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Bilderwahn gegen Händel
Von Gerhard Menzel
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Fotos von Gert Kiermeyer
Als 59. Inszenierung einer Händel-Oper am Opernhaus Halle hatte zu den diesjährigen Händel-Festspielen dessen letzte Oper Deidamia Premiere. Die erste Produktion nach der neu edierten Fassung der Hallischen Händel-Ausgabe lag in den Händen des Dirigenten Alessandro de Marchi, der schon das Festkonzert zur Eröffnung der Festspiele (nach längerer Zeit einmal wieder) zu einem musikalischen Ereignis werden ließ. Zu einem instrumentalen und vokalen Ohrenschmaus wurde nun auch die Aufführung der Deidamia. Unter dem sensiblen Dirigat Alessandro de Marchis spielte das Händelfestspielorchester des Opernhauses Halle so engagiert, dynamisch und ausdrucksvoll, dass es nur so eine Freude war. Händels Musik atmete und swingte, plapperte gewitzt und gestaltete große und bewegende Momente. Was Alessandro de Marchi in diesem Jahr mit dem Orchester erarbeitete, kann sich international hören lassen. Es lohnt sich halt doch, wenn schon im Vorfeld für eine längere und intensive Probenarbeit gesorgt wird (Festkonzert und Opernproduktion)! Auf der suche nach Lars, dem kleinen Eisbären? Deidamia (Ann Monoyios) und der verwunderte Pinguin im Eismeer (rechts im Hintergrund).
In der Rolle der Deidamia erwies sich Ann Monoyios als Meisterin ihres Faches. Obwohl sie in der Titelpartie das Solistenensemble klar dominierte, gelang es auch Anke Herrmann (Nerea), Akie Amou (Achille), Lucia Sciannimanico (Ulisse), Martin Kronthaler (Fenice) und Wolf Matthias Friedrich (Licomede), der Produktion ein ausgesprochen hohes musikalisches Niveau zu verleihen. Rusalka oder doch Arielle? Deidamia (Ann Monoyios) führt Ulisse (Lucia Sciannimanico) durch ihren "Unterwasserpalast". Derweil schnorchelt Achille (Akie Amou) über sie hinweg. Bitte nicht das Thermometer am linken Bühnenrand übersehen (s.u.)!
Als Handlungsgerüst der Deidamia dient ein Teil aus den Anfängen des Trojanischen Krieges. Der Vorhersagung folgend, dass die Griechen nur mit Hilfe von Achille die Trojaner besiegen könnten, versuchen Ulisse und Fenice, Achille zu finden um gemeinsam mit ihm in den Krieg gegen die Trojaner zu ziehen. Achille wurde seinerzeit von König Licomede und seiner Tochter Deidamia (die in Achille verliebt ist) auf der Insel Skyros als Mädchen verkleidet versteckt, da ein Orakelspruch den Tod Achilles im Trojanischen Krieg prophezeite. "Annie get your gun": Deidamia (Ann Monoyios) beweist Achille (Akie Amou), "Alles was du kannst, das kann ich viel besser!"
Regisseur Nicholas Broadhurst und Ausstatter Jon Morell interessierte diese Geschichte um den antiken "Wehrdienstverweigerer" allerdings wenig, was ja grundsätzlich noch nichts negatives ist. Aber mit dem Hauptaugenmerk auf "action" und dem zwanghaften Versuch, möglichst viele abwechslungsreiche, bunte und kontrastierende Bilder aneinanderzureihen, erlitten sie - wie die "Helden" ihres Stückes - einen veritablen Schiffbruch. Anmache im wilden Westen: Nerea (Anke Herrmann) und Fenice (Martin Kronthaler).
Schon bevor sich der Vorhang überhaupt das erste Mal öffnete, tönte ein ungeheurer Lärm in die Musik hinein. Als der Vorhang dann die Sicht frei gab, sah man das Kriegsschiff von Ulisse und Fenice, das sich durch die bühnenhohe Zimmerwand des "Palastes" des Licomede gebohrt hatte. Nun folgte ein Gag nach dem anderen, wobei die Spielorte in heiße und kalte Gegenden führten: eine antarktische Eisberglandschaft mit kopfschüttelndem Pinguin, Haifischjagd und Wasserski, Unterwasserszenen mit Wassernixe Deidamia, Taucher und Walen, unsäglicher Wildwestkitsch u.v.m. Damit auch jeder im Zuschauerraum die Temperaturschwankungen nachvollziehen konnte, wurden diese durch ein riesiges Thermometer am Bühnenrahmen angezeigt. "Der große Diktator"? Ulisse (Lucia Sciannimanico) als Herrscher der Welt.
Als im dritten Akt anscheinend alles optische Pulver verschossen war, traten auf einmal die Personen und ihre Gefühle in den Vordergrund und so manche ausdrucksstarke Szene hätte entstehen können, aber da war es schon zu spät. Wie man Deidamia auch als Repertoirestück für ein Abonementspublikum unterhaltsam und doch dem Stück gerecht werdend inszenieren kann, bewies Angela Brandt mit ihrer gelungenen Deidamia-Inszenierung am Theater Hagen. Jezt darf man gespannt sein, wie die Neuproduktion der Deidamia bei den Händel-Festspiele in Göttingen im nächsten Jahr ausfallen wird.
Als Gesamteindruck blieb eigentlich nicht mehr haften, als eine bunte, mehr oder weniger unterhaltsame Revue mit ungewöhnlich anspruchsvoller und hervorragend interpretierter Musik. Schade, vor allem, weil das Händel-Debüt von Nicholas Broadhurst - der Giulio Cesare in Essen - so viel Erwartungen geweckt hatte. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
ProduktionsteamMusikalische LeitungAlessandro de Marchi
Inszenierung
Bühnenbild und Kostüme
Choreinstudierung
SolistenDeidamiaAnn Monoyios
Nerea
Achille
Ulisse
Fenice
Licomede
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- Fine -