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Bayreuther Festspiele 2001

Parsifal
rezensierte Aufführung: 6. August 2001



Im Gleichschritt abgetreten in den Ruhestand

Von Stefan Schmöe


Pensionsreif war Wolfgang Wagners Parsifal-Inszenierung in ihrem denkbar schlichten intellektuellen Anspruch, der jede Deutung des Stoffs vermeidet, und ihrer angestaubten Ästhetik bereits bei ihrer Premiere im Jahr 1989. Jetzt endlich darf sie in den mehr ersehnten als verdienten Ruhestand gehen. Für die Abschiedsrunde hat der Herrscher des grünen Hügels nach dem Parsifal-Fiasko des Vorjahres den allseits zum vermeintlichen Erlöser Bayreuths hochstilisierten Christian Thielemann an das Dirigierpult bemüht, um wenigstens einen musikalisch anständigen Abgang der Produktion zu gewährleisten. Thielemann ist nach Kräften bemüht, der matten Produktion mit neuen, flotten Tempi ein letztes Lebenszeichen zu entlocken – und das gelingt ihm zwar nicht vollständig, aber immerhin über weite Strecken.

Vielleicht wäre konsequentes Wegschauen eine Lösung: Thielemanns forscher (dabei aber immer sehr kultivierter) Zugang steht zumindest im ersten Aufzug in krassem Gegensatz zu dem klebrig-behäbigen, stets auf Langsamkeit bedachten Bühnengeschehen. Wolfgang Wagner neigt zur Stilisierung, lässt seine Gralsritter in irgendwie mittelalterlichen Leibchen im gemessenen Gleichschritt aufmarschieren, und neckisch arrangiert hören die Knappen dem Märchenonkel Gurnemanz zu. Matthias Hölle besticht zwar mit seiner warmen, sonoren Stimme in den langen ruhigen, erzählenden Passagen, hat aber nichts zuzusetzen, wenn der Gestus erregter wird – Thielemanns musikalische Attacken laufen in musikdramaturgische Leere. James Levine, der die Produktion in den ersten Jahren musikalisch leitete, war mit seiner berühmten (manche werden sagen: berüchtigten) unendlichen Langsamkeit resistenter gegen die Schwächen der Inszenierung und konnte gleichzeitig einiges mehr von den Abgründen dieser Partitur deutlich machen.

Der zweite und dritte Aufzug sind schlüssiger; der Konstellation Kundry-Parsifal im zweiten, der Dreiecksbeziehung Kundry-Parsifal-Gurnemanz im dritten Aufzug kann der Regisseur zwar keine Spannung abgewinnen, aber die unverbindliche Personenregie stört wenigstens die musikalische Entwicklung nicht. Über weite Strecken vermögen Thielemann und das exzellente Orchester mit schwerem, aber nie festem Klang zu zaubern. Violeta Urmana singt die Kundry mit betörend sinnlicher Stimme, überwältigend in den ruhigen Passagen, eine Spur zu verhalten im dramatischeren zweiten Teil ihres großen Dialogs mit Parsifal. Poul Elming ist ein souveräner, die Rolle klug disponierender Titelheld mit schöner baritonaler Stimmfärbung, wenn auch ohne große Nuancierung.

Andreas Schmidt, ein zunächst ein wenig weinerlich leidender Amfortas, steigert sich im dritten Aufzug zu imponierender Leistung. Alfred Reiter ist ein souveräner Titurel, Hartmut Welker ein trotz guter stimmlicher Kapazitäten ein etwas eintönig klingender Klingsor – hier schlägt sich vielleicht das Fehlen einer Rollenausdeutung auch auf den musikalischen Bereich nieder. Hervorragend ist der von Eberhard Friedrich einstudierte Festspielchor; die leuchtenden, perfekt intonierenden Frauenstimmen sind für sich bereits die Reise nach Bayreuth wert. Die Männerstimmen erreichen (wie schon im Lohengrin) nicht ganz diese Homogenität.

Wolfgang Wagner, als Herrscher über den Festspielhügel unversöhnlich und unnachgiebig gegenüber anders denkenden Anverwandten, zeichnet sich in seinen Inszenierungen durch einen umso größeren Willen zur allumgreifenden Harmonie aus. So bekommt Amfortas seinen Speer zurück, und Kundry wird in die Gralsburschenschaft aufgenommen. Jedes Jahr – darin zeigt sich der Werkstattcharakter der Inszenierung – dürfen sich die Protagonisten noch ein bisschen mehr lieb haben. Noch ein oder zwei Jahre, dann wäre wohl auch Titurel von so viel Frieden wiederbelebt worden und würde im Schlussbild mit Klingsor Halma spielen - aber halt: Jetzt darf die Inszenierung abtreten. Gut so, denn so leicht lassen sich auch hier Musik und Bühne eben nicht auseinander dividieren. Wie Mehltau hängt diese Regie schwer über der Musik, weil sie die Sänger zu lähmen scheint. Thielemanns große Fähigkeiten haben inszenatorische Zumutungen ganz anderer Art verdient, um richtig zur Geltung zu kommen.


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Besetzung


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Parsifal, 3. Aufzug, letzte Szene

Fotos: © Bayreuther Festspiele GmbH


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