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"Ich will künstlerisch tiefer blicken"

Fumito Nunoya erweitert mit seinen Klassik-Interpretationen die Ausdrucksmöglichkeiten des Marimbafons

Der Marimbafonist Fumito Nunoya erweitert die Ausdrucksmöglichkeiten seines Instruments, wenn er diesem Schlaginstrument auf bisher ungeahnte Weise das "singen" beibringt. Gleich zwei neue CDs hat der gebürtige Japaner vorgelegt: Ein Album wo er ausschließlich Kompositionen von Astor Piazolla spielt, und eine weitere mit klassisch-romantisch-barockem Repertoire aus der alten und neuen Welt - beides hat Pioniercharakter, wenn man den bisherigen Exotenstatus des Marimbafons in Betracht zieht. Der gebürtige Japaner verfolgte dabei vor allem ein Ziel: Mit viel Neugier und ebenso viel künstlerischer Konsequenz tiefer in Musik einzudringen.


OMM: Ich bin überrascht, dass sich beim Hören Ihrer neuen CDs spontan dieselben Gedanken einstellten, die Sie in den Linernotes als Ihr künstlerisches Anliegen formulieren. Ich hatte das Booklet zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gelesen, in dem Sie erklären, dass Sie eine neue Form von kantablem Spiel auf dem Instrument anstreben. Das war auch mein spontaner Eindruck beim ersten Hören.

Fumito Nunoya: Es freut mich sehr, dass sich mein Anliegen auf Anhieb erschließt.

OMM: Beginnen wir bei Ihren Ursprüngen. Sie kommen aus Japan, haben in Amerika studiert und sind jetzt selbst Professor am Konservatorium im westfälischen Detmold. Wie sind Sie durch diese verschiedenen Stationen geprägt worden?

Fumito Nunoya: Meine frühen Jahre in Japan waren Lehrjahre. Von einem Durchbruch als Konzertmusiker kann hier noch nicht die Rede sein. Es war dann eine großartige Entscheidung, zum Studieren nach Amerika zu gehen. Da gibt es ein spezielles Master-Degrees-Programm für Marimba und viele weitere sehr gute Fördermöglichkeiten. Rein gefühlsmäßig hatte ich aber in Amerika nicht wirklich mein Zuhause gefunden. Es kam mir immer so vor, als wären hier nicht so viele Menschen offen für klassische Musik. Ich bin dann im Rahmen einer Gastprofessur nach Deutschland gekommen und habe neue, sehr positive Erfahrungen gemacht. Hier gibt es viel mehr Offenheit für alle Arten von Musik. Auch der Umstand, dass viele Menschen hier aktiv musizieren, bereitet mir großes Vergnügen.

OMM: Wie verhält es sich denn hier mit einem so speziellen Instrument wie dem Marimbafon?

Fumito Nunoya: Durch mein Instrument habe ich naturgemäß eine Sonderstellung. Auf Marimbafonen wird vor allem moderne und auch populäre Musik gespielt. Einige spielen auch Bach. Insgesamt gibt es Deutschland weniger Vorurteile als anderswo.

OMM: Hatten Sie schon lange den Wunsch, Klassik zu spielen, und haben nur noch nach einem idealen Ort dafür gesucht?

Fumito Nunoya: Durchaus, aber eher unbewusst. Deutschland für mich der ideale Platz dafür geworden. Vielleicht hat das Schicksal mich hierhin verschlagen. Auf jeden Fall bin ich sehr dankbar dafür.

OMM: Wie verhält es sich mit der Popularität des Marimbas im Ländervergleich?

Fumito Nunoya: Das Marimba ist mittlerweile ein sehr populäres Instrument - sowohl in Japan, als auch in Amerika. Vor allem dort gibt es sehr viele Möglichkeiten, dieses Instrument zu studieren.

OMM: Was hat Sie überhaupt zu diesem Instrument gebracht?

Fumito Nunoya: Als ich 17 war, musste ich mich entscheiden. Sollte ich ein wissenschaftliches Studium einschlagen und Lehrer werden? Ich spielte zu diesem Zeitpunkt in einer Brassband das Marimba. Es machte mir großen Spaß und ich hatte das Gefühl, ich kann wirklich etwas ernsthaftes darauf aufbauen. Dann war es klar: Ich wollte Musik studieren.

OMM: Ihre heutigen musikalischen Resultate zeugen von großer Zielstrebigkeit. Mit Ihren neuen CDs haben Sie neues Repertoire für dieses Instrument erschlossen. Wie war der Weg dorthin?

Fumito Nunoya: Ich habe viele Marimba-Aufnahmen gehört und bin zu Konzerten gegangen. Aber ich hatte oft den Eindruck, dass hier etwas entscheidendes fehlt. Ich habe nicht nur Marimbamusik, sondern auch Klavieraufnahmen, Violine und Cello gehört. Diese Instrumente berührten mich noch viel mehr. Da war etwas spürbar, was in der bereits existierenden Marimbamusik nicht oder nur ganz schwach vorkommt. Wie wird phrasiert? Welches Gefühl kommt zum Ausdruck? Solche Aspekte vermisste ich in der gängigen Marimba-Praxis. Aber ich habe mich darauf eingelassen, solche Qualitäten zu erarbeiten, wo es ums phrasieren und singen, um das Erzeugen einer emotionalen Bandbreite geht. Klavier oder Violine geben solche Aspekte ja sehr unmittelbar an ihr Publikum weiter und werden deshalb so geliebt. Da wollte ich auch hin.

OMM: Sie sind möglicherweise der erste Marimbaspieler, der in solch künstlerischer Ernsthaftigkeit Bach, Piazolla oder Chopin interpretiert. Genießen Sie dieses Alleinstellungsmerkmal?

Fumito Nunoya: Das ist mir egal. Mir geht es um die Musik und ich bin glücklich, wenn andere verstehen, was ich hier tue. Ich möchte mich in einer Ausdruckswelt bewegen, bei der ich bislang den Eindruck hatte, dass sie Instrumenten wie der Violine vorbehalten ist. Aber ich denke überhaupt nicht darüber nach, etwas besonderes zu sein. Ich will nur künstlerisch tiefer blicken.

OMM: Was fällt dem Marimba leichter als anderen Instrumenten?

Fumito Nunoya: Das Marimba klingt aus sich selbst heraus. Auf der Geige muss man jahrelang üben, bis überhaupt ein halbwegs annehmbarer Ton herauskommt.

OMM: Transportieren Sie immer Ihr eigenes Instrument zu den Auftrittsorten?

Fumito Nunoya: Es hängt davon ab. In Deutschland habe ich zum Glück diese Möglichkeit. In Japan und Amerika habe ich oft auf anderen Instrumenten gespielt. Das eigene Instrument ist mir auf jeden Fall lieber.

OMM: Wie sind Sie auf die Musik Astor Piazollas gestoßen?

Fumito Nunoya: Das hört sich fast schon profan an jetzt. In Japan lief ein Werbespot für eine Spirituosenmarke, der von Piazollas berühmtem Stück Libertango unterlegt war. Ich suchte gerade nach einem mitreißenden kompakten Stück mit starker Publikumswirkung. Ich habe meine Mutter um ihren Rat gebeten. Sie hat mich bestärkt, den Libertango zu spielen. Ich zweifelte zu Anfang noch und fragte mich, ob diese Musik nicht vielleicht zu kommerziell ist. Aber dann habe ich das wahre Potenzial in vielen Piazolla-Stücken erfasst. Mich überraschte, wie direkt und eingängig diese Stücke sind, zugleich aber auch, wie viel Seele da überall drinsteckt. Es hatte mich emotional gepackt!

OMM: Wie kam es zu zwei sehr unterschiedlichen CD-Produktionen in kurzer Zeit?

Fumito Nunoya: Ich habe zwei Recordingsessions im Oktober 2015 und März 2016 gemacht. Trotz der zeitlichen Nähe sind dies zwei unterschiedliche Prozesse. Die Piazolla-CD war ein sehr langfristiges Projekt. Ich suchte lange nach passenden Mitmusikern, die meiner Klangvorstellung entsprechen. Zeitgleich fing ich an, das Konzept für die andere CD zu entwickeln und habe begonnen, Musik von Tedesco oder Bach fürs Marimba zu arrangieren. Dabei stieß ich auf die Pianistin Momoko Shano. Schnell war klar, dass ich alle Klavierparts mit ihr aufnehmen wollte.

OMM: Ist die Emanzipation des Marimbafons für den klassischen Konzertbetrieb Ihr erklärtes Anliegen?

Fumito Nunoya: (Lacht) ich weiß nicht! Ich will nichts demonstrieren, da es mir vor allem um meine eigene Neugier geht. Natürlich freue ich mich, wenn meine Arbeit auch andere Musiker ermutigt. Aktuell beobachte ich, dass sich die Percussion-Szene im Moment immer mehr auf einen Show-Aspekt verlagert. Das ist ja zunächst nichts Negatives, weil dadurch viel Publikum auf diese Instrumente aufmerksam wird. Mein Interesse zielt jedoch auf andere Aspekte als auf maximale Schnelligkeit und Virtuosität. Deswegen habe ich ja auch diese CDs gemacht. Ich muss nicht zwangsläufig andere damit beeinflussen. Ich will es einfach nur machen.

OMM: Es geht Ihnen darum, ehrlich und authentisch zu bleiben?

Fumito Nunoya: Das ist mein größtes Anliegen. Es geht darum, den Blick jenseits des Instruments auf die Musik als solche zu lenken. Das Instrument ist immer nur ein Mittel, das dahin führt.


(Dezember 2016)




Foto
Foto © Fotostudio Büttner

Fumito Nunoya, geboren in Japan, begann im Alter von 13 Jahren, Marimbafon zu spielen. Heute gilt er als einer der wichtigsten Vertreter dieses Instruments. Seit 2009 unterrichtet Fumito Nunoya an der Musikhochschule Detmold. Zuletzt hat er zwei CD-Einspielungen veröffentlicht - Piazolla on Marimba und Classics on Marimbafon (unsere Rezension, beide erschienen bei Oehms Classic.



Foto
Foto © Claudia Hansen




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Foto © Dirk Schepmeier




Zur Homepage von Fumito Nunoya:
www.fumitonunoya.com


Zu unserer Rezension der CDs
von Fumito Nunoya





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