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Am Rande der Wolfsschlucht

Die Verleihung des Deutschen Theaterpreises DER FAUST 2012 in der Oper Erfurt

Von Joachim Lange



Vergrößerung Dominique Horwitz - der Moderator singt

Man kann es immer noch schräg finden, einen Theaterpreis DER FAUST zu nennen. Da er mittlerweile aber bereits zum siebenten Mal verliehen wurde, hat er sich etabliert. Und die deutsche Theaterszene hat einen guten Grund, sich alljährlich, organisiert vom Deutschen Bühnenverein, zusammen zu finden und sich auch mal selbst zu feiern. Dabei geht es bei weitem nicht so glamourös zu wie bei diversen Film- oder Fernsehpreisen. Man hält auf sich und vermeidet die Nähe zum Schickimicki-Pomp, der da gerne entfaltet wird. Die großen Event-Vorbilder kommen immerhin als ironische Zitate vor. Ganz ohne einen Hauch von Oscarchen aber geht die Chose nicht. Manchmal wünschte man sich sogar diese Momente der Überraschung, bei denen die Ausgezeichneten um Worte ringen und mit freudentränenerstickter Stimme Ihren Liebsten danken. Und allen anderen auch. Die wunderbare Ana Durlovski, die als beste Sängerdarstellerin in Jossi Wielers Stuttgarter Nachtwandlerin ausgezeichnet wurde, schien als einzige tatsächlich überrascht zu sein und hatte wirklich keinen Zettel dabei. Und der Tänzer William Moore, der den Preis in der Kategorie „Darsteller Tanz“ ebenfalls nach Stuttgart holte, gab eine Probe britischen Humors, als er nach allen anderen zu guter Letzt auch noch sich selbst dankte.

Die FAUST-Preise gibt es in den für das Metier naheliegenden Sparten: im Musiktheater für Regie und Sänger(in), im Schauspiel ebenfalls Regie und Schauspieler(in), für Chorographie und Tänzer(in), für Bühne und Kostüme und für das Kinder- und Jugendtheater. Daneben verleiht der Präsident des Deutschen Bühnenvereins einen Sonderpreis. Und dann gibt es noch den für das Lebenswerk. Das ist der, bei dem sich am Ende alle zu standing ovations erheben, bevor es das große Jahrgangsfoto und die Aftershow Party gibt.

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Matthias Lilienthal, legendärer Chef des HAU,erhält den "Preis des Präsidenten"

Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Klaus Zehelein, hatte sich aus sehr nachvollziehbaren Gründen bei seinem Preis für Matthias Lilienthal entschieden. Lilienthal, der momentan in Beirut unterrichtet, bekam ihn für seine höchst erfolgreiche Arbeit am Berliner HAU. Mit diesem „Hebbel am Ufer“ hat er dem Theater tatsächlich neue Räume eröffnet, jenseits aller eingefahrenen Genregrenzen und Strukturen. Der Faust für das Lebenswerk ging an Tankred Dorst und seine Lebens- und Arbeitspartnerin Ursula Ehrler. Sage also keiner, der Osten käme nicht vor beim FAUST. Dank Tankred Dorst kommt Thüringen neben dem gastgebenden Theater damit also auch noch als Heimat des so produktiven und vielseitigen, 1925 in Sonneberg geborenen Dramatikers, Autors und Regisseurs vor. Ansonsten kommt nur die Nominierung von Jahn Gehler für seine Inszenierung von „Tschick“ am Staatsschauspiel Dresden aus dem Osten. Hätte man in der FAUST-Beilage der „Deutschen Bühne“ nicht nur eine Karte mit den Nominierungen, sondern auch die mit den 500 eingereichten Vorschläge eingefügt, sähe die Verteilung sicher anders aus als dieser Westhalbkreis, den die regionale Verteilung der Nominierung in diesem Jahr ergibt. Aus diesem Dreiervorschlag für jede Kategorie wählt dann die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste den Preisträger aus.


Vergrößerung Bekommen den FAUST für die beste Opernregie: Sergio Morabito und Jossi Wieler (Foto © Martin Sigmund)

Natürlich hat so ein Unternehmen mit landesweitem Anspruch, wie es der FAUST ist, ganz zwangsläufig neben dem Vorzug des Hervorhebens auch den Nachteil des scheinbaren Vernachlässigens. Es liegt in der Natur der Sache, dass jeder, der sich in der Branche ein wenig auskennt, begründete Gegenvorschläge machen könnte, und bei den Nominierungen die eine schlüssiger als die andere findet. Inhaltlich kann man weder gegen die aktuellen Nominierungen, noch gegen die Auswahl der Preisträger ernsthafte Einwände machen. Und dass, von außen betrachtet, keine Fehlentscheidung dabei ist, ist ja auch schon mal was.

Bei der Opernregie etwa müssen sich weder Lydia Steier noch Lorenzo Fioroni grämen, gegen ein so eklatant und nachhaltig gutes Regieduo wie es Jossi Wieler und Sergio Morabito seit bald zwanzig Jahren sind, zu unterliegen. Hier ist der Weg das Ziel. Bei den Sängern durfte man wirklich gespannt sein – hier war die Nominierungsauswahl besonders exquisit. Und wenn man da noch mit dem sensationellen Überwältigungserlebnis der Hannoveraner Traviata selbst Nicole Chevalier gerne vorn gesehen hätte, so waren auch Bo Skovhus (als Lear in Hamburg) und die Nachtwandlerin der ausgezeichneten Ana Durlovski voll und ganz preiswürdig.

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Beste Sängerdarstellerin: Ana Durlovski (Foto © Martin Sigmund)

Bleibt die Show. Da stand Dominique Horwitz (als Moderator) drauf und da war auch reichlich Dominique Horwitz drin. Der fühlte sich nämlich in der Dekoration seiner „Freischütz“- Inszenierung (die man im Unterschied zu ihm selbst ja keineswegs für genial halten muss) offensichtlich pudelwohl. Gab den Klassenkasper und mit allen Promis bestens vertrauten Selbstdarsteller, hatte ein „Hallo Christine“ für die Landesmutter ebenso locker drauf wie ein „Hallo Klaus“ zum Präsidenten. Sagte sich sogar höchst überschwänglich selbst als Laudator an, nervte manchmal mit etwas zu viel Eitelkeit, machte seine Sache im Ganzen aber doch gut. Seine immer gleiche Begrüßungsfloskel wurde zum Running Gag, doch er kam jedes Mal in einer anderen Rolle. Als Ex-Politiker, Tenor oder von der Stimme aus dem Off genervter Schauspieler. Da er seine Auftritte in erträglichen Portionen getimt hatte, mit Jan Christoph Scheibe und Band auch mal ein ziemlich angeschrägtes Stück Freischütz sang, zur Marionetten-Tänzerin von Kristine Stahl, die für die Laudatio in Sachen Tanz zuständig war, ein zärtliches Verhältnis fand, war sein Part am Ende eher ein Vergnügen. Und die von Francesco Bottigliero zum Text eines Kritikers vertonte „Auf in den Kampf“ Laudatio, die der Erfurter Opernchor intonierte, zu ertragen. Bei den übrigen Laudatoren lieferte der Neuköllner Murat Topal einen Einstieg als erfrischender politischer Spötter mit Hintersinn: In Neukölln sei die Mehrzahl von Faust Fäuste und das tagtäglich. Befreiendes Lachen zu einer ernsten Angelegenheit. Während Edgar Selge mit seiner Laudatio auf Martin Kusej akademisch anfing und dann vor der erneut drohenden Schließung des Schauspielhauses in Wuppertal warnte und zur Solidaritätsversammlung am nächsten Welttheatertag, dem 27. März, nach Wuppertal einlud, um Flagge zu zeigen. Was für einen Moment in dieser Wohlfühl-Veranstaltung dann doch an den Ernst der Lage erinnerte.




(November 2012)




Der FAUST – Die Preisträger 2012:

Regie Schauspiel:
Martin Kušej für
Die bitteren Tränen der Petra von Kant
(Bayerisches Staatsschauspiel München)

DarstellerIn Schauspiel:
Burghart Klaußner als Willy Loman
(Tod eines Handlungsreisenden)
(St. Pauli Theater Hamburg)

Regie Musiktheater :
Jossi Wieler / Sergio Morabito für
Die glückliche Hand / Schicksal (Osud)
(Oper Stuttgart)

SängerdarstellerIn Musiktheater:
Ana Durlovski als Amina
in La Sonnambula (Die Nachtwandlerin),
(Oper Stuttgart)

Choreografie
Martin Schläpfer für
b.09 - Ein Deutsches Requiem,
(Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg)

DarstellerIn Tanz
William Moore und Olivier Brusson
in Das Fräulein von S.,
(Stuttgarter Ballett)

Regie Kinder- und Jugendtheater
Barbara Bürk für
Alice im Wunderland ,
(Deutsches Schauspielhaus Hamburg)

Bühne / Kostüm:
Barbara Ehnes / Chris Kondek für
Quijote. Trip zwischen Welten,
(Thalia Theater Hamburg)

Lebenswerk:
Tankred Dorst gemeinsam mit seiner Ehefrau und Co-Autorin Ursula Ehler  

Preis des Präsidenten:
Matthias Lilienthal für seine innovativen und prägenden, genre- und länderübergreifenden Programmentwicklungen


Da capo al Fine

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