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Bayreuther Festspiele (II) 31. Juli 1999

Rettungslose Liebe in finsterer
Welt - Beklemmende Neuinszenierung des Lohengrins

Von Meike Nordmeyer


Foto: Bayreuth /'Lohengrin'
  1. Aufzug, 1. Szene
  Brabant als finstere Unterwelt.
  Foto: © Bayreuther Festspiele GmbH

Für die diesjährige Neuinszenierung konnte mit Regisseur Keith Warner und Dirigent Antonio Pappano ein Team erstmals in Bayreuth verpflichtet werden, das bereits mit einigen gemeinsam erarbeiteten, hochwertigen Produktionen auf sich aufmerksam machte. Auch in Sachen Wagner war Warner schon wiederholt erfolgreich tätig. Pappano sammelte zudem seit mehreren Jahren als Assistent von Daniel Barenboim in Bayreuth Erfahrung. Beste Referenzen weisen beide also vor, dementsprechend anspruchsvoll nun das Ergebnis, das in Bayreuth Premiere hatte.

Foto: Bayreuth /'Lohengrin' 1. Aufzug, 3. Szene
Lohengrin tritt unbemerkt aus der erregten Menge heraus.
Foto: © Bayreuther Festspiele GmbH

Warner zeichnet seinen Lohengrin als dunkle, beklemmende Fabel der scheiternden Liebe. Da läßt er den Schwan gleich zu Beginn abtauchen in einen dunklen Tümpel. Düster, bedrohlich ist die Stimmung von Anfang an, es hellt sich zu keiner Zeit auf, auch nicht mit dem Auftreten Lohengrins. Sein Erscheinen vollzieht sich denkbar unspektakulär, betont lapidar, aber gerade das weiß Warner besonders wirkungsvoll in Szene zu setzen. Das Volk, der Chor als eine Seelenmasse sich sehnend nach einem Wunder, reckt sich dem plötzlich vorhandenen, geheimnisvollen riesigen Quader zu, der sich öffnet und unglaubliches Licht im Inneren birgt. Dabei übersieht es aber den, der da kommt: eine unauffällige Figur, zaghaft seinen Weg sich bahnend. Keine Lichtgestalt, kein weiß oder silber kleidet diesen Lohengrin, von himmlischem Gebaren keine Spur. Ein schwarzes Gewand trägt er, dunkel eingehüllt wie alle in Brabant. Es wird ein Lohengrin sein, so gibt Warner schon hier zu verstehen, der außer im Zweikampf an der Waffe nichts ausrichten kann, der kein Glück für sich und Elsa schaffen kann.

Foto: Bayreuth /'Lohengrin' 2. Aufzug, 2. Szene
Elsa und Ortrud reichen sich in großer Geste die Hand.
Foto: © Bayreuther Festspiele GmbH

Mit Zurückweisung der üblichen Stärke und Strahlkraft des Lohengrins, kommt in Warners Inszenierung die Figur der Elsa stärker heraus. Das Spiel, das hier vorgeführt wird, kreist um Elsas Geschick. Wir sehen sie nicht glücklich, zu keinem Moment. Es geht um eine Liebe, die nie eine erfüllte war und werden konnte. So läßt Warner im zweiten Akt auch sinnfällig eine Mauer auf der Bühne zwischen Elsa und Lohengrin errichten. Diese Beiden, die ihre Hochzeit erwarten, sie sitzen voreinander aber die Mauer des Schweigens bleibt zwischen ihnen, verhindert wird jede echte Berührung - so nah und doch so fern. Zu Lohengrin kann Elsa nicht gelangen in dieser Szene. Allzumenschlich ist es daher, daß es die Gequälte so stark zu Ortrud hinzieht, zu der Frau, die den Zweifel sät oder wohl eher den vorhandenen nur zu schüren braucht. Die einzige Farbe im düsteren, morastigen Grau von Brabant ist das Rot des Gewandes der Ortrud, und vollständig rot verfärbt sich auch der Himmel schließlich, vor dem Elsa und Ortrud in großer Geste sich die Hand reichen.

So zeigt sich hier, daß bei der Abwehr jeglicher Erlösungshoffnung und bei aller wohltuenden Verweigerung einer Lohengrin-Verherrlichung der Regisseur dennoch nicht die großen dramatischen Szenen scheut. So auch sein Umgang mit dem Chor, der wie üblich in einer Lohengrin-Inszenierung als großer Block aufzieht und staunt, beobachtet, klagt. Er wird von Warner allerdings immer wieder recht bewegt als eine Masse modelliert. Die zahlreichen Soldaten, die der König mitbringt, werden ebenfalls mit einem mächtigen Bild verbunden, dabei aber durchaus über das Übliche hinausgehend leicht verfremdet von oben als statischer Block hinabgefahren, um den oberen Teil der Bühne einzunehmen. Das vermeidet zum einen angenehmerweise scheppernde Auf- und Abtritte und gibt, in silbriges Dämmerlicht getaucht, einen gewissen unwirklichen Touch, eine leicht ironische Distanz. Der besondere bühnentechnische Kniff verstärkt zudem den Eindruck der düsteren Unterwelt von Brabant. Ein durchaus gelungenes großes Bild also.

Foto: Bayreuth /'Lohengrin' 2. Aufzug, 5. Szene
Elsa im Mittelpunkt des Machtgefechtes.
Foto: © Bayreuther Festspiele GmbH

Der Weg zum Münster zeigt sich anschließend mit Hilfe eines großen Bühnenaufbaus als ein gewaltiges Kreuz. In der Mitte dieses Tableaus steht Elsa, umgeben von denen, die sie angehen. Vor ihrer Traukirche steht sie gequält und zerrissen im Mittelpunkt des Machtgefechtes, das sich an ihr entzündet. Besonders dicht wird hier die Beziehungsstruktur von den Sängerdarstellern entwickelt. Lohengrin kommt Elsa nicht zur Hilfe, nur stumpfe verzweifelte Wut gegen Telramund beutelt ihn und zeigt ihn machtlos, fast erbarmungswürdig. Elsa wendet er sich nicht zu, sondern fordert sie erst richtig, quälend, vorwurfsvoll. Er wendet sich ab von ihr, sie reckt die Hand nach ihm, doch er gibt sie nicht.
Auch für den letzten Akt wurde ein entsprechender Aufbau entworfen: eine sich langsam drehende, leere Fläche (sich drehende Objekte sind nicht selten zu sehen in Bayreuth) bildet das Brautgemach. Dramatisch spitzt sich hier das Geschehen zu, zweifellos intensiviert durch die erbarmungslose, schwindelnde Bewegung.

Foto: Bayreuth /'Lohengrin' 3. Aufzug, 2. Szene
Die verbotene Frage ist gestellt.
Foto: © Bayreuther Festspiele GmbH

Große Szenen werden also aufgeboten von Warner, um die von Anfang an schon unendlich finster angesetzte Stimmung immer weiter zu verdichten. In dem Stil der Bilderfindung, der mächtigen Atmosphärensprache ist die Umsetzung des Lohengrins daher vielleicht nicht so ganz neu, wie es zunächst scheinen mag, sondern gewohnt großflächig und monumental, wie es in Bayreuth und generell bei Wagner Inszenierungen immer wieder zu sehen ist. Dennoch aber ist diese Lohengrin-Inszenierung von Warner auch ein anderes, ein neues Werk. Denn das Märchen vom Schwanenritter wird schonungslos erzählt, so radikal verdunkelt, wie es sicher selten zu finden ist. Verweigert wird jede lichte Emphase, statt dessen die Unfähigkeit zu Gefühlen und die Aussichtslosigkeit ihrer Entfaltung bloßgelegt. Dies ist packend, ehrlich, verstörend. Überwältigend gerät die Diagnose durch die treffenden dramatischen, leidenschaftlichen Bilder.

Dem Gestus der Inszenierung entspricht vollauf das Dirigat Pappanos, hier zeigt sich die enge Zusammenarbeit des eingespielten Teams Warner/Pappanos. Unter Pappanos Leitung erklingt das Orchester makellos, absolut konzentriert. Der Dirigent findet mit seinen Musikern einen Ton, der immer wieder auch etwas zurückgenommen bleibt, fast nüchtern ist mitunter. So versagt Pappano sich, so könnte man meinen, das letzte Auskosten der Strahlkraft, die der Musik innewohnt. Dann aber wiederum, ebenso entsprechend zur Inszenierung, führt sein Dirigat leidenschaftlich in große atmosphärische Klangbilder hinein - keine völlig neue, nie gehörte Lohengrin-Interpretation also von Pappano, aber genaues Nachspüren des Geschehens auf der Bühne im absolutem Einklang mit der Regiearbeit.

Foto: Bayreuth /'Lohengrin' 3. Aufzug, 3. Szene
Ein Ende ohne Hoffnung.
Foto: © Bayreuther Festspiele GmbH

Getragen wird diese genaue Zusammenarbeit von einem leistungsstarken, konzentrierten Team von Sängern, die das tragische Personengeflecht der Fabel genau entwickeln. Melanie Diener als Elsa und Roland Wagenführer als Lohengrin geben ein hervorragendes Stimmpaar ab und gestalten eindrucksvoll das Duett im Brautgemach. Wagenführer erbringt zwar nicht ganz die große überstrahlende Stimmkraft, das paßt aber verblüffenderweise ausgezeichnet zur Inszenierung. Herausragend ist vor allem Melanie Dieners Elsa: kindlich aufbegehrend, ja jugendlich trotzig, verzweifelt. Ganz Meisterin ihrer wohltönenden, klaren Stimme, zeigt Diener sich sicher in ihrer Partie agierend. Ein vielversprechender Neuzugang ist diese junge Sängerin für Bayreuth! Gabriele Schnaut als Ortrud macht überwältigende Kraft des Bösen hörbar, und kann dabei die Szene wirkungsvoll beherrschen. Kein Raum bleibt da für Zwischentöne, die aber werden von ihr wohl auch nicht angestrebt. Klangwirksam gibt sich John Tomlinson als König und zufrieden stellen auch Jean-Phillipe Lafont als Telramund und Roman Trekel als überraschend differenziert gesungener Heerführer. Fantastisch erklingt der Chor unter der Leitung von Norbert Balatsch. Ein großer Abend wurde also von allen Beteiligten gegeben, von Regie und Dirigat überzeugend geleitet und ausgezeichneten Stimmen umgesetzt. Großen Anklang fand die Produktion beim Bayreuhter Publikum.


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