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Weihnachten mit Hänsel und Gretel Alle Jahre wieder lässt sich das opernbegeisterte Publikum bereitwillig von Humperdincks Märchenoper Hänsel und Gretel verzaubern. Gleichermaßen beliebt bei Jung und Alt ist das Stück vom vorweihnachtlichen Opernspielplan kaum wegzudenken. Doch auch als reines Hörerlebnis ist die Oper durchaus empfehlenswert: Ob Hexenritt oder Engelspantomime - an der spätromantisch gefärbten Musik entzündet sich die Phantasie auch ohne Bühnenbild. Daher unternimmt das OMM den Versuch, einen Überblick über die im Handel erhältlichen CD-Einspielungen zu bekommen. Nun ist Humperdincks musikalisches Meisterwerk in ästhetischer Hinsicht nicht unproblematisch und stellt beträchtliche Anforderungen an den Dirigenten: Ursprünglich als Liederspiel mit Klavierbegleitung für den privaten Kreis gedacht, wurde es schließlich zur Märchenoper mit aufwendigem Orchesterapparat umgearbeitet. Um größere Brüche zu vermeiden und die volksliedhafte Einfachheit der Gesänge mit der fast wagnerschen Klangfülle der Instrumentalstücke in Einklang zu bringen, braucht es einiges musikalisches Fingerspitzengefühl. Ein wirklich großer Wurf gelingt Otmar Suitner mit seiner Einspielung von 1971. Ihre Stimmigkeit verdankt die Aufnahme vor allem dem zügigen Tempo, das bei aller mitreißenden Dramatik ein Abgleiten ins Pathetische verhindert. Vom ersten Takt an musiziert die Staatskapelle Dresden mit beschwingter Leichtigkeit - kontrastreich, intensiv und mit strahlendem Orchesterklang. Ohne sich in den Vordergrund zu spielen, schöpft das Orchester sein Potenzial voll aus. Bruchlos fügen sich die großen Instrumentalvorspiele und die schlichten Volksweisen zu einem harmonischen Ganzen. Musikalisch ebenfalls sehr überzeugend ist die Einspielung von Heinz Wallberg und dem Gürzenich-Orchester Köln von 1974. Wallberg geht es vor allem um emotionale Glaubwürdigkeit und ein möglichst authentisches Klangbild: Folgerichtig wurde die Partie des Hänsel mit einem Knaben besetzt. Weit mehr Hang zum Pathos zeigt Jeffrey Tate in seiner Aufnahme von 1990, die mit einer sängerischer Starbesetzung aufwarten kann.
Bereits die Ouvertüre gerät sehr breit und bombastisch und zelebriert eine wagnersche Abgründigkeit, die sich mit den zarten Tönen, die Barbara Bonney in den einfachen Volksliedern anschlägt, nur schlecht verträgt.
Vor allem den ersten Szenen fehlt es häufig an musikalischer Ausgewogenheit. Daran kann leider auch das Sängerensemble wenig ändern: Anne-Sofie von Otter bleibt als Hänsel anfangs unerwartet blass; Hanna Schwarz gestaltet die dramatischen Ausbrüche der Mutter zwar mit Bravour, bleibt den tieferliegenden, emotionalen Gehalt der lyrischen Stellen aber schuldig. Auch Andreas Schmidt besticht mit strahlender sängerischer Perfektion, bleibt aber in der Charakterisierung des Vaters etwas zu glatt.
Ein echter Pluspunkt der Aufnahme ist jedoch Marjana Lipovsek als Hexe, deren schauerlich- schöne Interpretation kaum zu übertreffen ist. Einen atmosphärisch sehr dichten Orchesterklang erreicht auch John Pritchard in seiner Einspielung mit dem Gürzenich Orchester von 1978, die mit Federica von Stade und Ileana Cotrubas als Hänsel und Gretel ausgesprochen stimmig besetzt ist. Allerdings wirkt die Aufnahme an einigen Stellen etwas zu detailverliebt, wodurch der musikalische Spannungsbogen mitunter gefährlich ins Wanken gerät. Die erste vollständige Einspielung der Oper überhaupt ist die historische Aufnahme von Herbert von Karajan aus dem Jahre 1953 mit Elisabeth Schwarzkopf und Elisabeth Grümmer in den Titelpartien. Allerdings erscheinen die breiten Tempi und die gewichtige Phrasierung aus heutiger Sicht eher problematisch - obgleich der gewaltige Orchesterklang den Zuhörer noch immer in seinen Bann zieht. Leider zielt die Aufnahme häufig zu sehr auf einzelne musikalische Effekte; nicht selten wird das anrührend Naive einer bis ins Letzte ausgereizten Operndramatik geopfert. Dennoch stimmt der Spannungsbogen bis zum Schluss. Schon wegen der großartig gestalteten Instrumentalvorspiele und der eindruckvollen Besetzung, ist die Aufnahme für jeden Karajanfan eine echte musikalische Fundgrube und besonders für Kenner und Sammler zu empfehlen. Wenig stimmig - trotz des phantastischen Orchesterklanges der Wiener Philharmoniker - ist die Aufnahme von Andre Cluytens von 1964, die in erster Linie an den zu langsamen Tempi krankt. Vieles gerät zu bedeutungsschwer und monumental, wodurch dem Stück jeglicher Schwung genommen wird. Selbst der Knusperwalzer wirkt zu pathetisch und hat mit kindlichem Freudentaumel nur wenig gemein. Schade auch, dass auch Irmgard Seefried und die stimmlich brillante Anneliese Rothenberger den kindlichen Tonfall nicht immer treffen. Dies zeigt sich vor allem im Abendsegen, der klanglich viel zu dick und erdenschwer erscheint, um den Zuhörer wirklich zu berühren. Auch bei der erst 1994 eingespielten Aufnahme von Donald Runnicles will der musikalische Funke nicht so einfach überspringen. Die wenig tiefgründig und viel zu akademisch gestaltete Ouvertüre klingt selbst für ein Märchen zu harmlos und bleibt bis zuletzt ohne Geheimnis. Auch den ausgelassenen Kindertänzen im ersten Bild mangelt es entschieden an musikalischem Temperament: keine Spur von kindlichem Ungestüm - so brav hat man die Geschwister wohl selten erlebt! Wirklich schade, dass Ruth Ziesak als Gretel und Jennifer Larmore als Hänsel trotz ihrer hervorragenden stimmlichen Leistungen am farblosen musikalischen Gesamteindruck nur wenig ändern können. Immerhin ein Lichtblick ist die bravourös gestaltete Hexenszene, in der Hanna Schwarz wirklich alle Register zieht. Schon wegen der hochkarätigen Besetzung (Brigitte Fassbaender, Lucia Popp, Julia Hamari und Edita Gruberova) lohnt die Aufnahme von Sir Georg Solti und den Wiener Philharmonikern von 1978. Dieses Ensemble bietet große, romantische Oper mit großen Stimmen und einem phantastischen Orchesterklang, lässt aber die für eine Märchenoper gebotene Schlichtheit häufig vermissen. Von Silvia Adler |
Hänsel: Ingeborg Springer Gretel: Renate Hoff Vater: Theo Adam Mutter: Gisela Schröter Hexe: Peter Schreier Sandmännchen: Renate Krahmer Taumännchen: Renate Krahmer Dresdner Kreuzchor Staatskapelle Dresden Ltg.: Otmar Suitner Aufnahme: 1971 Berlin Classics 0020072BC Hänsel: Eugen Hug Gretel: Brigitte Lindner Vater: Hermann Prey Mutter: Ilse Gramatzki Hexe: Edda Moser Sandmännchen: Ursula Roleff Taumännchen: Thomas Frohn Kölner Kinderchor Gürzenich-Orchester Köln Ltg.: Heinz Wallberg Aufnahme: 1974 EMI 7696692 Hänsel: Anne-Sofie von Otter Gretel: Barbara Bonney Vater: Andreas Schmidt Mutter: Hanna Schwarz Hexe: Marjana Lipovsek Sandmännchen: Barbara Hendricks Taumännchen: Eva Lind Tölzer Knabenchor Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks Ltg.: Jeffrey Tate Aufnahme: 1990 EMI 7540222 Hänsel: Frederica von Stade Gretel: Ileana Cotrubas Vater: Siegmund Nimsgern Mutter: Christa Ludwig Hexe: Elisabeth Söderström Sandmännchen: Ruth Welting Taumännchen: Kiri Te Kanawa Kinderchor der Kölner Oper Gürzenich Orchester Köln Ltg.: John Pritchard Aufnahme: 1978 CBS M2K79217 Hänsel: Elisabeth Grümmer Gretel: Elisabeth Schwarzkopf Vater: Josef Metternich Mutter: Maria von Ilosvay Hexe: Else Schürhoff Sandmännchen: Anny Felbermayer Taumännchen: Anny Felbermayer Choirs of Loughton High School for Girls & Bancroft's School Philharmonia Orchestra Ltg.: Herbert von Karajan Aufnahme: 1953 EMI 5670612 Hänsel: Irmgard Seefried Gretel: Anneliese Rothenberger Vater: Walter Berry Mutter: Grace Hoffman Hexe: Elisabeth Höngen Sandmännchen: Liselotte Maikl Taumännchen: Liselotte Maikl Wiener Sängerknaben Wiener Philharmoniker Ltg.: André Cluytens Aufnahme: 1964 EMI 5656612 Hänsel: Jennifer Larmore Gretel: Ruth Ziesak Vater: Bernd Weikl Mutter: Hildegard Behrens Hexe: Hanna Schwarz Sandmännchen: Rosemary Joshua Taumännchen: Christine Schäfer Tölzer Knabenchor Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Ltg.: Donald Runnicles Aufnahme: 1994 Teldec 450994549-2 Hänsel: Brigitte Fassbaender Gretel: Lucia Popp Vater: Walter Berry Mutter: Julia Hamari Hexe: Anny Schlemm Sandmännchen: Norma Burrowes Taumännchen: Edita Gruberova Wiener Sängerknaben Wiener Philharmoniker Ltg.: Sir Georg Solti Aufnahme: 1978 Decca 460845-2 |
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