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Jan Assmann
Die Zauberflöte - Oper und Mysterium



Rituale und Mysterien

Von Stefan Schmöe

Über die vermeintlichen Brüche in der Handlung der Zauberflöte ist seit jeher viel gerätselt worden. Warum erscheint die Königin der Nacht, eine ihres Kindes beraubte Mutter, zunächst als „gut“ und Sarastro, der Entführer, als „böse“, und warum schlägt diese Wertung unversehens und unbegründet um? Eine lange gepflegte, aber aufgrund der Kenntnisse des Entstehungsprozesses nicht haltbare These ist die „Bruchtheorie“, wonach Mozart und Librettist Schikaneder sich während der Arbeit an der Oper holterdipolter umentschieden und die Handlung einschneidend veränderten (heute weiß man allerdings, dass Mozart keineswegs chronologisch von vorne nach hinten komponierte, was einen solchen "Bruch" undenkbar macht). Eine spektakuläre Erklärung kommt jetzt aus ganz anderer Richtung, nämlich aus der Ägyptologie. Mit Jan Assmann wagt sich ein „fachfremder“ Autor, allerdings mit exzellenten Kenntnissen auch der musikalischen Sphäre, an eine neue Deutung.

Assmann geht von der Mysterien- und Ägyptenforschung der Mozartzeit aus, die insbesondere in den Freimaurerlogen gepflegt wurden. Für die Freimaurer war diese Forschung bedeutungsvoll, da die Initiationsriten für die Aufnahme in die verschiedenen hierarchisch gestaffelten Grade der Logen von den ägyptischen Ritualen abgeleitet waren. Auch Mozart dürfte als Mitglied der Loge „Zur Wohltätigkeit“ sicher ausgezeichnete Kenntnisse davon gehabt haben. Assmann stellt die unterschiedlichen geistigen Ausrichtungen der Logen dar, wobei Mozart Anhänger der „Illuminaten“ war, die im Sinne einer radikalen Aufklärung einen antikatholischen Rationalismus vertraten.

Die Zauberflöte muss man, so Assmanns Hauptthese, als großes Ritual auffassen, das der Zuschauer nicht als Außenstehender objektiv betrachtet, sondern in das er – darin gleich dem „Helden“ Tamino – subjektiv einbezogen ist. So wie Tamino zunächst vom Blendwerk der nächtlichen Königin getäuscht wird und im Verlauf der Handlung schrittweise die Wahrheit erkennt, wird auch der Zuschauer zunächst an der Nase herumgeführt. An vielen Stellen kann Assmann diese These mit profunder Detailkenntnis sowohl der Oper als auch ihres (freimaurerischen) Entstehungskontextes stützen. Den Haupteinwand – nämlich warum das Wissen um diese Konstruktion verloren gegangen ist – entkräftet er mit dem Hinweis auf das Verbot der Logen am Ende des 18. Jahrhunderts und dem damit verbundenen Wissensverlust.

Das auch für Laien gut lesbare Buch (von einigen wenigen Passagen mit einem Übermaß an Fachbegriffen und dem unhandlichen Apparat an Fußnoten abgesehen) ist klug aufgebaut. Vier Kapitel erörtern entlang der Handlung (die in vier Halbakte unterteilt wird) die konkrete Umsetzung des „Mysterien-Programms“ in der Oper; drei eingeschlossene Kapitel liefern das nötige Background-Wissen. Dabei zeigt Assmann eine Fülle von interessanten Querverbindungen auf, die auch jenseits seiner These sehr anregend und lesenswert sind. Er hat durchaus auch die Grenzen seines Deutungsansatzes im Blick. Mozart als Theaterpraktiker hat, das steht auch für Assmann außer Frage, neben der großen Idee eines auskomponierten Rituals auch immer die theaterpraktische Umsetzung berücksichtigt. Nicht zuletzt deshalb habe, so Assmann, die Zauberflöte unabhängig vom Bewusstsein um den darin enthaltenen großen Plan jederzeit ungeheure Wirkung erzielt.

Assmann kann die Figurenkonstellation der Oper überzeugend in sein Interpretationsmuster einordnen. So werden Papageno nur die „kleinen Mysterien“ zuteil, die den darin Eingeweihten zum geläuterten (und besseren) Menschen machen, ihm aber nicht auf die höchste (Staats-)Ebene verhelfen. Das bleibt dem „hohen Paar“ Tamino und Pamina vorenthalten, die gleichzeitig den Sarastro-Orden revolutionieren, in dem Frauen zuvor keine Rolle gespielt haben. Die Frage, inwieweit Mozart selbst sein pathos-geladenes Konstrukt ironisch unterwandert hat, kommt etwas kurz. Assmann wirft auf, dass Mozart in seiner Verwurzelung im Katholizismus dem Rationalismus der Illuminaten sicher auch distanziert gegenüber gestanden hat; die hieraus resultierenden Brechungen müssten ebenso untersucht werden wie die Rolle Schikaneders, der als Textdichter, Schauspieler und Theaterdirektor an einem publikumswirksamen Stück mehr interessiert gewesen sein dürfte als an einem freimaurerisch eingefärbten Initiationsprozess. Es bleibt also noch genügend zu tun für die die Mozart-Forschung. Assmann hat mit seinem spektakulären und außerordentlich lesenswertem Buch rechtzeitig zum Mozartjahr mehr als nur eine neue Facette des Komponisten aufgezeigt.

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Cover


Jan Assmann
Die Zauberflöte
Oper und Mysterium


Carl Hanser Verlag München Wien 2005
384 Seiten, Hardcover
ISBN 3-446-20673-6
24,90 € (D)

Weitere Informationen unter:
www.hanser.de






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