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Bühnen- und Kunsträume

Von Stefan Schmöe, Wuppertal
November 2000



Erich Wonder ist sicher einer der wichtigsten Bühnenbildner unserer Zeit. Er hat 1981 in Frankfurt Hans Neuenfels' legendäre Aida ausgestattet - einer der größten Theaterskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte und gleichzeitig Befreiungsschlag gegen eine verkrustete Wahrnehmung des Phänomens Oper. Eine weitere Großtat, wenn auch unter ganz anderen, weniger "revolutionären" Umständen, war sein Bühnenbild zu Tristan und Isolde bei den Bayreuther Festspielen 1993, das in seiner rätselhaften Poesie den Erfolg der Aufführungen auch dann noch rettete, als nach dem Tod des Regisseurs Heiner Müller dessen Assistenten die von Müller intendierte Personenregie der Unnahbarkeit entstellten und durch konventionelle Arrangements ersetzten.

Wonder hat sich nie auf die Oper beschränkt, im Gegenteil: Mit den Regisseuren Luc Bondy und Jürgen Flimm, den Zahlen der gemeinsamen Arbeiten nach zu urteilen seine "Lieblingsregisseure", hat er unzählige Schauspielproduktionen ausgestattet, und auch als Künstler ist er öffentlich aufgetreten, unter anderem auf der documenta 8 1987 in Kassel. Das im Hatje Cantz Verlag erschienene Buch "Erich Wonder - Bühnenbilder" versucht, ein ganzheitliches Bild Wonders zu zeichnen, das Arbeiten aus allen Genres berücksichtigt. Herausgeber Koschka Hetzer-Molden versucht weniger, ausgesuchte Arbeiten zu dokumentieren, als vielmehr ein kaleidoskopartiges Puzzle-Bild von Wonder zu zeichnen.

Von den 269 Illustrationen (davon 228 farbig) sind viele kleinformatig; oft wurde bewusst Bewegungsunschärfe eingefangen oder durch extreme Blickwinkel und Ausleuchtungen ein Dokumentationscharakter zu Gunsten eines "künstlerischeren" Profils aufgegeben. Das ist mit Sicht auf die Opern-Rezeptionsgeschichte bedauerlich, da viele von Wonders Ausstattungen in der Tat für ein breiteres Publikum dokumentierenswert wären. Andererseits kommt der Denkweise Wonders mit der hier gewählten Vorgehensweise sicher näher, auch wenn die kurzen Texte, u.a. von Luc Bondy, Heiner Müller und Peter Iden - leider meist im obligaten Huldigungston gehalten - sowie die Auszüge aus Gesprächen mit Wonder ein leicht verklärtes Bild des über den Dingen schwebenden Genies zeichnen.

Aus aktueller Sicht interessant sind Wonders Skizzen und Entwürfe zum neuen Bayreuther Ring, im Sommer 2000 von Jürgen Flimm auf die Bühne gebracht - auch wenn dies nicht zu den besten Arbeiten Wonders gehört. Da der Band bereits vor der Premiere erschien, konnten Fotos von der Realisation nicht mehr einbezogen werden, was jedoch durchaus von Vorteil ist: Relativ umfangreich kann man, zumindest in kleinen Ausschnitten, Einblick in die Genese der Bühnenbilder zu diesem Mammutwerk nehmen. Wonders Malerei zum Ring, Gemälde, die Wonder ganz privat und ohne unmittelbaren Bezug mit dem Bayreuther Auftrag gemalt hat, sind in diesem Zusammenhang aufschlussreich, weil sie losgelöst von Bühnenzwängen Wonders Assoziationen ausdrücken.

Zum Finale der Walküre beispielsweise hat Wonder ein berstendes Flugzeug, das in eine Art Eisblock eingefroren ist, gemalt. Beim Betrachten solcher Bilder kommt man nicht umhin zu bedauern, dass die tatsächlichen Entwürfe zu Jürgen Flimms theoretisch bis ins letzte Detail durchdachten, aber dadurch eben auch oft so rätsellosen und etwas langweiligen Konzept weit weniger suggestiv gestaltet sind. Hier spürt man etwas vom Widerstreit zwischen dem Künstler und dem Theaterpraktiker.

Beim Lesen des Bandes fallen einem aber auch bestimmte Konstanten auf, die sich beinahe leitmotivisch durch Wonders Ausstattungen ziehen. Etwa ein leuchtend rotes Viereck, 1979 in der Performance Rosebud in Düsseldorf ebenso verwendet wie im Projekt Maelstromsüdpol (documenta 8 1987 und Landwehrkanal Berlin 1988), in Richard Strauss' Salome (Salzburger Festspiele 1992, Regisseur: Luc Bondy) oder in der schon zitierten Bayreuther Tristan-Inszenierung Heiner Müllers. Die Variation einer künstlerischen Idee als Gestaltungsprinzip: Das Vor- und Zurückblättern im Buch lohnt, denn je häufiger man das tut, desto mehr sieht man. Das ist kein schlechter Ansatz, um Erich Wonders Bühnenbildern gerecht zu werden.





Cover



Koschka Hetzer-Molden (Hrsg.):
Erich Wonder - Bühnenbilder
Hatje Cantz Verlag,
Stuttgart 1999.
Gebunden, 180 Seiten,
mit 269 Abbildungen
(davon 228 in Farbe)



Da capo al Fine

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