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“Man muss auch kämpfen für die eigenen Ideen“

Fabio Luisi ist seit einem Jahr der GMD am Opernhaus in Zürich. Er trat sein Amt gemeinsam mit dem neuen Intendanten Andreas Homoki an. Luisi pendelt zwischen New York und Zürich, benannte das Opernorchester in Philharmonia Zürich um, begann mit dem Aufbau einer Konzertschiene, übernahm einige der Neuproduktion und musste kurz vor seiner eigenen Premiere mit Bellinis „La Straniera" ungeplant auch noch den neuen Don Giovanni, den Sebastian Baumgarten inszeniert hat, übernehmen. Kurz vor der Don Giovanni - Aufführung am Tag vor der Bellini-Premiere sprach Joachim Lange am 21. Juni 2013 mit Fabio Luisi


OMM: Herr Luisi - wie geht es Ihnen? Ich meine als Künstler?

Luisi: Mir geht es ganz ausgezeichnet. Beruflich, aber auch privat. (Lacht)

OMM: Im Ernst gefragt: Sind Sie in Zürich angekommen?

Luisi: Ja, schon. Ich kannte das Orchester bis zum Beginn der Spielzeit nur als Zuhörer. Und das Orchester kannte mich nicht. Ich wusste natürlich, dass es ein gutes Orchester ist, das mit vielen großen Dirigenten gearbeitet hat, die sehr zufrieden damit waren. Wir haben uns im September gleich in die Arbeit gestürzt mit einem Konzert. Für die Oper haben wir die „Jenufa“ erarbeitet, dann die Wiederaufnahme der „Tosca“. So waren wir wochenlang aufs Engste zusammen. Ich betrachte es inzwischen als mein Orchester, jedenfalls habe ich ein gutes Gefühl. In der Oper haben wir ein großes Repertoire und beim Konzert bauen wir es auf.

OMM: Diese Konzertschiene ist schon eine Neuerung, die sie einführen, nicht nur die Umbenennung in „Philharmonia Zürch“.

Luisi: Ja, wir bauen ein Konzertrepertoire auf. Bisher hatte das Orchester kein richtiges Zuhause im symphonischen Fach. Die Gastdirigenten haben das dirigiert, was sie wollten. Ich habe eine programmatische Linie eingeführt. In dieser Saison war es Schumann. Die nächste Saison ist ein bisschen eklektischer, weil wir ein  Basis Repertoire erarbeiten müssen. Wir haben das Die Großen Fünf genannt. Es geht um einige Hauptwerke der Konzertliteratur, die man nicht so ohne weiteres unter ein Dach bringen kann. Wir werden mit Wien um 1915, 1920 weiter machen und das dann in den nächsten Jahren schrittweise ausbauen.

OMM: Auch quantitativ?

Luisi: Es sind sechs Konzerte im Jahr. Das ist eigentlich sehr wenig.

OMM: Sie fügen also einem Opernorchester eine Konzertschiene hinzu – das ist schon etwas anders als in Dresden?

Luisi: Nicht wirklich. Nur ist dort auf Grund der Tradition der Staatskapelle auch schon sehr viel im Konzert gemacht worden. Das ist viel größer ausgebaut als hier, was aber historische Gründe hat.

OMM: Herr Luisi, Sie werden gleich nach unserem Gespräch Don Giovanni dirigieren – vorgesehen war das ja eigentlich nicht, aber Robin Ticciati  hat nach der zweiten Vorstellung das Weite gesucht ...

Luisi: Sie wissen ja, dass die Inszenierung bei der Kritik durchgefallen ist. Zumindest bei Ihren Schweizer Kollegen. Denen hat es nicht gefallen. Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht ganz warum. Es gibt da sicher einige Punkte, die kritikwürdig sind, auch für mich. Hätte ich mit Baumgarten zusammengearbeitet, hätte ich einige Sachen anders machen wollen. Aber da hätten wir sicher einen gemeinsamen Weg gefunden. Ich glaube nicht, dass er ein Regisseur ist, der diktatorisch auf seine Ideen besteht. Aber ich finde die Inszenierung gut. Sie hat sehr gute Punkte: Es ist wahnsinnig lebendig. Baumgarten erzählt eine Geschichte, vielleicht ein kleines bisschen zu sehr in die Satire hinein. Aber er nimmt es trotzdem ernst. Es ist nicht so, dass er sich über das Werk lustig macht.

OMM: Warum hat Ticciati sich dann nach der Premiere davon distanziert?

Luisi: Was meinen Kollegen bewogen hat, das Handtuch zu werfen, weiß ich nicht genau. Ich habe lange am Telefon mit ihm gesprochen. Ich habe ihn gefragt, warum er sich in der Produktionsphase nicht mit den Problemen, die ihn jetzt belasten, auseinandergesetzt hat. Er sagte, dass er gedacht habe, damit umgehen zu können. Es ist aber nicht der Punkt, dass man „damit umgeht“. Man muss mitarbeiten, streiten oder auch kämpfen für die eigenen Ideen. Und wenn man dann etwas wirklich nicht mittragen kann, dann geht man. Vorher! Jetzt ist es wie ein Busfahrer, der mitten in der Fahrt zu den Fahrgästen sagt: ich geht jetzt und Ihr könnt machen, was ihr wollt. Das geht aber doch nicht. Künstlerisch und ethisch. Ich finde das jedenfalls nicht toll.

OMM: Sie haben das dann übernommen…

Luisi: Zwei Tage vorher war ich gerade nach Zürich zurückgekommen, da rief mich die Operndirektorin in der Früh an und sagte, dass der Robin abreisen wolle. Die Inszenierung kannte ich bis zu dem Moment, als ich dann im Graben stand, nicht. Ich habe mir dann die Partitur einrichten lassen. Es gibt ja leider Striche bei den Rezitativen, leider – das ist so ein Punkt, den ich nicht so belassen hätte. Man hat vergessen, dass die Rezitative auch von Mozart und da Ponte sind. Da ist kein Wort zu viel. Das hätte ich anders gemacht…. Aber aus Verantwortungsbewusstsein für das Haus bin ich eingesprungen. Weil ich zu dem Haus stehe - egal was passiert, das ist mein Haus. Abgesehen von dem Einwand, fand ich es sehr virtuos inszeniert, handwerklich wunderbar durchgearbeitet.

OMM: Wenn man Sie so hört, dann war es vermutlich richtig, sich gegen den heute Abend laufenden Hans-Neuenfels -Abend im Schiffsbau und für den Don Giovanni zu entscheiden?

Luisi: Ja, ich glaube das war eine gute Entscheidung. Ich kennen die Neuenfels-Produktion nicht, aber freue mich, dass Sie den Don Giovanni anschauen.

OMM: Hans Neuenfels gehört nicht zu Ihren Favoriten unter den Regisseuren…?

Luisi: Wissen Sie, ich rede immer im Vorfeld einer Produktion mit den Regisseuren. Oder ich kenne Sie, und dann weiß ich schon, ob es funktionieren wird oder nicht. Sie haben den Namen Neuenfels genannt. Das ist jemand, mit dem ich nicht arbeiten würde. Das ist ganz wertungsfrei gesagt. Aber mit der Art, wie er arbeitet, und mit seiner ästhetischen Welt komme ich nicht zurecht. Deshalb habe ich ja auch den Lohengrin bei den Bayreuther Festspielen abgesagt. Da hätten wir nur gestritten, dann hätte das Haus ein Problem gehabt und wir hätten uns alle schlecht gefühlt. Das muss nicht sein.

OMM: Und Christof Loy, dessen Bellini-Inszenierung Sie morgen dirigieren?

Luisi: Christof Loys Inszenierung ist sehr gut geworden. Sie ist in allem traditionell gehalten, aber sehr durchdacht, mit viel Genauigkeit, Liebe zum Detail und im Einklang mit der Musik gearbeitet.

OMM: Gehört Bellini zu Ihren Favoriten?

Luisi: Ja. Ich habe zum Beispiel schon seine Puritani mit Edita Gruberova aufgenommen. Bellini wird zu wenig gespielt, dabei ist er ein ganz wichtiger Komponist für die Entwicklung der italienischen Oper vor Verdi. Viel wichtiger und intensiver als Donzietti. Der hat mit Lucia di Lammermoor, Don Pasquale und Liebestrank im Grunde nur drei gute Opern geschrieben. Bellini dagegen ist durchweg toll.

OMM: Beobachten Sie eigentlich die Entwicklung in Dresden noch?

Luisi: Manchmal rufen mich ein paar Freunde an.  Ich hab doch ein paar Freunde dort (lacht) auch vom Orchester. Auch mit Sängern bin ich noch im Kontakt. Im Moment scheint es kaum jemanden recht zu freuen, dort zu arbeiten. Das Orchester ist gespalten. Aber es ist dort immer gespalten. Es ist schon ein schwerer Ort und ein schweres Haus.

OMM: Und dann auch noch ohne Intendanten … Sie haben ja hier einen. Wie ist ihre Zusammenarbeit mit Andreas Homoki?

Luisi: Sie ist wirklich ganz ausgezeichnet! Wir haben natürlich manchmal auch Punkte, in denen wir unterschiedlicher Meinung sind. Aber er ist ein Profi und er hat wirklich ein Verständnis für das Haus. Er lädt beispielsweise auch Regisseure ein, deren Stil er persönlich nicht so mag, aber die richtig für das Haus sind. Und er kümmert sich auch um die Musik. Homoki ist ein Ansprechpartner, der fast immer da ist und mit dem man über alles reden kann. Vielleicht liegt's auch daran, dass wir im gleichen Alter sind.

OMM: Wenn Sie gelegentlich nicht in Zürich sind, dann vor allem in New York ...

Luisi: An der MET bin ich Principal Conductor und viel für den erkrankten James Levine eingesprungen, er macht aber wieder mehr. Aber drei bis fünf Monate sind es schon. Mit Manon, Guillaume Tell, Lohengrin, Rusalka, einer Norma….

OMM: Große Projekte in dem Riesenhaus – ist das nicht völlig anders als hier am Zürichsee?

Luisi: Es ist ganz anders, auch die Art des Musizierens ist anders. Hier in Zürich kann man intimer und leiser spielen. Ist man an der MET zu leise, verliert sich dort der Klang. Aber auch der Produktionsrhythmus ist dort anders. Es gibt weniger Proben, die Musiker müssen schneller lernen. Ich sage nicht, dass das besser oder schlechter ist, aber die die Arbeitsrhythmen sind schon sehr verschieden.




(21. Juni 2013)




Foto Fabio Luisi - kommt später
Fabio Luisi (Foto ©Barbara Luisi)

Fabio Luisi wurde 1959 in Genua geboren. Zu Beginn seiner Laufbahn übernahm er das Amt des künstlerischen Direktors der Grazer Symphoniker (1990-1996), war Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Wien (1995-2000), des MDR Sinfonieorchesters Leipzig (1999-2007), Musikdirektor des Orchestre de la Suisse Romande (1997-2002) und Generalmusikdirektor der Staatskapelle Dresden und der Sächsischen Staatsoper (2007-2010) – eine Position, die er vorzeitig aufgab. Seit 2005 ist er Chefdirigent der Wiener Symphoniker (bis 2013). Als principle guest conductor (2010) und priciple conductor (seit 2011) arbeitet er regelmäßig an der Metropolitan Opera New York. Seit 2012 ist Fabio Luisi Generalmusikdirektor an der Oper Zürich.






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