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Rock - Pop
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Annett Louisan
Bohème



Gefährliche Spiele

Von Stefan Schmöe

Zunächst ist die Irritation groß: Da wird sanft eine Mandoline gezupft, und ein piepsiges Mädchen-Stimmchen singt unvermittelt knalligen Text voller sexueller Anspielungen. „Ich will doch nur spielen“ behauptet die 1979 geborene Annett Louisan wiederholt, und was sich im Song „Das Spiel“ an den offenbar (zu) schwer verliebten Partner richtet, ist wohl stärker noch an den Hörer adressiert, mit dem ebenfalls kräftig gespielt wird. Das Pathos des deutschen Schlagers wird hier nämlich boshaft unterlaufen, Rollenklischees lustvoll verdreht. Insbesondere wenn das (vermutlich bissige) Schmusekätzchen im Refrain erklärt„Ich tu doch nichts“, ist das alles andere als glaubhaft. Ob Text oder Musik: Dieses Lied wirbelt Hörgewohnheiten ordentlich durcheinander.

"Annett Louisan hat eine ganz zarte, kleine Elfenstimme, so dicht am Ohr, dass man ihren Atem über das Gesicht streifen spürt. So eine Mädchenstimme, die in der Dunkelheit aus dem Kopfkissen nebenan ganz unschuldig fragt, ob man schon schläft und damit unweigerlich heftigen Testosteronalarm auslöst." (Zitat aus der Pressemitteilung)

Na ja, da haben die Promoter starke Worte getextet; tatsächlich ist die Stimme kaum tragfähig und tendenziell quäkig – aber das hat System. Vor allem soll Annett Louisan sehr jung klingen, denn ihr Debutalbum Bohéme - der einleitende Ohrwurm "Das Spiel" in besonderem Maße - lebt (auch) von der überdeutlichen Lolita-Attitüde. Hört man aber das Album aber im Ganzen, verschieben sich die Akzente. Mit dem Überraschungscoup des „Spiels“ können die anderen Songs naturgemäß nicht ganz mithalten, aber Bohème ist wegen der stilsicheren Mischung eine runde Sache geworden.

Die Texte (durchweg von Frank Ramond) kreisen allesamt mehr ums Verliebtsein als um Liebe, und die Musik (im Wesentlichen von Frank Ramond, Matthias Haß und Hardy Kaiser) ist mit Gitarre und Violine als „zarten Begleitern“ federleicht instrumentiert. Viele Songs leben von einfachen rhythmischen Modellen, die sich variiert durch das Album hindurch ziehen und die intime Grundstimmung festlegen. Oft scheint es, als würde Annett Louisan allein vor sich hin singen; pathetische Aufschwünge, wie sie den Schlager beherrschen, findet man hier zum Glück nicht. In Musik wie in den Texten kann man viele Zitate erahnen – etwa an Nena (deren gezielt kindliche Naivität als Vorbild unübersehbar ist), aber auch an Zarah Leander, die ausdrucksmäßig Welten von Annett Louisan entfernt ist, aber auch diese Distanz ist eingeplant. So recht greifbar wird die Sängerin nie. Das Nicht-Erfüllen von Erwartungen ist auch hier Teil des Spiels. Annett Louisan bleibt letztendlich unnahbar, aber durch ihre Stimme auch authentisch, Ob sie mit diesen Mitteln weitere Alben erfolgreich einspielen kann, ist fraglich. Bohème aber ist in seiner konsequent-raffinierten Schlichtheit frappierend.


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Annett Louisan: Bohème

Track List:

1 · das spiel
2 · die lüge
3 · die dinge
4 · das gefühl
5 · daddy
6 · die katze
7 · der schöne
8 · die gelegenheit
9 · der blender
10 · die trägheit
11 · die formel
12 · das liebeslied
13 · das spiel (remix)

©2004 105 Music / Sony Music Entertainment


Weitere Informationen unter:
www.105music.com
www.annett-louisan.de




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