Cinemage - Ein treffender Titel für diese Sammlung von Filmmusiken des japanischen Multitalents Ryuichi Sakamoto. Die Stücke, die auf dieser - zugegebenermaßen recht kurzen - CD zu finden sind, sind mehr als nur Musik zum Untermalen von Filmen. Sie funktionieren auch losgelöst vom filmischen Medium.

Sakamoto, der 1952 in Tokyo geboren wurde, begann schon in frühen Jahren bei Taminosuke Matsumoto eine klassische Klavierausbildung. Seinen Abschluß an der Tokyo National University of the Fine Arts & Music machte er aber mit Schwerpunkt auf Elektronik und Musikethnologie. Nachdem er das Yellow Magic Orchestra mitbegründete und mit dieser Formation Millionen von Platten verkaufte, wurde auch der Westen auf ihn aufmerksam. In seinen Credits als Musiker und Produzent finden sich so ilustre Namen wie Youssou N´Dour, Iggy Pop und natürlich Avantgarde-Popper David Sylvian, der auch auf Cinemage zu hören ist.

Die Stücke der CD wurden bei einem Konzert von Sakamotos "f" tour in Asien 1997 aufgenommen. Er dirigierte dabei vom Flügel aus ein 70 Personen starkes Orchester zusammen mit Yukata Sado. Abgesehen von einigen Soundeinschränkungen bedingt durch die Live Aufnahmen überzeugen die Stücke durch klaren Klang und differenzierte Wiedergabe der einzelnen Orchesterstimmen.

Das Titelstück zu The Last Emperor, für das er 1987 einen Oscar bekam, zeigt denn auch gleich die Vorliebe Sakamotos westliche mit asiatischen Idiomen zu verbinden. Die asiatische Melodie ist in klassische orchestrale Romantik eingebetet. Eine weitere Zusammenarbeit mit Regisseur Bertolluci, das Thema zu Little Buddha, beginnt mit einer an Barbers Adagio erinnernden Streicherfigur, die in ihrem düsteren Duktus immer mehr aufgelöst wird, und von einem postklassizistischen Mittelteil abgelöst wird. Durch das Tal der Dämmerung ist ein Lichtschein zu sehen, das Konzept der Reinkarnation, das im Film von Bedeutung ist, wird hier musikalisch gut vermittelt. Bei Wuthering Heights hat sich Sakamoto ganz in die pathetische Welt der Tschaikowskys und Elgars eingefunden. Wohl eines seiner aufrührendsten Themen. Replica dagegen besteht aus einer minimalistischen Figur, die immer wiederholt dem ganzen Stück die Struktur eines Haiku gibt. Ganz anders El Mar Mediterrani, das Sakamoto für die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona komponierte. Anders als die sonst üblichen Fanfaren-Orgien setzt er feine Zwischentöne mit Verweisen auf katalanische Kultur, Anklänge an Debussys La Mer und die Musik von Mompou. Als eine auf ein Spektakel mit der spanischen Dance Company Fura dels Baus abgerichtete Musik für eine Eröffnungsfeier, fehlen aber auch elektronische Momente nicht, für die DJ Spooky und David Thorn sorgen.

Das Herzstück der CD steht aber ganz zu Anfang. Forbidden Colours bei dem David Sylvian als Sänger mit charakteristischem Timbre zu hören ist. Als Theme Song zu dem Nagisa Oshima Film Merry Christmas Mr. Lawrence, in dem auch Sakamoto neben David Bowie in einer zweiten Hauptrolle zu sehen ist, hat er dieses ursprünglich elektronische Stück für Klavier eingespielt (Album Coda), für Klavier Trio (Album 1996) und jetzt zusammen mit Sylvian die poetischste Version vorgelegt. Die japanische Melodie wird wieder mit klassischem Orchester untermalt und widerspiegelt das Thema des Films: Die Konfrontation von japanischer und westlicher Kultur, die im Film mit Folterung und Erniedrigung einhergeht. In der vorliegenden Interpretation geht das Stück über den filmischen Kontext hinaus und kann diese Emotion auch rein durch sich selbst transportieren, so wie es jede gute Filmmusik in der Lage sein sollte zu tun.

Track Listing:
1. Forbidden Colours
2. The Last Emperor
3. Little Buddha
4. Wuthering Heights
5. Replica
6. El Mar Mediterrani

Produced by Ryuichi Sakamoto
Conducted by Ryuichi Sakamoto
und Yutaka Sado

DJ Spooky, David Thorn (git, textures)
on "El Mar Mediterrani",
David Sylvian (voc) on "Forbidden Colours"

Aufgenommen 1997
Sony Classical CD SK60780
© 1999 Sony

www.sitesakamoto.com