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Nicht nur Mozartkugeln am Bosporus

Die Salzburger Festspiele präsentieren in der europäischen Kulturhauptstadt Istanbul ihr Programm und einen neuen Sponsor

Von Joachim Lange / Fotos: © Salzburger Festspiele / Wolfgang Lienbacher

Die Steilvorlagen für diesen auswärtigen PR-Termin der Salzburger Festspiele hätten sich kaum programmatischer planen lassen: Kurz vor der offiziellen Eröffnung des neben dem deutschen Essen im Ruhrgebiet und dem ungarischen Pécs dritten europäischen Kulturhauptstadtjahres in Istanbul mit ihrem millionenteuren Feuerwerkspektakel reisten die Präsidentin Helga Rabl-Stadler und der Interimsintendant und Konzertchef Markus Hinterhäuser an den Bosporus, um dort das Programm für den kommenden Sommer zu präsentieren. Was für den gut verdienenden und westlich orientierten Teil der türkischen Elite durchaus ganz wörtlich als Einladung gemeint ist, hat natürlich vor allem eine symbolische Bedeutung für die Stadt und den EU-Aspiranten Türkei.


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Brückenschlag zwischen Asien und Europa am Bospurus

Dabei ist das Kulturhauptstadtjahr in der expandierenden, mindestens 13 Millionen-Megametropole, die zur einen Hälfte in Europa und zur anderen in Asien liegt, mit diversen Skandalen im Vorfeld gepflastert, springt nicht gerade ins Auge und kommt nur mit einer eher orientalischen Gelassenheit in die Gänge. Dass der 360 Millionen Euro schwere Kulturhauptstadt-Etat über einen Aufschlag beim Tanken finanziert wird, ist nicht ungewöhnlich, denn auch sonst überlässt der türkische Staat den privaten Mäzenen bei der Finanzierung der Kultur den Vortritt. Was Istanbul an Stätten für moderne Kunst vorweisen kann, ist so gut wie ausschließlich privat finanziert. Und ein Großteil der Hauptstadtjahrmittel wird für überfällige bauliche Rekonstruktionen verwendet.


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Präsidentin und Intendant auf Werbetour in Istanbul – Programmpräsentation in einem Istanbuler Luxushotel

Helga Rabl-Stadler präsentierte aber nicht nur ihr aktuelles Programm sondern vor allem einen neuen, türkischen Sponsor, dessen Mittelzusage für die Jahre 2011 bis 2013 sozusagen ein Geschenk an den neuen Salzburger Festspiel Intendanten Alexander Pereira sein wird, der es ja auf diesem Gebiet in seinem Zürcher Intendantenjob zu einiger Meisterschaft gebracht hat. Mit Ahmet Kocabiyik ist der Festspielpräsidentin tatsächlich ein regelrechter Coup gelungen. Der Chef der dreieinhalb Milliarden Dollar Jahresumsatz schweren Misch-Holding „Borusan“ kann sich für die ehrgeizigen, globalen Öffnungsambitionen der heuer 90 Jahre alten Festspiele durchaus als Brückenbauer und als Glücksfall erweisen. Der musik- und kunstbegeisterte Firmenchef hat nicht nur den Firmensitz (natürlich mit erstklassigem Bosporus-Blick) exzessiv, aber geschmackvoll, mit moderner Kunst ausgestattet– u.a. wird das gesamte Treppenhaus von einem Röhrendekor von Peter Kogler dominiert, was zum weltweiten Borusan-Engagement in der Energie- Logistik und vor allem Stahlbranche ganz gut passt. Er bezeichnet sein jährliches (und auch in der Krise nicht zurückgefahrenes!) mit 8 bis 9 Millionen Dollar nicht unerhebliches Engagement für Bildung, Kultur und Kunst als eine für ihn wichtigen Bereich. Was man ihm durchaus abnimmt. In Istanbul kommt (auch im Kulturhauptstadtjahr) selbst die Hochkultur ohnehin nur auf die Beine, wenn sich private Mäzene dafür stark machen. Vom Staat ist da nichts zu erwarten.


Foto kommt später Festspielleitung von den neuen Sponsoren eingerahmt: Borusan Chef Ahmet Kocabiyik und seine Schwester, die für den Kunst und Bildungssparte der Holding zuständige Schwester Zeynep Hamedi

So ist unter dem Dach des Borusan-Zentrums für Kultur und Kunst mitten in der Altstadt, gerade rechtzeitig zum Hauptstadt-Jahr, hinter einer alten Fassade ein modernes Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum fertig geworden. Die größten Ambitionen gelten aber der Musik. Mit seinem Sponsorenbeitrag für die nächsten Salzburger Festspiele wird er dort die Einladung von Gastorchestern mit ermöglichen. Doch vom kulturellen und auf Europa orientierten Ehrgeiz wird besonders jenes Orchester profitieren, das Dirigent Sascha Goetzel (39) mit Leidenschaft und Können projektbezogen um das Borusan Streichquartett herum aufbaut und formt. Und von dessen jüngsten künstlerischen Fortschritten Markus Hinterhäuser so angetan war, dass er das Angebot, eines Beitrages dieses türkischen Orchesters für das Eröffnungsfest unmittelbar vor dem Start des offiziellen Festspielprogramms, dankend angenommen hat. Das von Kocabiyik privat finanzierte „Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra“ das vor gut zehn Jahren bescheiden begann, wird in Salzburg mit Stücken von Mozart und Fazil Say, außer Konkurrenz auftreten. Der exklusiven Bühne, die das dennoch für ein junges Orchester bedeutet, ist sich Goetzel dabei ebenso bewusst, wie der Chance, die ihm hier geboten wird. „Hierher kommt man frisch und schreibt ein neues Buch. Ich baue in Istanbul eine Orchesterkultur auf, etwas Bleibendes.“ Ambitioniert ist auch die erste vorgelegte CD mit Werken von Respighi, Hindemith, und Schmitt.


Foto kommt später Das Borusam Streichquartett - ist der Kern des Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra, das mit Sascha Goetzel am Anfang eines ambitionierten Weges steht. Im Sommer werden sich die türkischen Musiker beim Eröffnungsfest unmittelbar vor dem Start des offziellen Festivalprogramms in Salzburg vorstellen

Wenn Ahmet Kocabiyik und Sascha Goetzel von ihrem Ziel sprechen aus dem Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra in zehn bis fünfzehn Jahren ein wirklich führendes Orchester zu machen, dann hält man das, nach drei Tagen in Istanbul, keineswegs für ein Märchen aus Tausend und einer Nacht.

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