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Bayreuther Festspiele (II) 3. August 1998 Nach vierjähriger Ruhepause erlebte Der Fliegende Holländer eine beachtenswerte Wiederaufnahme. Peter Schneider sorgte mit dem blendend aufgelegten Festspielorchester gleich zu Beginn für ordentlich frischen Wind und eine temperamentvolle musikalische "Untermalung" der unsäglichen - von Dieter Dorn arrangierten - Pantomime während der Ouvertüre. Immerhin bildet sie zusammen mit der szenischen Pointe am Ende des Stückes eine konzeptionelle Klammer um die Ballade, die ohne Unterbrechung - und in den dominierenden Farben Schwarz, Gelb und Rot - ihrer unabwendbaren Klimax zusteuert. Die Personenführung der Protagonisten ist zwar etwas sehr typisierend, entspricht aber weitgehend der von Wagner vorgegebenen Anlagen. Die Partien waren bei dieser szenischen Wiederaufnahme - abgesehen von Hans Sotin als Vollblut-Daland - durchweg mit neuen Sängern besetzt. Grandios war dabei der Einstand von Allan Titus als Holländer. War er vor kurzem noch in einer atemberaubenden Inszenierung von Robert Carson als grandioser Macbeth in Köln zu erleben, so bewies er hier erneut seine schier überbordende Energie sowohl als Darsteller, wie auch als Sänger (wobei die Intonation allerdings noch nicht immer einwandfrei war). Trotzdem untermauerte er eindrucksvoll seine Anwärterschaft auf die Nachfolge von John Tomlinson als Wotan für den Ring im Jahre 2000. Aufhorchen liess, neben Torsten Kerl als Steuermann - der auch einen sehr guten Eindruck im Meistersinger-Ensemble hinterliess - vor allem Roland Wagenführer, der ausser durch seinen dynamisch-variablen Tenor auch durch seine grosse Einsatzbereitschaft bei der Gestaltung der Partie des Erik gefiel. Man darf daher äusserst gespannt sein, wie sich Roland Wagenführer im kommenden Jahr als Lohengrin präsentieren wird. Gegen diese beeindruckenden Leistungen hatten es die beiden Frauen, Marga Schiml als Mary und Cheryl Studer als Senta, nicht einfach, sich zu profilieren. Cheryl Studer gelang es trotzdem über weite Strecken - auch wenn sie vom Äusseren her nicht gerade der Idealvorstellung einer Senta entspricht - durch ihre stimmlichen Qualitäten zu überzeugen, auch wenn einige heikle und extrem leise Passagen nicht ganz lupenrein waren. Klanglich über jeden Zweifel erhaben und von Norbert Balatsch hervorragend einstudiert waren die Chöre, die allerdings von der Regie her auch nicht gerade sonderlich beansprucht wurden. Insgesamt war es eine musikalisch weitestgehend hochklassige Aufführung, die szenisch vor allem von den farbig prächtigen Bühnenbildern von Jürgen Rose und einigen szenischen Höhepunkten (z.B. Holländersegel, Schatztruhentrick, Sternengalaxien und schwebendem Haus) lebt.
Die Meistersinger von Nürnberg hatten es dagegen nicht leicht, sich als glanzvolle Produktion zu präsentieren. Robert Holl, der wiederum als Sachs zu erleben war, ist zwar ein ganz hervorragender Sänger und Liedinterpret, was er auch diesesmal wieder unter Beweis stellte, aber für diese Riesenpartie fehlen ihm (anscheinend) doch die gewissen stimmlichen Kraftreserven, um ohne "Kniezittern" auch noch die Festwiesenszene souverän zu meistern. Da machte sein unmittelbarer Gegenspieler, Andreas Schmidt als Beckmesser, eine ungleich bessere Figur. Andreas Schmidt präsentierte eine vorzügliche Charakterstudie, die der Figur des Beckmesser sowohl stimmlich, als auch darstellerisch, alle Facetten abgewinnt und ihm - trotz der oft unglücklichen Verhaltensweisen - alle Würde und Ehre, die seinem Stand und seiner Stellung unter den Meistern entspricht, belässt Leider gleitet die Personenführung - die z.B. über weite Strecken viel Wert auf die unterschiedliche Charakterisierung der Meister legt - ab und zu in unpassenden Klamauk ab, was nun wirklich nicht notwendig ist und manchen - durchaus verständlich - verärgert. Sorgte eine Indisposition von Peter Seiffert bei der Eröffnungspremiere schon im dritten Aufzug für den vorzeitigen Einsatz von Robert Dean Smith als Stolzing, so konnte dieser sich in der zweiten Aufführung - wie geplant - gleich von Anfang an profilieren. Sein schlanker, gleichmässig geführter Tenor ist für diese Partie geradezu wie geschaffen, wobei es - zumindest im Moment noch - zugleich eine Grenzpartie darzustellen scheint. Pluspunkte konnten aus dem zahlreichen Ensemble vor allem noch die beiden jungen Meistersinger Bernhard Schneider und Torsten Kerl (s. Der fliegende Holländer) sammeln. Der Chor, der in der Prügelfuge am Ende des zweiten Aktes zwar leicht ins schleudern kam, präsentierte sich aber ansonsten - vor allem auf der Festwiese - in Hochform und bestätigte seinen Ruf als einzigartiger Klangkörper. Daniel Barenboim startete zwar mit einem fulminanten Vorspiel, wobei - wie auch oft im weiteren Verlauf des Abends - viele Einzelstimmen hörbar wurden, doch zwischendurch klang das Orchester über weite Strecken doch recht einförmig und spannungsarm. Prinzipiell war bei diesen Meistersingern ausserdem auffallend, dass die Textverständlichkeit oft zu wünschen übrig liess.
Einen musikalischen Hochgenuss präsentierte Giuseppe Sinopoli mit dem diesjährigen Dirigat des Parsifal. Flexible Tempi, dynamische Kontraste und ungeheure Spannungsbögen, getragen vom mitatmenden und alle klangliche Nuancen ausschöpfenden Festspielorchester - zusammen mit den Chören - liessen diesen Parsifal zu einem eindrucksvollen Erlebnis werden. Poul Elming als Parsifal hat zwar keine reine und geschmeidige Stimme zu bieten, und auch die Blumenmädchen hat man schon klarer und homogener gehört, aber der phänomenale Hans Sotin als Gurnemanz, Ekkehard Wlaschiha als Klingsor und der intensiv und packend gestaltende Falk Struckmann als Amfortas liessen keine Wünsche offen. Die eigentliche "Lichtgestalt" dieses Parsifal aber war Linda Watson als Kundry. Wurde sie gerade erst als Isolde an der Deutschen Oper am Rhein in Duisburg gefeiert, so zog sie das Publikum nun auch in Bayreuth in ihren Bann. Ihre sicher geführte, tragfähige und wandlungsfähige Stimme klingt in allen Lagen überaus gesund und bewältigt bruchlos die Übergänge von der tiefen, über die mittlere, bis in die höchste Lage. Wenn es Linda Watson vergönnt sein wird, können wir uns - ausser der für das Jahr 2000 in Bayreuth geplanten Ortrud - sicher noch auf viele weitere Partien und Auftritte freuen! Eine Überaschung bescherte uns auch Wolfgang Wagner, der das Bünenbild des 3. Aufzuges erheblich umgestaltete: satt der stilisierten "Zickzack-Quelle" der Vorjahre, bildete heuer ein realistischer Kugelbrunnen mit echtem Wasser das Zentrum des Bünenraums. Das flällt zwar nun ganz aus dem sonst die gesamte Gestaltung der Bilder dominierenden, stilisierenden Rahmenkonzept heraus, unterstreicht aber andererseits die herausragende Bedeutung eben dieser Quelle. Ansonsten hielt sich die Personenfürung wieder weitgehend zurück und übrrliess der Musik die Gestaltung. Insgesamt war dieser Parsifal ein grosser, musikalischer Höhepunkt der Festspiele mit einem unverwüstlichen Hans Sotin als Gurnemanz, der phänomenalen Debütantin Linda Watson als Kundy, dem ausgezeinet musizierenden Festspielorchester und dem von Norbert Balatsch einstudierten Festspielchören unter der alles beherrschenden musikalischen Leitung von Giuseppe Sinopoli.
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ProgrammBesetzungenLinda Watson als Isolde in Duisburg
Phantastisch !Linda Watson
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