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Björk
Biophilia



Björk in Hochform

Von Susanne Westerholt

Nun also auch das noch: das erste App-Album der Welt ist da. Was von weitem lediglich als IT-Gag erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als komplexer. Dank der Apps ist es nämlich möglich, Björks Musik zu verändern, also interaktiv neu zu interpretieren. Das mag man als Spielerei bezeichnen; letztlich setzt sich mit dieser Idee ein Trend fort, der seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkennbar ist, nämlich der Versuch der Überwindung der Rezeptionsästhetik. Der Zuhörer ist nicht mehr „nur“ Zuhörer, sondern konstituierender Akteur der Komposition. Wer sich übrigens das neueste Album von Björk nicht digital herunterladen möchte, kann sich selbstverständlich die CD kaufen.

Nach dieser „technischen“ Einführung: Was hat das neue Album inhaltlich zu bieten? Björk hat diesmal mit Leuten mit ganz unterschiedlichem Background zusammengearbeitet, etwa mit Instrumentenbauern und Musikwissenschaftlern; das weckt Erwartungen.

Das Album stellt ein Kaleidoskop von Liedern mit ganz unterschiedlicher Instrumentierung und Machart dar. Wie ein roter Faden zieht sich Björks unverwechselbare Stimme durch das Album. Da gibt es bezaubernde Melodien, etwa in cosmogony oder in virus. Letzteres entzückt ausserdem durch ein begleitendes Gamelanspiel; zusammen mit den wunderschönen melodischen Linien des Gesangparts entsteht ein intimer Ausdruck von grosser Anmut, was so richtig ans Herz geht. Hollow wiederum besitzt einen ausgeprägt experimentellen Charakter: auf der Kirchenorgel staccato vorgetragene Akkorde in ostinato-Linien werden chorischem und Sologesang unterlegt. Elektronische Beats verstärken die Wirkung des Staccato, während dazu kontrastierende Echo-Effekte den Gesang sphärisch wirken lassen.

Mutual core verblüfft nicht nur durch den ungewöhnlichen Instrumentierungsmix von Kirchenorgel, elektronischer Musik und Gesang, sondern auch durch die Verwendung von sogenannten Klauseln, standardisierten Schlussbildungen wie sie in der Musik des Mittelalters gebräuchlich waren. Mittelalterliche Klauseln zu elektronischen Beats: kann das gut gehen? Ja, es kann, und wie!

Björks unverwechselbarer eigener Stil, ihre Offenheit für ungewöhnlichen Mix verschiedener Instrumente sowie ihre Wandlungsfähigkeit zeichnen das Album aus. Die zusätzlich veröffentlichte limitierte „Deluxe Edition“ braucht man sich allerdings nicht wegen der originalen siebenminütigen Version von hollow oder der nur mit viel Phantasie herauszuhörenden variierten Instrumentierung von dark matter anzuschaffen. Hingegen ist das dritte zusätzliche Lied, náttúra, wirklich hörenswert und leider nur auf der limitierten Edition drauf: elektronischer, wirbelnder Sound mit raschen, wechselnden Rhythmen zu einem Text in isländischer Sprache; archaisch klingend und sehr mitreissend.

Wer mit Björks Musik sonst nicht viel anfangen kann, wird mit diesem Album auf jeden Fall angenehm überrascht sein. Ob das Albumcover allerdings zur Musik passt, ist Ansichtssache. Insgesamt ist Biophilia ein sehr ambitioniertes und sorgfältig gemachtes musikalisches Projekt, das die geweckten Erwartungen erfüllt und das mit Worten nur unzureichend beschrieben werden kann. Man muss es wirklich selbst gehört haben.


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Björk: Biophilia

Track List:

moon (music: Björk und Damian Taylor/ lyrics: Björk)
thunderbolt (music: Björk/lyrics: Björk und Oddny Eir Avarsdottir)
crystalline (music: Björk/lyrics: Björk)
cosmogony (music: Björk/lyrics: Sjón und Björk)
dark matter (music: Björk/lyrics: Mark Bell)
hollow(music: Björk/lyrics: Björk)
virus (music: Björk/lyrics: Sjón und Björk)
sacriFice (music: Björk/lyrics: Björk)
mutual core (music: Björk/lyrics: Björk)
solistice (music: Björk/lyrics: Sjón)

extra Stücke der limitierten „Deluxe Edition“:
hollow original 7 minutes version
dark matter with choir + organ
náttúra (music: Björk/lyrics: Björk)

Gesamtspielzeit: 64:03

NONESUCH records inc. 528728-2


Weitere Informationen unter:

www.bjoerk.com




Da capo al Fine

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