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Festspiele
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Festival-Kritik

Neben der mit Spannung erwarteten Neuproduktion der Oper Amadigi (ausführlichere Besprechung mit Fotos) kam als Wiederaufnahme aus dem letzten Jahr im Kleinen Haus Händels Oper Ezio (Besetzung und Fotos) erneut zur Aufführung. Wie schon im letzten Jahr überzeugte diese Produktion von Georges Delnon (Inszenierung) und Roland Aeschlimann (Ausstattung) durch ihre stilisiert-abstrakte, und ungeheuer intensive und mitreißende Realisierung.
Unter der musikalischen Leitung von Roy Goodman gelang den Deutschen Händel-Solisten und den ganz ausgezeichnet singenden und spielenden Solisten eine packende und beeindruckende Interpretation dieses Dramma per musica.

Außer den beiden Opern standen zahlreiche Kammer- und Chorkonzerte auf dem Programm der Händel-Festspiele. Zunächst wäre da das Festkonzert der Deutschen Händel-Solisten zu nennen. Neben Instrumentalwerken von Fux, Rameau, Telemann und J. S. Bach waren noch Händels Kantate Deliro amoroso: Da quel giorno fatale und zwei Arien aus den Opern Rodrigo und Rinaldo zu hören. Die Solisten des Abends waren die Sopranistin Catherine Bott - die ihrem inzwischen international anerkannten Ruf vollauf gerecht wurde - und Karlheinz Steeb, der das Violakonzert in G-dur von Telemann spielte; die erste Violine übernahm bei diesem Werk übrigens Roy Goodman, der sich ja am Anfang seiner musikalischen Laufbahn zunächst als Geiger einen Namen machte.

Im Konzert der Preisträger der Jugend-Barock-Reihe der Händel-Gesellschaft Karlsruhe wurden vom Vorsitzenden der Händel-Gesellschaft, Erwin Sack, und dem Sprecher der Jury, Prof. Dr. Siegfried Schmalzriedt, die Preisträger des Händel-Jugendpreises von 1995 und 1996 geehrt. Diese waren das Jugendensemble der Musik- und Kunstschule Bruchsal unter der Leitung von Georg Moradian (Gewinner 1995), Rebekka Lang, Blockflöte, von der Städtischen Musikschule Rastatt (Förderpreis 1996) und der Kammerchor des Helmholtz-Gymnasiums Karlsruhe unter der Leitung von Reinhard Kretschmann (Hauptpreis der Kategorie II - Größere Ensembles - 1996). Als Kostproben ihres Könnens musizierten sie außer Werken von Händel auch Kompositionen von Vivaldi, Praetorius, Lasso, Schein, u.a.

Einen Höhepunkt in der Konzertreihe der Festspiele bildete das Gastkonzert des Ensemble London Baroque, das Werke von Corelli, Vivaldi, Mattheson, Leclair Johann Christian Bach und Händel zur Aufführung brachte. Das technisch billante, klanglich ausgewogene und bis ins Detail aufeinander abgestimmte und musikantische Spiel des Ensembles - Irmgard Schaller und Richard Gwilt (Violine), Charles Medlam (Violoncello) und Terence Charleston (Cembalo) - wurde vom Publikum mit begeistertem Beifall aufgenommen.

Im Kammerkonzert der Deutsche Händel-Solisten musizierten - in gewohnt differenziertem und flüssigem Spiel - Benjamin Hudson und Gerhard Peters (Violine), Karlheinz Steeb (Viola), Gerhard Darmstadt (Violoncello), Helmut Hofmann (Kontrabaß), Joachim Held (Laute) und Carsten Lohff (Cembalo) Werke von Händel, J. S. Bach, Telemann, Fasch und Muffat. Ein Programm mit "Englischer Kirchenmusik vor und nach der Restaurationszeit (um 1660)" hatte der Clare College Choir, Cambridge unter der Letung von Timothy Brown für sein Chorkonzert zusammengestellt. Bei diesem Konzert fiel wiederum auf, daß selbst anspruchsvollere Solopartien von den Chormitliedern mit Bravour bewältigt werden. Eine ganz besondere Überraschung war auch, daß Timothy Brown einen großteil der aufgeführten Werke von seinem Sohn Jonathan Brown aufführen ließ, der bei dieser Gelegenheit auf seine dirigiertechnischen Fähigkeiten aufmerksam machen konnte.

Nach den eher kammermusikalisch zu musizierenden Werken des Chorkonzertes konnte der Clare College Choir, Cambridge in der Aufführung des Oratoriums Israel in Ägypten (Exodus) seine ganze Klangpracht zur Entfaltung bringen und wurde vom Publikum mit wahren Ovationen gefeiert. Zum Glück ist dieser Chor inzwischen schon zu einer Institution in Karlsruhe geworden, und wird es hoffentlich auch in Zukunft bleiben.
Die Solisten des Abends waren Ruxandra Voda und Marianne Kirnbaum (Sopran), Robin Blaze (Countertenor), Jason Alexander (Tenor), Guido Jentjens und Oleg Bryjak (Baß). Es musizierten wieder die Deutschen Händel-Solisten - die wirklich ein ungeheures Programm während der Festspiele bewältigen mußten, und dies auch mit bewunderungswürdiger Musizierkunst und -lust schafften - unter der Leitung von Timothy Brown, der diesen Festspielen 1996 einen würdigen Abgesang bescherte.

Außerdem fanden noch eine ganze Anzahl weiterer Veranstaltungen statt. So zum Beispiel ein Konzert im schmucken Kammermusiksaal im Schloß Bruchsal mit "Virtuose(r) Barockmusik", ausgeführt von Paul Esswood, Bob van Asperenund ein Orgelkonzert mit Andreas Schröder in der Johanniskirche am Werderplatz.

Ein besonderer Leckerbissen war wieder einmal die Filmvorführung von Pasticcio oder Die Abenteuer der schönen Unbekannten von Jean-Louis Martinoty, der hierbei eine frei erfundene Handlung mit originalen Arien aus Händels Opern zusammenstrickte und in der barocken Art eines Pasticcios zusammenfügte. Zu diesem Film, der auf einer Opernproduktion für die Karlsruher Händel-Festspiele beruht, gibt es im übrigen auch einen Film zum Film, der die Entstehung dieser Produktion eindrucksvoll wiedergibt.. Das diesjährige Symposium der Internationale Händel-Akademie Karlsruhe stand unter dem Motto "Götter, Geister und Dämonen - Das Phantastische in der Barockoper". Nach einer kurzen Einführung von Prof. Dr. Hans-Joachim Marx (Hamburg), der auch die Gesprächsleitung führte, referierte Dr. Bernd W. Lindemann (Basel) über "Erscheinung und Gestaltanname. Darstellungen des Nichtirdischen in der Malerei des Barock". Nach diesem kunstgeschichtlichen Exkurs erhellte Prof. Dr. Sabine Henze-Döring (Marburg) mit ihrem Beitrag "Götter am Hofe. Zur Rezeptionn der Tragédie lyrique in Deutschland" einen bedeutenden Abschnitt der Operngeschichte. Beispiele aus der Literatur zum Thema "Mögliche Welten. Freiräume des Wunderbaren im nichtaristotelischen Theater" stellte Prof. Dr. Albert Gier (Bamberg) in seinem interessanten Referat vor. "'Orridi demoni'. Beschwörungsszenen in Händels Opern und ihre Vorbilder" waren schließlich das Thema von Dr. Dorothea Schröder (Cuxhaven), bevor Jean-Louis Martinoty - Regisseur der diesjährigen Opern-Neuproduktion des Amadigi - einiges aus seinen Erfahrungen zum Besten gab.
Die gehaltenen Referate erscheinen in schriftlicher Form - zusammen mit den Symposiumsberichten der Jahre 1994 und 1995 - im nächsten Band der Reihe der Veröffentlichungen der Internationale Händel-Akademie Karlsruhe zu den nächsten Festspielen im Februar 1997.


Programm der Händel-Festspiele 1996 in Karlsruhe

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Gerhard Menzel
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