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Bayreuther Festspiele 2001

Lohengrin
rezensierte Aufführung: 4. August 2001



Gedankenspiele um eine rätselhafte Erscheinung

Von Stefan Schmöe


Es gibt Festspielinszenierungen, die können durch eindrucksvolle Bilder ihre Spannung über Jahre hinweg aufrecht erhalten (in jüngerer Vergangenheit etwa, trotz mancher Entstellungen in der Personenregie nach dem Tod des Regisseurs, Heiner Müllers Tristan). An andere gewöhnt man sich (Kirchners Ring), wieder andere verlieren nach einmaligem Sehen – oder schon im Verlauf der Aufführung – ihren Reiz (Dorns Holländer), weil sie in ihrer Logik zu leicht durchschaubar sind. Keith Warners Lohengrin-Deutung (oder besser Nicht-Deutung) hält die Spannung merkwürdigerweise deshalb, weil sie – trotz mancher Schwachpunkte – mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Warner spürt die Risse in der Oper auf, inszeniert die Chorszenen (mit Ritter-Staffage als romantisches Zitat) konsequent anders als die großen, auf den Ring hindeutenden Dialogszenen (mit Versatzstücken aus Biedermeier-Mobiliar), springt zwischen Stilisierung, realistischer und symbolischer Erzählweise munter hin und her. Nicht immer ist das schlüssig, aber es zerfällt auch nicht – und die Oper wahrt hartnäckig ihr Geheimnis.

Dieser Lohengrin könnte einer aus dem Volk sein, der die Gunst der Stunde nutzen will – ein Hochstapler sozusagen (da bekommt das „Nie sollst du mich befragen“ eine aberwitzig ironische Pointe) – aber das mag überinterpretiert sein. Vielleicht ist dieser Lohengrin die Imagination eines erlösungsbedürftigen Volkes, das um ein Wasserloch kauert wie die Israeliten in der Wüste. Vielleicht ist er Ausgeburt von Elsas Phantasie, von Ortrud - Elsas alter ego - konsequent bekämpft. Die Inszenierung stößt viele solcher Gedankenspiele an, ohne diese konsequent ausdeuten zu wollen. Eben dies macht sie resistent gegen Festspielverschleißerscheinungen.

Ein bisschen mehr von diesem Geheimnis wünschte man sich im Gesang des Lohengrin-Darstellers Peter Seiffert – das allerdings ist das einzige, was dem Sänger vorzuwerfen ist: Stimmlich nämlich braucht Seiffert keine Konkurrenz zu fürchten. Dunkel eingefärbt und gleichzeitig mit tenoralem Glanz, mühelos und unangestrengt ist Seiffert ein überragender Lohengrin, dessen größte Gefahr ist, zu vordergründig mit diesen Reichtümern zu wuchern. Ihm gegenüber steht mit Melanie Diener eine Elsa, deren Stimme in den letzten beiden Jahren an Fundament gewonnen hat und die weniger das naive Mädchen als eine selbstbewusste junge Frau verkörpert. Zwar forciert sie gelegentlich in der hohen Lage, aber der warme und tragfähige, dabei trotzdem jugendlich schlanke Klang ist sehr eindrucksvoll, zudem durchaus klug und differenziert eingesetzt. Ein musikalisches Traumpaar, dass sich da auf der Bühne nicht finden darf, und das, würde es am musikalischen Ausdruck weiter feilen, ein Jahrhundertpaar werden könnte.

Überhaupt ist das gesamte Sängerensemble ausgesprochen gut bei Stimme. Im musikalischen Detail sind indes bei dem einen oder anderen noch Steigerungsmöglichkeiten vorhanden: Das „dunkle Paar“ Ortrud (Linda Watson) und Telramund (Oskar Hillebrandt) könnte sicher noch prägnanter, noch pointierter gestaltet, der König (Stephen West) weniger altväterlich gesungen werden. Roman Trekel als Heerrufer führt dagegen eindrucksvoll vor, wie man eine scheinbare Nebenfigur schauspielerisch und musikalisch ohne übermäßigen Aktionismus lebendig und plastisch interpretieren kann.

Gewohnt virtuos agiert der Festspielchor, der zudem mit exzellenter Textverständlichkeit aufwartet – allerdings ein wenig auf Kosten des Klanges, der (insbesondere in den Männerstimmen) bei gelegentlichem Übermaß an Konsonanten etwas matt bleibt. Vielleicht liegt das auch an den Bemühungen von Dirigent Antonio Pappano, das Klangbild insgesamt sehr schlank zu halten und den Chören das Martialische zu nehmen (was ihm meistens, aber nicht immer gelingt). Manches wird aber auch zu leicht – auch der Lohengrin braucht eine gewisse Erdenschwere. So souverän wie Dirigentenkollege Christian Thielemann hat Pappano das Festspielorchester jedenfalls nicht im Griff.

Pappanos Interpretation ist geschmeidig und elegant, erinnert in ihrem Charme gelegentlich an Massenet und an die französische Oper, und überhaupt werden allerhand Querbezüge (zu Weber, aber auch zu den späteren Werken Wagners) hörbar. Die Schlüsselstellung des Werks zwischen romantischer Oper und Musikdrama wird dabei immer wieder deutlich, ohne dass dies den musikalischen Fluss beeinträchtigen würde. Außerordentlich überzeugend gelingt Pappano die Disposition der Tempi, die in der Regel sehr flüssig sind; an den Kulminationspunkten kann die Musik aber auch „anhalten“ und sich zu großer Spannung verdichten. Musikalisch ist dieser Lohengrin bei weitem nicht so düster wie das Bühnenbild, aber auch nicht strahlend – eher sucht Pappano einen erzählenden, fast ein wenig distanzierten Stil. Das kommt der skeptischen Sicht des Regisseurs auf den scheiternden Heilsbringer zweifellos entgegen.


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Besetzung


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Lohengrin, 1. Akt, 3. Szene

Fotos: © Bayreuther Festspiele GmbH


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