vielleicht hätten die beiden Fachkollegen tauschen sollen); Dorothea Röschmanns hübschen Sopran hört man in der kurzen Partie der Priesterin leider nur aus dem Off, was man sich angesichts der flackernden Vollhöhe bei Kurt Streits Boten wünschen würde. Ganz hervorragend disponiert ist der Arnold Schönberg Chor, der sich präzis an die Pianissimo-Vorgaben der Partitur hält und überhaupt sehr delikat und tonschön singt.

Nikolaus Harnoncourt wurde für seinen kammermusikalischen, aus dem Piano entwickelnden Zugang zur "Aida" bereits 1997 in Zürich gelobt. Gegen beides ist im Prinzip nichts zu sagen, nur ein Garant für eine spannende, mitreißende Opernaufnahme ist das selbstverständlich nicht. Ich muss sagen, dass ich die Einspielung erst mit der Partitur in der Hand wirklich genießen und die vielen sorgfältig herausgearbeiteten Details, die fast penible Einhaltung der dynamischen Vorgaben Verdis und die Transparenz in den blitzsauberen Ensembles besonders in den von den Wiener Philharmonikern exzellent und brillant musizierten orchestralen Passagen schätzen konnte (bei sich über vier Monate hinziehenden Aufnahmesitzungen erwarte ich das aber auch). Beim bloßen Zuhören empfand ich Harnoncourts Lesart doch streckenweise blutleer und spannungsarm, die mitunter arg zerdehnten Tempi und die über Gebühr ausgedehnten Pausen dem Fluss der Musik abträglich, und ich wurde auch den Verdacht nicht los, dass das Tempo ohne werkimmanente Begründung gerade an Stellen angezogen wurde, an denen es den Besitzern der lyrischen Stimmen sehr entgegenkam. Als musikalischer Leiter hätte der Vielgerühmte für eine angemessenere Besetzung sorgen müssen - hier geht's um späten Verdi und nicht um "Così fan tutte" oder "L'elisir d'amore", in denen die Mehrheit der Solisten sicher bessere Figur gemacht hätte.


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Giuseppe Verdi
Aida

Il Re - Lászlo Polgár
Amneris - Olga Borodina
Aida - Cristina Gallardo-Domâs
Radamès - Vincenzo La Scola
Amonasro - Thomas Hampson
Un messagero - Kurt Streit
Una sacerdotessa - Dorothea Röschmann

Arnold Schoenberg Chor
Choreinstudierung: Erwin Ortner

Wiener Philharmoniker

Dirigent: Nikolaus Harnoncourt

©2001 www.teldec.com
Aufnahme: Wien, Musikverein, Januar bis April 2001
Bestellnummer: 8573-85402-2 (3 CDs)



Da capo al Fine

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