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5. - 10. Juni 1998

Händel-Festspiele

in Halle 1998



Festspielbericht


Die festliche Eröffnung der diesjährigen Händel Festspiele im Opernhaus Halle begann traditionell mit der - auch sprachlich - internationalen Begrüssung durch Oberbürgermeister Dr. Klaus Rauen. Nach der gehaltvollen Festrede von Prof. August Everding, dem Schirmherrn der 47. Händel-Festspiele, wurde die Verleihung des Händel-Preises der Stadt Halle an - den krankheitshalber leider nicht anwesenden - KMD Prof. Helmut Gleim verkündet. Der 1935 in Lüdenscheid geborene Gleim wurde damit für seine Verdienste um das Werk Georg Friedrich Händels und der Stadt Halle - in der er seit 1959 wirkt - geehrt.
Foto: KMD Prof. Helmut Gleim
KMD Prof. Helmut Gleim
Der Händel-Förderpreis ging in diesem Jahr an Katrin Wittrich, die seit 1987 als Solo-Repetitorin am Opernhaus Halle tätig ist und schon bei zahlreichen Einstudierungen und Aufführungen (als Continuo-Cembalistin) von Händel-Opern mitwirkte.

Foto: Katrin Wittrich
Prof. August Everding, Katrin Wittrich, Dr. Klaus Rauen
Foto: Gudrun Hensling

Die mit Spannung erwartete Festspielpremiere von Händels Oper Poro, Re dell`Indie (HWV 28) fiel dann allerdings aus, da Hauptdarstellerin Patricia Spence wegen einer akuten bakteriellen Infektion im Magenbereich kurzfristig ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Als Notbehelf entschlossen sich die Verantwortlichen - um die von Nah und Fern angereisten Festspielgäste nicht ganz ohne Händels Musik wieder nach Hause schicken zu müssen - für eine konzertante "Kurzfassung" unter Auslassung aller Rezitative, Arien und Duette, an denen Poro beteiligt ist.
Die unglückliche Situation war allen Interpreten anzumerken, wobei sich die Protagonisten Romelia Lichtenstein (Cleofide), Rufus Müller (Alessandro), Ulrich Studer (Timagene), Sally Bruce-Payne (Erissena) und Nicholas Hariades (Gandarte) wenigstens teilweise profilieren konnten.
Ansonsten blieb der "Arienabend" (vor einem farbenfrohen Bühnenbild) - vor allem orchestral - doch recht blass.

Zur zweiten vorgesehen Aufführung des Poro war Patricia Spence - zu aller Freude - wieder genesen und ermöglichte dadurch die verspätete Festspielpremiere.


Bühnenbildmodell von Pet Halmen
Neben dem Poro stand noch eine weitere Oper Händels mit einem Text von Pietro Metastasio auf dem Programm. Im herrlichen Goethe-Theater Bad Lauchstädt konnte man den Ezio in der Inszenierung von Pet Halmen - der auch für die Bühnenausstattung, Kostüme und Licht verantwortlich zeichnete - erleben. Die an eine Seifenoper erinnernden Figuren (und Kostümierungen) im vom "Säulenscheiben-Ruinismus" und den Farben Rot, Weiss und Schwarz dominierten Bühnenbild agierten präzis und handwerklich gut geführt. Dass nicht alles - trotz ironischer Zutaten - völlig überzeugen konnte, machte der insgesamt geschlossenen Interpretation keinen Abbruch.

Musikalisch stand dieser Ezio auf höchstem Niveau. Howard Arman und das Freiburger Barockorchester liessen Händels Musik in allen Facetten erklingen. Hinzu kam die (fast) optimale Besetzung der Protagonisten mit David Cordier (Ezio), Ricard Bordas (Valentiniano), der für diesen "kleinen" Raum stimmlich etwas überdimensionierten Lena Lootens (Fulvia), Catherine Denley (Onoria), Kobie van Rensburg (Massimo) und Raimund Nolte (Varo).

"Pietro Metastasio - der italienische Sophokles" lautete der Textbeitrag von Silke Leopold im Programmbuch und manifestierte somit das zentrales Thema der diesjährigen Festspiele, die damit dem Jubiläum zum 300. Geburtstag eines der grössten Textdichter seiner Zeit huldigten. Händel allerdings nahm sich dessen Libretti nur dreimal für die Vertonung von Opern an. Neben den dieses Jahr aufgeführten Werken Poro und Ezio ist das die Oper Siroe, Re di Persia.

Kostproben aus dieser Oper in Vertonungen von Georg Friedrich Händel, Leonardo Vinci und Johann Adolf Hasse, standen auf dem Programm des Konzerts In memoriam Pietro Metastasio im Opernhaus Halle. In dieser Gemeinschaftsproduktion mit den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci wirkte neben der Musica Antiqua Köln unter der musikalischen Leitung von Reinhard Goebel auch Axel Köhler (Alt) mit, der leider in diesem Jahr an keiner Opernproduktion beteiligt war.

Um Metastasio auch als Oratoriumlibrettist vorstellen zu können hatte man La Passione di Gesù Cristo von Johann Friedrich Reichardt mit in das Programm aufgenommen. Neben den Solisten Katherina Müller (Sopran), Susanne Krumbiegel (Alt), Martin Petzold (Tenor) und Jörg Hempel (Baß) wirkten die Robert-Franz-Singakademie und das Kammerorchester des Philharmonischen Staatsorchesters Halle mit. Die musikalischen Leitung hatte Gothart Stier.

Ganz ausführlich beschäftigte sich im Händel-Haus dann noch die zweitägige Internationale Wissenschaftliche Konferenz zum Thema "Metastasio in der Musik außerhalb Italiens".

Eine geschichtlich und politisch höchst interessante Exkursion war dem Thema 900 Jahre Konrad von Wettin gewidmet.

Konrad ist der Stammvater einer der ältesten deutschen Dynastien. Im Laufe seines Lebens wurde er Graf von Brehna, Camburg, Landsberg, Düben, Rochlitz, Zörbig, Markgraf von Meißen, Wittenberg, Torgau und Markgraf der Sächsischen Ostmark (Niederlausitz), Herr von und auf Gütern und Lehen und Vogt über Klöster und Bistümer zwischen Elbe, Saale, Erzgebierge, Spree und sogar an der Donau. Als Herr über das grösste Reich im Osten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sind die Wettiner in seiner Nachfolge zu einem der mächtigsten Fürstenhäuser Europas geworden.

Stiftskirche auf dem Petersberg
Stiftskirche auf dem Petersberg
Eine weitere Exkursion stand unter dem Motto 1000 Jahre Saale-Unstrut-Wein. Hier standen u.a. die Besuche der Städte Naumburg (Dom) und Freyburg (Neuenburg) auf dem Programm.

Eine Besonderheit in Zusammenhang mit dem Weinanbau in der Region war eine Besichtigung des Weinberges der Familie Händel in Müllerdorf, das heute zu Zappendorf gehört.


Halles Markt mit
Marktkirche und Rotem Turm
Im Konzert Italienische Vespern mit Werken von Georg Friedrich Händel sorgte Marc Minkowski mit seinen Musiciens du Louvre (Chor und Orchester) für barocke Klangpracht und beschwingtes Musizieren, wobei er allerdings die sehr hallige Akustik der Marktkirche in seinen Interpretationen nicht berücksichtigte. Die Solopartien wurden von den Sopranistinnen Magdalena Kozená und Annick Massis gesungen.

Ein bezauberndes Ambiente bildete der Hof der Moritzburg für die Veranstaltung Oper zur Nacht. Ein riesiges Holzportal diente als Spielort für das Musicalische Schauspiel von der Dafne nach einem Libretto von Martin Opitz mit der Musik von Giovanni Andrea Bontempi und Marco Gioseppe Peranda. Die in Zusammenarbeit mit den Dresdner Musikfestspielen entstandene szenische Aufführung in der Regie von Kornelia Repschläger und der Ausstattung von Rainer Sinell war eine interessante und hübsch anzusehende, wenn auch nicht sehr aufregende Unterhaltung. Für die musikalische Ausführung sorgte Wolfgang Katschner und seine durch die Instrumentalisten des Bellum musicum Weißenfels verstärkte Lautten Compagney Berlin. Das zum Teil hervorragende Solistenensemble konnte dabei seine darstellerischen Fähigkeiten besonders gut zur Geltung bringen. Schade nur, dass die Titelpartie der Dafne hier eher nur eine Nebenrolle ist. Das war besonders bedauerlich, da Suzie Le Blanc in dieser Partie nur sehr kurz zum Einsatz kam.

Äusserlich recht sparsam fiel dieses Jahr die Georg-Friedrich-Händel-Gala im Opernhaus Halle aus (3sat hatte sich dieses Jahr auf die Übertragung des Messiah mit Trevor Pinnock konzentriert). Musikalisch jedoch wurde das Konzert einer Gala durchaus gerecht. Auf dem Programm standen neben der Ode for St. Cecila's Day (HWV 76) Arien und Duette aus Opern Händels.
Howard Armann und das Händelfestspielorchester des Opernhauses Halle sorgten für ein differenziertes und ausbalanciertes instrumentales Fundament, auf dem sich sowohl der Favorit- und Capellchor Leipzig, als auch die Solisten Claron McFadden (Sopran), Axel Köhler (Alt) und Kobie van Rensburg (Tenor) vokal äusserst präsent und wirkungsvoll präsentieren konnten.

Ein besonderes Erlebnis bescherte die Veranstaltung Der Hercules-Mythos in den Vertonungen von Hasse und Händel in den Franckeschen Stiftungen. Neben Georg Friedrich Händels Musical Interlude The choice of Hercules (HWV 69) von 1751 wirkte die Festa Teatrale Alcide al bivio in einem Akt von Johann Adolf Hasse von 1760 ungleich dramatischer und abwechslungsreicher, obwohl - oder vielleicht auch weil - einige kürzere und längere Passagen (aus Zeitgründen) gestrichen wurden. Jedenfalls gab es ganz hervorragende und effektvolle Musik von Hasse zu hören, die vor allem von den beiden erstklassigen Sopranistinnen Heidrun Kordes und Martina Rüping in beeindruckender Weise gestaltet wurde. Arno Raunig (Mezzosopran), dessen Stimme vor allem in den oberen Regionen oft eruptionsartig ausbricht ist dagegen Geschmackssache, während Christian Elsner die Tenorpartien souverän und ausdrucksvoll vortrug. Michael Schneider liess sein Ensemble La Stagione (Frankfurt/Main) frisch und engagiert aufspielen, unterstützt vom klangschön singenden Favorit- und Capellchor Leipzig.

Für Aufsehen sorgte in der Konzerthalle Ulrichskirche Trevor Pinnock mit seinen Musikern The English Concert (Chor und Orchester). Diese Aufführung von Händels Oratorium Messiah - mit den Solisten Deborah York (Sopran), Catherine Wyn-Rogers (Mezzosopran), Benjamin Butterfield (Tenor) und Matthew Hargreaves (Baß) - wurde nicht nur live über 3sat ausgestrahlt, sondern auch auf dem Markt bei "Händels open" - für alle kartenlosen Fans - auf Bildschirm und in Stereo übertragen.

Eine ganz besonders attraktive Veranstaltung wurde in den historischen Kuranlagen Bad Lauchstädt mit Amore mio - Händel auf dem Teich, einem Ballettabend der besonderen Art angeboten. Zusammen mit dem Ballettensemble des Opernhauses Halle tanzten die Mitglieder des BarockTanzTheatersBremen in der Choreographie und Inszenierung Jürgen Schrape (Bühnenbild: Bernd Leistner, Kostüme: Götz Lanzelot Fischer). Unter der Leitung von Stephen Stubbs musizierten Mitglieder des Orchesters des Opernhauses Halle.

Die Sonderausstellung 50 Jahre Musikmuseum Händel-Haus machte neben den Hinweisen auf seine Spezialbibliothek, die umfangreiche Bildsammlung und seine historischen Musikinstrumente, vor allem auf die langjährigen Aktivitäten des Händel-Hauses, wie Führungen durch die Ausstellung (auch auf Tonträgern und in mehreren Sprachen), regelmässige Konzertveranstaltungen (allein vier Konzerte mit Barockmusik während der Festspiele), Vorträge, Gesprächsabende und spezielle Aktionen für Kinder und Jugendliche (wie z.B. das Händel-Kinder-Spektakel) aufmerksam.



Das Strassenfest vom Händel-Haus zum Marktplatz eröffnete den Kultursommer in der Stadt Halle. Bei diesem bunten Allerlei boten Künstler, Handwerker, Händler und Vereine Kunst, Kultur und Kulinarisches für jedes Alter und jeden Geschmack.

Unter dem Motto Händels open gab es in dem "Konzert-Restaurant" auf dem Markt neben reichlichen Gaumenfreuden die unteschiedlichsten Darbietungen zu sehen, unter anderem die Live-Übertragung des Messiah aus der schon lange im Voraus ausverkauften Ulrichskirche.

Der Markt war auch Schauplatz der Feierstunde am Händel-Denkmal, bei der vor einem grossen Publikum neben der obligatorischen Kranzniederlegung wieder zahlreich musikalische Beiträge quer durch die Musikgeschichte - darunter natürlich viel von Händel - für eine abwechslungsreiche Unterhaltung sorgten.

Zwei Sonderführung ergänzten das überreiche Programm der Festspiele. So präsentierte die Staatliche Galerie Moritzburg in ihrer Ausstellung Barbaren ziehen gen Westen zwei neue Werke von Max Ernst, während die Franckesche Stiftungen mit ihrer Jubiläumsaustellung 300 Jahre Franckesche Stiftungen ausgiebig das Leben und Wirken des Gemeindepfarrers, Universitätsprofessors und Schuldirektors August Hermann Francke gedachten.

Einen Vorgeschmack auf die Festspiele im nächsten Jahr konnte man bei dem Baustellenkonzert in der Georg-Friedrich-Händel-Halle bekommen. Der riesige Komplex Halle Spitze wächst stetig und nimmt schon konkrete Formen an.

Beendet wurden die Festspiele traditionsgemäss mit dem beliebten Abschlusskonzert mit Feuerwerk in der Galgenbergschlucht.

Mit 23 Konzerte und Aufführungen mit Eintrittspreisen zwischen 10,- und 85,- DM (je nach Veranstaltung) konnten die Festspielbesucher in den 6 Tagen auch an einer Vielzahl von Veranstaltungen mit freiem Eintritt teilnehmen, was den "volksnahen" Charakter der Hallenser Festspiele ausmacht.

Abschliessend ist noch auf eine nennenswerte Besonderheit hinzuweisen: die Veröffentlichung des Tolomeo aus dem Jahre 1996 auf CD in der Reihe Edition Opernhaus Halle. Es handelt sich hierbei um die erste Gesamtaufnahme einer Händel-Oper mit dem Händelfestspielorchester des Opernhauses Halle (auf historischen Instrumenten). Sie ist nicht nur als Erinnerungsstück von besonderem Wert, sondern auch als musikalisch äusserst spannende und hervorragend musizierte Aufnahme nur wärmstens zu empfehlen!

Mitwirkende: Axel Köhler (Tolomeo), Linda Perillo (Seleuce), Romelia Lichtenstein (Elisa), Brian Bannatyne-Scott (Arsape) und Jennifer Lane (Alessandro)

Zu beziehen über das

Opernhaus Halle
Postfach 11 05 54
06019 Halle (Saale)
für eine Schutzgebühr von 10,- DM (3 CD's).
Bei Versand inklusive Porto und Verpackung 17,- DM.

Die nächsten Händel-Festspiele in Halle finden - nach den Festspielen in Karlsruhe (18. bis 28. Februar 1999) und Göttingen (27. Mai bis 1. Juni 1999) - vom 4. bis 13. Juni 1999 statt (Info-Seiten).

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