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Neuer Intendant des Festspielhauses Baden-Baden

Benedikt Stampa stellt sein erstes Saisonprogramm vor

Kontinuität und behutsame Neuerungen

Von Christoph Wurzel

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Andreas Mölich-Zebhauser, Indentant des Festspielhauses Baden-Baden 2008 - 2019 (Foto: Michael Gregonowits)

Gut 20 Jahre war Andreas Mölich-Zebhauser Intendant des Festspielhauses Baden-Baden und mit seinem Namen war dieses Haus seitdem untrennbar verbunden. Vielleicht sogar gäbe es ohne ihn dieses Konzert- und Opernhaus in der Badischen Kurstadt gar nicht mehr, jedenfalls nicht so, wie es sich nun in der Riege der großen Kulturstätten Deutschlands präsentiert. Denn bereits wenige Monate nach seiner Eröffnung im April 1998 scheiterte das Konzept der damaligen Gründer und dem Haus mit 2500 Plätzen drohte frühzeitiger Untergang. Als Retter in der Not übernahm Mölich-Zebhauser die Leitung und stellte das Haus, dessen Spielbetrieb rein privatwirtschaftlich getragen wird, mit beharrlicher Energie auf solide Grundlagen - wirtschaftlich wie künstlerisch. Er etablierte den Reigen der Festspiele in Baden-Baden. Der Coup war vor sieben Jahren die Verpflichtung der Berliner Philharmoniker für die jährlich zehntägigen Osterfestspiele. Schon zu Beginn seiner Amtszeit sicherte er dem Festspielhaus die jährliche Gastspielwoche Valery Gergievs mit dem Ensemble des Mariinskytheaters aus St. Petersburg. Und er holte Jahr für Jahr die bedeutendsten Solisten, Orchester und Dirigenten sowie Ballettcompagnien in die badische Kurstadt. Eine intensive Zusammenarbeit mit Kultursendern wie dem SWR und arte ließ manche Opern- oder Konzertproduktion auch im Fernsehen oder Rundfunk erleben. Heute gehört Baden-Baden zu den prominentesten Konzert- und Festspielorten in Europa. Nun wird Andreas Mölich-Zebhauser zum Ende dieser Spielzeit ganz profan einfach in Rente gehen.

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Benedikt Stampa, Festspielhausintendant ab Beginn der neuen Spielzeit im September 2019 (Foto: Christian Grund)

Als sein Nachfolger wird Benedikt Stampa zu Beginn der kommenden Spielzeit den Intendantenstab übernehmen. Der 53jährige Stampa bringt seine umfassende Erfahrungen in der Leitung der Laeiszhalle in Hamburg und zuletzt des Dortmunder Konzerthauses mit nach Baden-Baden, wo er sich nun zusätzlich zum Konzertbetrieb auch Opern- und Ballettproduktionen widmen kann. Nun stellte er das Programm seiner ersten Saison in Baden-Baden vor. Mit einem flammenden Bekenntnis zur verbindenden Kraft der klassischen Musik, die eine typisch europäische Errungenschaft sei, umriss Stampa seine grundlegende Haltung. So wie Baden-Baden bereits im vorletzten Jahrhundert gleichsam die Kulturhauptstadt Europas gewesen sei, so solle auch zukünftig die hier gepflegte Musikkultur nach Europa ausstrahlen - Baden-Baden als Sehnsuchtsort für Künstler und Publikum, als Ort, wo das musikalische Erbe Europas lebendig und erlebbar werde.

Das Programm von Stampas erster Festspielhaus-Saison markiert einen Aufbruch, der sich durch eine geschickte Verbindung von Kontinuität und Neuerungen auszeichnet. So bleiben die Festspiele im Herbst, zu Ostern, zu Pfingsten und im Sommer erhalten, gewinnen aber deutlicher als bisher programmatisches Profil. Mit den diesjährigen Herbstfestspielen setzt Stampa im September / Oktober bereits einen starken Akzent und startet seinen Neuanfang mit einem anderen Neuanfang, der erstmaligen Inszenierung einer Oper durch den Choreografen John Neumeier, Glucks Orphée et Euridice. Das Programm deckt nicht allein die drei Sparten Konzert, Oper und Ballett ab, sondern setzt zugleich den ersten Markstein im Beethoven-Schwerpunkt, der anlässlich seines 250. Geburtstages im Dezember 2020 die gesamte Spielzeit bestimmen wird. John Neumeier wird nicht nur mit dem Hamburger Ballett zusätzlich sein Beethoven-Projekt nach Baden-Baden bringen, sondern das Rotterdam Philharmonic Orchestra ist mit einem reinen Beethovenabend angekündigt, an dem der Senkrechtstarter Lahav Shani am Pult und am Flügel zu erleben sein wird.

Bei den Osterfestspielen 2020 wird Kirill Petrenko als neuer Chef der Berliner Philharmoniker erstmals in Baden-Baden (und dann zukünftig ausschließlich hier) auch die Opernproduktion übernehmen. Diese wird  in der Regie von Mateja Koležnik Beethovens Fidelio sein, die Bekenntnisoper zum Thema Freiheit, dem Fundament der europäischen Geschichte schlechthin. Hochambitioniert  wird auch die Aufführung sämtlicher Streichquartette von Beethoven im Rahmen der österlichen Meisterkonzerte durch die Solistinnen und Solisten der Berliner Philharmoniker an den unterschiedlichen Spielorten in Baden-Baden sein.

Zu den Pfingstfestspielen wird es einen großen Currentzis-Schwerpunkt geben. Die Besonderheit hier wird eine szenische Präsentation des Requiems von Gabriel Fauré in Verbindung mit dem Adagio aus Mahlers 10. Sinfonie sein, woran nicht nur Currentzis' eigenes Orchester MusicAeterna aus Perm, sondern auch das SWR Sinfonieorchester mitwirken werden, dessen Chefdirigent Currentzis seit 2018 ist. Beide Orchester wird Currentzis an diesen Tagen mit unterschiedlichen Programmen (Schostakowitsch und Verdi) dirigieren. Das Fauré-Requiem soll zudem in experimenteller Weise durch den britischen Medien-Künstler Mat Collishaw "szenisch weitergedacht" werden.

Zu den Sommerfestspielen im Juli 2020 wird das Gewandhausorchester Leipzig Residenz in Baden-Baden beziehen und unter seinem Chefdirigenten Andris Nelsons mit Bachs h-Moll-Messe, Bruckners Achter und einen Johann-Strauß-Abend seine Vielseitigkeit beweisen. Valery Gergiev wird sich mit dem Mariinsky-Ensemble mit konzertanten Aufführungen von Verdis Attila und Trovatore vorstellen.

Zwischen diesen Festspiel-Highlights verspricht die Saison aber noch zahlreiche weitere spannende Programmpunkte. Teodor Currentzis wird bereits im Oktober mit MusicAeterna nach Baden-Baden kommen und den Bogen von Jean-Philippe Rameau über Mozarts Requiem bis zum kürzlich uraufgeführten Werk Tristia von Philippe Hersant vom Barock bis in die Gegenwart schlagen.

Simon Rattle wird nach langen Jahren mit den Berliner Philharmonikern bei den Osterfestspielen im Februar mit seinem neuen Orchester, dem London Symphony Orchestra in zwei Konzerten einen weiteren Beethoven-Schwerpunkt setzen, u. a. mit dem selten gespielten Oratorium Christus am Ölberge. Bei der Auswahl der Dirigenten fällt neben so arrivierten Stars wie Rattle, Gergiev, Hengelbrock oder Blomstedt auch die lange Reihe von  jungen Pult- Talenten auf, unter ihnen im Oktober 2019 auch Mirga Gražinytė-Tyla mit dem City of Birmingham Orchestra und einem rein britischen Programm.

In zahlreichen Einzelkonzerten zwischen den Festspielen werden sich an den insgesamt rund 120 Aufführungsterminen wieder die namhaftesten Solistinnen und Solisten in Baden-Baden die Klinke in die Hand geben. Darunter mit besonders außergewöhnlichen Programmen Cecilia Bartoli mit der Weltpremiere ihres neuen Barockprogramms, Philippe Jaroussky mit Schubert-Liedern, Renée Fleming mit Evgeny Kissin als Begleiter ihres Liederabends (Brahms, Debussy und Strauss), Pierre-Laurent Aimard u.a. mit der monumentalen Concord-Sonate von Charles Ives und Grigory Sokolov wie immer mit nur wenigen angekündigten Stücken aber zahlreichen Zugaben.

Befragt nach dem Stellenwert der Moderne im Baden-Badener Programm verwies Stampa in klarer Offenheit auf den hier besonders zu beachtenden Spagat zwischen künstlerischen Wünschen und ökonomischen Zwängen. Ein 2500-Plätze-Haus sei eben mit moderner Musik wirtschaftlich nicht leicht zu bedienen. Immerhin gibt es vorsichtige Akzente in Richtung der "schwierigen" neuen Musik. So wird es neben der erwähnten Tristia-Produktion die Oper Simplicius Simplizissimus von Karl Amadeus Hartmann zu den Osterfestspielen geben und auch in einigen Konzerten wird hier und da ein moderneres Werk auftauchen. Für das Experimentierfeld "Neue Musik" hatte vor vielen Jahren schon Pierre Boulez in einer Festrede den Neubau eines kleineres Saales neben dem großen Festspielhaus-Saal vorgeschlagen. Dass mittlerweile die Entwicklung tatsächlich in diese Richtung geht, bestätigte der Vorsitzende der das Festspielhaus tragenden Kulturstiftung, Ernst Moritz Lipp und kündigte noch für dieses Jahr konkretere Informationen an.

Auch für Ballettliebhaber ist das Angebot hochkarätig. Neben John Neumeier mit dem Hamburger Staatsballett werden zu Weihnachten das Mariinsky-Ballett mit den Klassikern Dornröschen und Nussknacker sowie das Nederlands Dans Theater im Sommer 2020 in Baden-Baden gastieren.

An rund 120 Aufführungstagen wird im Festspielhaus Baden-Baden also wieder intensiv die musikalische Hochkultur gepflegt, aber Stampa betonte auch, dass ihm die Sparte Entertainment am Herzen liege und verwies u. a. auf die Musical-Produktion Bodyguard mit der Musik von Whitney Houston. Und ein besonders breiter roter Teppich wird wohl ausgerollt, wenn sich im Herbst die Stars und Sternchen der Unterhaltungsbranche zum ersten Mal in Baden-Baden zur Verleihung des Bambi treffen werden.

Last but not least ist in der neuen Saison an das ganz junge Publikum gedacht. Die vielfältigen Education-Programme, für die sich das Festspielhaus schon lange in Zusammenarbeit mit der in Baden-Baden ansässigen Sigmund-Kiener-Stiftung und auch den Berliner Philharmonikern stark macht, sollen nicht nur erhalten, sondern noch ausgebaut werden.

Aus dem neuen Programmheft weht spürbar frischer Wind. Auf Baden-Baden scheint eine spannende Festspielhaus-Saison 2019/2020  zuzukommen.

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www.festspielhaus.de/

 




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