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Clarence Barlow
...until...


Leere hinter poliertem Stein

Von Sebastian Hanusa


Mit Barlows "...until..." tritt einem eine Musik größter Strenge entgegen. "... until ..." bezeichnet zunächst ein Konzept, welches 1972 entworfen wurde. Das Stück thematisiert tonale Entsprechung, Abweichung und Angleichung in modellhafter Reduktion. Bis auf die erste Realisation des Konzepts, die für Ensemble und Tongenerator entstand, sind die restlichen acht Versionen für Generator und Solo-Instrument. Es wird jeweils ein konstanter Sinuston mit einem minimalistisch anmutenden Instrumental-Pattern sehr begrenzten Tonvorrats kombiniert. Im Verlauf der Stücke wird eine Abweichung der Tonhöhe entweder durch minimale Transposition des Sinustons oder durch einen instrumentalen Kunstgriff, wie in der Version 7 für Gitarre vorgenommen, bevor am Ende in ein erneuter "Ruhezustand" erreicht wird.

Kaum variierend, asketisch seinem Konzept folgend, unternimmt Barlow bei den Realisationen lediglich Angleichungen an die Natur der verwendeten Instrumente, vergönnt sich nur die eine oder andere Verspieltheit. So kommt es, dass die Musik auf eine Demonstration ihrer Eigengesetzlichkeit zurückgenommen ist und nichts weiter behauptet, als die Regeln, nach denen sie gemacht ist. In der Intention der zen-buddistisch Leere John Cages geistesverwandt, fasziniert sie mit einer monolithischen Klarheit, deren Zauber am Nullpunkt ihrer absoluten Anspruchslosigkeit ihrer Ausgang nimmt.

Am konsequentesten folgt Barlow in Version 5 für Tasteninstrument seiner konzeptionellen Vorgabe. Einem rasanten, in Endlosschleife sich wiederholenden Klavier-Pattern der Pianistin Kristi Becker wird ein Sinuston gegenübergestellt, der gegen Ende um einen Halbton gefallen ist. In Reaktion hierauf beschleunigt sich das Pattern der Pianistin ein wenig, bevor das Stück endet.

Die Version 8 für Piccolo-Blockflöte ist demgegenüber geradezu verspielt. Lucia Mense begleitet das enervierende Insistieren eines hohen Sinus-Tons mit einer Monodie, bestehend aus sechs gleichbleibenden Tönen. Während hier der Sinuston gegen Ende um einen Ganzton steigt, weist das Stück überdies binnenstrukturierende Elemente auf. Der rhythmische Ablauf der Flötenstimme erfährt improvisatorische Veränderungen, die Interferenzen zwischen Sinuston und den extrem hohen und stechenden Flötentönen werden durch Schwankungen der Lautstärke des Tongenerators variiert - fast gestaltet. Vor dem Hintergrund der waltenden Strenge muß man fast von einer Revolte des Subjekts sprechen, aber hier, in den fragilen Schwebungsänderungen, in Lucia Menses Improvisando, liegt auch der besondere Reiz der Komposition.

In der eher ruhigen siebten Version - für Gitarre – ist das Modell umgekehrt realisiert. Hier wird das Ton-Material der Gitarre "unter dem Spieler" einer Transposition um einen Viertelton nach oben unterzogen: Indem drei der Saiten aufeinander eingestimmt sind, die Stimmung der jeweils benachbarten anderen drei Saiten im Viertelton-Abstand höher ist, kann Gitarrist Seth Josel während seiner Rhapsodie über einen wiederum sehr reduzierten Tonvorrat eine allmähliche "Transposition" vornehmen – er wechselt von einer Saiten-Trias auf die andere. Gegen Ende wird das - hier hintergründige - e des Generators diesen Stimmungs-Wechsel mittels Glissando wieder auffangen.

Insbesondere das Gitarren-Stück erinnert an die Viertelton-Musik aus Barlows indischer Heimat, die nicht nur in technischer, sondern auch in ästhetischer Hinsicht Pate gestanden haben mag. Das sie dabei der europäischen Idee einer Musik, die sich auf die Exemplifikation der Beschaffenheit ihres Materials zurückzieht, erstaunlich nahe kommt, sollte dabei alles andere als ein Widerspruch sein. An die Interpreten stellt sie jedoch besondere Anforderungen: Bei aller technischen Perfektion – bei unseren Interpreten sollte man eher von traumwandlerisch sicherer Beherrschung des Instruments sprechen - geht es in erster Linie um einen radikalen Rückzug des Spielers aus der gespielten Musik. Die lakonische Haltung eines quasi Mediums, das stoische Geschehen-Lassen des eigenen Handelns ist erforderlich, um die Musik aus sich selbst heraus sein zu lassen. Insofern den drei Musikern gerade dies gelingt, bereitet die CD mit ihren drei Stücken ein faszinierendes Hörerlebnis.

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Cover


Clarence Barlow: ...until...

Kristi Becker, Piano
Lucia Mense, Flöte
Seth Josel, Gitarre

Los Angelos River Records



Track Listing:

1. version 5
2. version 8
3. version 7



   
Da capo al Fine

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