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Xavier Naidoo
Zwischenspiel / Alles für den Herrn



Der deutschen Musik eine neue Heimat?

Von Andreas Höflich

Die neue Platte von Xavier Naidoo ist nicht einfach eine Platte, sie ist vielmehr ein Bekenntnis, in Stein gemeißelt wie die zehn Gebote auf Moses' Steintafeln. Mit zehn Tracks gibt sich aber Naidoo nicht mehr zufrieden. Gleich auf 2 CDs wird hier auf "Zwischenspiel" das "Weltliche" abgehandelt, um dann fein säuberlich getrennt auf CD 2 das "Göttliche" zu thematisieren. Man beachte hier auch, dass die Ausprache seines Vornamens jetzt mit englischem Zungenschlag favorisiert wird, was ihm einem Retter und Heilsbringer näher bringt. Hat man die christlichen Attitüden Naidoos auf seinem Erstling "Nicht von dieser Welt" nur als Randerscheinung wahrgenommen, so hat er keine Talkshow ausgelassen, seine starke Bindung zu Gott zu beschwören, hat seine Heimatstadt Mannheim zu seiner biblischen Stätte ausgerufen. Auch seine Vorliebe für alte Mercedes-Karossen, die er meistens ohne Führerschein und mit reichlich Gras im Gepäck fährt, hat er mit dem Gottgegebenen erklärt und die Abgase als weniger schädlich eingestuft, als die Biogase die eine Kuh so im Laufe ihres Lebens produziert. Er ist sich anscheinend auch nicht zu Schade, in einer beknackten Fernsehshow einem kleinen Jungen den Traum zu erfüllen, mit ihm zusammen als quasi sein eigener Klon mit auf einer Showbühne zu stehen. All das trug in letzter Zeit zur allgemeinen Erheiterung und peinlicher Berühmtheit bei. Dennoch ist es so, dass zumeist die Immigranten-Generation den Soul in Deutschland populär oder überhaupt erst möglich gemacht hat. Gerade für diesen Jungen in der Fernsehshow ist Naidoo ein lange nicht vorhandenes Identifikationsobjekt.

Obwohl die CD auf Anhieb auf Platz eins der Charts eingestiegen ist, scheint die gesamte schreibenden Zunft gegen den Erfolg der Scheibe anzuschreiben. Das geht von Musikexpress bis zu den Verkaufsblättern des WOM-Journals so, die ja nicht unbedingt für sehr kritische Berichterstattung über das Popbusiness bekannt sind. Oft wird dabei vergessen, dass die amerikanischen Originale der R&B Schiene in fast jedem Song dem "Lord" für alles mögliche danken, gleichzeitig aber andauernd übers Ficken singen (hier sei nur mal Prince genannt). Diesen Zwiespalt wollte nach eigener Aussage auch Naidoo thematisieren: Das Problem, als gläubiger Mensch in einer blasphemischen Welt zu leben. Dabei zeichnet Naidoo ein recht alttestamentarisches Bild eines Gottes, der alle Bäume knickt, Königreiche untergehen lässt, Feuersbrünste über die Erde schickt oder Menschen auseinander bringt um sie zu prüfen. Was schon bei den Söhnen Mannheims genervt hat, ist der plakative Gebrauch der Sprache und der Reime, die jedem Schüttelreim Konkurrenz machen. "Auf Herz und Nieren" wird da wirklich das Sprachempfinden strapaziert: "Ihr habt hier nichts verloren / Ich hab ihnen die Treue geschworen / Ich hab nichts zu verlieren / Sie prüften mich auf Herz und Nieren". Man könnte hier wahllos aus allen Texten zitieren, aber der Tenor bleibt der gleiche. Die Befürchtungen, die die Songtexte wecken, werden denn auch meistens vollauf erfüllt. In "Brief" liest dann Video-Kollegin Esther Schweins eben jenen Brief mit einer Schwere und Ernsthaftigkeit, die eher an die Betroffenheitslyrik von Teenagern denken lässt. Hier stellt sich auch musikalisch ein zwiespältiges Empfinden ein. Richtig fette Beats oder coole Arrangements hat die Scheibe eigentlich nicht zu bieten. Nur selten blitzt das Talent Naidoos durch, eben seine Stimme. Die wird aber im Mix oft ganz nach hinten geregelt und mit allerlei Streicher- und Bläser-Gedöns zugeklatscht. Hier fehlen einem irgendwie schon die magischen Finger von Moses Pelham, von dem sich Naidoo im Streit getrennt hat. Der hatte immer noch die fettesten Beats und Samples, jedenfalls was deutschen Soul angeht. Insgesamt gehört plätschern die 2 Cds recht gediegen vor sich hin, ein richtiger Höhepunkt ist nicht zu vernehmen. Einzig bei "Wir haben alles Gute vor uns" oder "That's the way love is" wird die Gangart etwas flotter. Die Texte sind sicher nicht gewöhnungsbedürftig, entweder man mag sie, oder man hasst sie. Nur manchmal blitzt die Stimme Naidoos durch, und ist dann der beste Diener für den Missionsdienst im Pop.

Früher hatten viele ihre Vergangenheitserfahrungen auf Kirchentagen und mit christlichen Folkbands, die sie jetzt tunlichst unter den Teppich kehren würden. Aber so schlimm ist das jetzt auch nicht mehr, wenn sich schon christliche gecastete Bands bei der Eurovisionsausscheidung tummeln oder Nu Metal Bands sich zu ihrer christlichen Botschaft bekennen. Vielleicht geht ja die "Popstars"-Idee nun in die christliche Richtung.


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Cover



Xavier Naidoo: "Zwischenspiel / Alles für den Herrn"

©2002 Naidoo Records
908-66022




Track Listing:

CD 1 Zwischenspiel
1. Wo willst du hin?
2. Auf Herz und Nieren
3. Wir gehören zusammen
4. Abschied nehmen
5. Kein Königreich
6. Wir haben alles Gute vor uns
7. Alle Männer müssen kämpfen
8. That's the way love is
9. Brief
10. Don't give up
11. Gut aufgepasst
12. Wenn ich schon Kinder hätte
13. Kleines Lied
14. Die Dinge singen hör ich so gern
15. Keep your eyes on me

CD 2 Alles für den Herrn
1. Himmel über Deutschland
2. Ich lass sie sterben
3. Bevor du gehst
4. I'd be waiting
5. Sie ist im Viereck angelegt
6. Eyes R shut
7. Der Geist ist willig
8. Mägde und Knechte
9. Der Herr knickt alle Bäume
10. Wer weiss schon was der Morgen bringt
11. Alles für den Herrn
12. Wo driften wir hin
13. Klagelieder
14. Lied (Du nur, du)
15. Wenn du es willst (Mir sind die Hände gebunden)



Da capo al Fine

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