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Bückers Abschied

Intendant André Bücker verlässt das Anhaltinische Theater Dessau und verabschiedet sich mit zwei Aufführungen von Wagners Ring des Nibelungen. Wer weiß, ob so etwas an deutschen Stadttheatern zukünftig noch möglich sein wird.

Von Joachim Lange

In der letzten Juni-Woche herrschte in Dessau eine besondere Großwetterlage: Es gab eine Art Bayreuth-Hoch. Und das Ganz unabhängig von der Außentemperatur. Zum Ende der Ära von Intendant André Bücker und Generalmusikdirektor Antony Hermus standen zwei zyklische Aufführungen des Ring des Nibelungen, mit dem bayreuthüblichen Pausentagen nach der Walküre und dem Siegfried.

Die Götterdämmerung endete mit über zwanzig Minuten standing ovations. Als der bisherige Intendant und Ring-Regisseur André Bücker und sein Partner im Graben, Chefdirigent Antony Hermus, vor den Vorhang traten, stieg der Lautstärkepegel noch einmal merklich an. Mag sein, dass den Wagnerfans, die in den zwei Ring-Zyklen (im Mai und Juni) achtmal für ein komplett ausverkauftes Haus sorgten, bewusst war, dass dies auf absehbare Zeit der letzte Ring in diesem dafür maßgeschneiderten Haus gewesen sein dürfte. Was Bücker, sein GMD, das Dessauer Ensemble und die Gäste hier abgeliefert haben, war nicht nur der denkbar eindrucksvollste Schlusspunkt einer so erfolgreichen wie kämpferischen Intendanz, sondern nicht weniger als ein exemplarischer Beleg dafür, warum das Deutsche Stadtheatersystem ganz zu recht Weltkulturerbe ist. Es wird nicht mehr lange dauern und jeder, der das miterlebt hat, wird diese kleinen Ringfestspiele als etwas ganz Außergewöhnliches aus jener Zeit in Erinnerung behalten, in der eine Landespolitik a la Bullerjahn und Dorgerloh (Finanz- und Kulturminister in Sachsen-Anhalt, beide SPD) dem Theaterland noch nicht die Luft für solche Höhenflüge abgedreht hatte - siehe dazu unser Interview mit André Bücker.


Foto Brünnhilde im Bauhausformat: Bückers Inszenierung des Ring des Nibelungen (Foto © Claudia Heysel)

André Bücker hat mit seinem "Ring in der Bauhausstadt" einen Coup gelandet. Und zwar nicht nur für das Theater mit seinen 1100 Plätzen. Auch für die Stadt war das Gold wert. Denn die Gäste kamen nicht nur aus Berlin und ganz Deutschland, sondern auch aus 18 weiteren Ländern Europas und aus Übersee. Das sorgte für ausgebuchte Hotels und alles, was da noch so dranhängt. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn es hierzulande nicht außerhalb von Sachsen-Anhalt Politiker gäbe, die mit ökonomischen und künstlerischen Umwegrentabilitäten mehr anfangen können als die, die Bücker jetzt in Dessau den Stuhl vor die Tür gesetzt haben.

Was die Qualität und Konkurrenzfähigkeit dieses Nibelungen-Schmuckstücks betrifft, da bedarf es keines Lokal- oder Solidaritätsbonus. Wer hat schon ein so ringkompatibles Hausensemble wie Dessau: Mit einem Wotan wie Ulf Paulsen, der einen Premium-Wanderer als Höhepunkt hinlegt. Eine Brünnhilde wie Iordanka Derilova - erstklassig vom ersten Hojotoho bis zum Schlussgesang! Einer Fricka mit Mustereloquenz wie Rita Kapfhammer (inklusive Erda und Waltraude). Oder einer Angelina Ruzzafante, die eine genauso überzeugende Sieglinde wie Gutrune ist. Da komplettiert dann ein exzellenter Gast-Siegfried wie Jürgen Müller (er war Kirill Petrenkos Siegfried beim legendären Meininger Ring vor 15 Jahren) das fabelhafte Ringensemble "nur" noch! Dass dann, wenn ein Ersatz-Alberich im Siegfried gebraucht wird, am Morgen ein Anruf in Halle genügt und Gerd Vogel das aus dem Stand übernimmt, gehört das auch zu einem Niveau, wie es hierzulande noch herrscht. Natürlich geht das alles nicht ohne ein bestens einstudiertes Orchester und einen umsichtigen Dirigenten. Antony Hermus hat nicht nur für beides gesorgt, er hat mit der Anhaltischen Philharmonie ein Tempo vorgelegt, das seines gleichen sucht.

Bücker wird seine Gründe gehabt haben, den Ring von hinten zu beginnen. Die innere Logik und ästhetische Stringenz freilich entfaltete sich erst jetzt in der richtigen Reihenfolge in vollem Umfang. Ein Wotans- respektive Bückers Abschied mit Format! Bravo! Adieu und Danke!




(Juli 2015)
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Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner

siehe unsere Rezensionen von

Das Rheingold (Januar 2015)
Die Walküre (September 2014)
Siegfried (März 2013)
Götterdämmerung (Mai 2012)


zwei zyklische Aufführungen
am Anhaltischen Theater in Dessau
vom 13. bis 17. Mai 2015 und
vom 23. bis 28. Juni 2015

Produktionsteam:

Musikalische Leitung
Antony Hermus

Inszenierung
André Bücker

Bühne
Jan Steigert

Kostüme
Suse Tobisch

Projektionen
Frank Vetter, Michael Ott

Chorleitung
Helmut Sonne

Dramaturgie
Sophie Walz, Felix Losert

Anhaltische Philharmonie Dessau

Solisten (Auswahl)

Wotan/ Wotan/ Wanderer/ Gunther
Ulf Paulsen

Fricka/Erda/Waltraude
Rita Kapfhammer

Freia/ Sieglinde/Waldvogel/ Gutrune
Angelina Ruzzafante

Siegmund
Thomas Mohr

Hunding
Stephan Klemm

Brünnhilde
Iordanka Derilova

Siegfried
Jürgen Müller

Hagen
Stephan Klemm

Alberich
Nico Wouterse



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