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Verdi zum 100. Todestag -

einem Mythos hinter die Kulissen geschaut

Von Ingo Negwer
April 2001



Am 27. Januar jährte sich zum 100. Mal der Todestag Giuseppe Verdis. Und wie schon im zurückliegenden Bach-Jahr wird auch das Verdi-Jahr dem Musikfreund mit unzähligen Neu- bzw. Wiederveröffentlichungen von Tonträgern, Notenausgaben und Musikliteratur aufwarten. Gemeinsam leisten der Verlag J.B. Metzler und der Bärenreiter-Verlag mit dem jüngst erschienenen Verdi-Handbuch ihren gewichtigen Beitrag zum Gedenkjahr. Die beiden Verlage setzen damit ihre mit Schubert und Bach begonnene Reihe von Komponisten-Handbüchern fort.

Soviel sei vorweg gesagt: Das von Anselm Gerhard und Uwe Schweikert herausgegebene Verdi-Handbuch ist ein notwendiges Buch, denn es kann helfen, das von Klischees belastete Bild des neben Mozart und Wagner meistgespielten Opernkomponisten im deutschsprachigen Raum ins rechte Licht zu rücken. Namhafte Autoren geben unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstands umfangreiche Informationen zu Giuseppe Verdi und seinem Oeuvre.

Aufschlussreich für die Gesamtkonzeption des Buchs ist die einleitende kritische Hinterfragung des landläufigen Verdi-Bildes, zu dem der Komponist z. T. durchaus in quasi bühnenwirksamer Abwandlung der Realität selbst beigetragen hat. Großen Raum nimmt die Darstellung der politischen, ökonomischen und kulturellen Situation Italiens im 19. Jahrhundert ein - insbesondere der spezifischen italienischen Bedingungen der Opernproduktion. Die Wurzeln und Grundlagen des italienischen Melodramma, die Entstehung eines Librettos und seine Vertonung werden ebenso ausführlich erläutert, wie die zeitgenössische Aufführungspraxis. Vor diesem Hintergrund wird Verdis zunehmend individueller Umgang mit den Konventionen verdeutlicht.

Konsequent betrachten die Autoren das "Phänomen" Giuseppe Verdi im Kontext seiner Zeit und seines Wirkungskreises. Der Blick ist auf Italien, allenfalls noch auf Paris gerichtet - kaum ein Seitenblick auf Bayreuth... So zeichnen sie ein differenziertes Bild von einem überaus erfolgreichen Komponisten und Theatermann, der sich sowohl ökonomisch als auch ästhetisch von den Zwängen des italienischen Opernbetriebs befreien konnte und letztlich die Bedingungen selbst diktierte, unter denen seine Werke auf die Bühnen kamen.

Giuseppe Verdis Gesamtwerk - nicht nur die 26 Opern von Oberto bis Falstaff, sondern auch die Messa da Requiem, das Streichquartett u.v.m. - wird in ausführlichen Einzeldarstellungen gewürdigt. Jeder Werkbesprechung sind Angaben zum Libretto und seiner Vorlage (bei Opern), zur Uraufführung, Besetzung, zum Autograph und zu den Editionen vorangestellt. So kann sich der Leser einen raschen Überblick verschaffen, ehe er mit der Entstehung und - im Falle der Bühnenwerke - mit der Handlung vertraut gemacht wird. Die Werkeinführungen geben einen sehr guten ersten Einblick in die musikdramatische bzw. die musikalische Konzeption, ohne sich in analytische Details zu verlieren. Die Darstellung der Rezeptionsgeschichte fällt hingegen eher sparsam aus. Hier wäre etwas mehr Ausführlichkeit wünschenswert, gegebenenfalls auf Kosten der - naturgemäß - subjektiv und tendentiös ausfallenden, leider unkommentierten diskographischen Hinweise.

Eine Darstellung der Wirkungsgeschichte Giuseppe Verdis auf Sänger und Dirigenten, Regietheater und Film bis hin zu Comic und Werbung schließt sich an den großen, über 200-seitigen Teil der Einzeldarstellungen an und gerät auf diese Weise am Schluss des Handbuchs leider etwas ins Abseits. Dabei finden sich hier nochmals aufschlussreiche Einblicke in den Umgang der Zeitgenossen und der Nachwelt mit dem "Mythos" Verdi.

Nützliche Ergänzungen findet der Leser im Anhang des Verdi-Handbuchs: In der Zeittafel sind die Lebensstationen des Maestro mit zeitgleichen bedeutenden Ereignissen aus Politik und Kultur zusammengeführt. Die Dokumetation folgt damit der Gesamtkonzeption des Buchs. Ein Glossar gibt hilfreiche Erläuterungen zu Fachausdrücken der (italienischen) Oper, wie z. B. cabaletta, tempo di mezzo etc. Die umfangreiche Bibliographie ist angesichts der Prämisse der Herausgeber, auf einen Anmerkungsapparat zu verzichten, sinnvoll gegliedert. Wer tiefer in die Materie "Verdi" einsteigen möchte bzw. zu einem speziellen Thema weiterführende Literatur sucht, wird dort sicherlich fündig.

Mit dem Verdi-Handbuch ist endlich ein fachlich fundiertes und zugleich verständlich dargestelltes Kompendium zu Leben und Werk dieses bedeutenden Musikdramatikers erschienen. Allen, die sich intensiver über Giuseppe Verdi informieren möchten, ob Musik- und Theaterwissenschaftler, Musiker oder Musik- und Opernfreunde, ist es als Lesebuch und Nachschlagewerk wärmstens zu empfehlen.




Cover


Anselm Gerhard, Uwe Scheikert (Hrsg.):
Verdi-Handbuch.
Stuttgart, Weimar: Verlag J.B.Metzler
Kassel: Bärenreiter-Verlag 2001.
Gebunden, 760 Seiten, 128 DM.
ISBN 3-476-01768-0 (Metzler)
ISBN 3-7618-2017-8 (Bärenreiter)



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